Kritik zu Hoffenheim – Das Leben ist kein Heimspiel
Die für viele unglaubliche und für manche unerhörte Aufstiegsgeschichte der TSG 1899 Hoffenheim, gewissermaßen als Making-of, denn die Dokumentaristen Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech filmten seit der Kreisliga
Winterlandschaft im Nebel: erfrorenes Blassgrün, Stoppelfelder und Zäune, malerische Melancholie. Und auf einer Landstraße eine Limousine mit ein paar Herren, die die Natur ganz unromantisch in den Blick nehmen und ihre Einbildungskraft dafür nutzen, sich hier Riesenparkplätze und Stadiontore vorzustellen. Das war im Januar 2007, die Szene steht zu Beginn des Films. Die Herren haben den Auftrag, den Drittliga-Fußballklub eines 3.000-Einwohner-Dorfes in der badischen Provinz zu einem professionellen Erstligisten zu machen – und das bitte schnell! Dafür braucht man nicht nur fußballerische Erfolge, sondern auch die materielle Infrastruktur, die das Reglement vorgibt: Parkplätze eben. Finanzielle Liquidität. Und statt des Dorfsportplatzes ein Stadion mit Flutlichtanlage, das mindestens 35.000 Zuschauer fasst.
Im Augenblick (16. Spieltag 2010) steht die TSG 1899 Hoffenheim auf Platz 6 der Erstligatabelle. Und die Geschichte von SAP-Milliardär Dietmar Hopp, der mit gewaltigen Investitionen und dem Einkauf hochkarätiger Spieler aus aller Welt die Erfolgsstory seiner Truppe befeuert, dürfte mittlerweile selbst Fußballignoranten vertraut sein. Doch die Dokumentaristen Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech haben sich schon vor dem aktuellen Hype für die Geschichte interessiert; so früh, dass sie bei vielen entscheidenden Stationen dabei waren beim »Projekt Hoffenheim«. So kann auch ein größeres Publikum jetzt den von Hopp engagierten Geschäftsführer Jochen Rotthaus beim unaufhaltsamen Aufstieg begleiten: Antragserstellung, Sponsorenverhandlungen, Architektengespräche – und immer wieder Goodwillbesuche bei Einwohnern und Fans. Bis dann 2009 wirklich das erste Spiel stattfindet im neuen riesigen Stadionbau.
Rotthaus ist Marketingprofi und beim Reden von Core-Business und Markeneffekten möchte einem manchmal schlecht werden. Denn »Das Leben ist kein Heimspiel« (auch ein Rotthaus-Zitat) ist keine langweilige Jubelstory. Und wie in jeder guten Geschichte gibt es auch hier hartnäckige Antagonisten. Das sind einmal die treualten Fans des Vereins, Torro und seine Fanclubkumpanen, die die Majorisierung ihres Clubs durch alerte Jung-Hoffisten misstrauisch beäugen: Nikotin- und alkoholaffine Old-School-Aficionados in Böhse-Onkelz-T-Shirts, die die gesponserte Jubelparty in der Eventhalle trotzig boykottieren und von Rotthaus ausdauernd umworben werden. Außerdem gibt es auch heftige Feindschaft vonseiten der etablierten Ligavereine.
Letztere wird – konsequentem Durchhalten der Innenperspektive geschuldet – im Film nur kurz durch Medienzitate angerissen. Umso deutlicher zeigt er dafür, was die oft beklagte Verdrängung traditioneller Fankultur konkret bedeutet. Denn in diesem Punkt ist die Geschichte der TSG symptomatisch für in anderen Vereinen schleichender stattfindende Prozesse. Darin, dies anschaulich zu machen, liegt auch die große Stärke des kommentarlosen Films, der besonders im Musikeinsatz nicht unbedingt Erstliganiveau erreicht. Viel Hoffnung auf Versöhnung gibt es nicht: Am Ende sitzt Torro einsam vor dem Stadion, während drinnen die Menge jubelt.
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