Kritik zu Das rote Zimmer
Ein einsamer Kussforscher verliebt sich beim Küssen. Rudolf Thomes neuester Film handelt einmal mehr von einem Mann, der von kapriziösen Frauen in undurchsichtige, aber letztlich durchaus lustvolle erotische Fangnetze gezogen wird
Nichts wäre missverständlicher, als den neuen Film des mittlerweile 71-jährigen Regisseurs Rudolf Thome als Alterswerk zu bezeichnen. Denn auf den ersten Blick erkennt man, dass Thome in seinem 26. Kinospielfilm einmal mehr das Kunststück gelungen ist, sich den diskreten Charme des Anfängers zu bewahren. Tatsächlich zeigt kaum ein Hochschulabschlussfilm, der heutzutage den Weg in die Kinos findet, eine vergleichbare Unbekümmertheit, was Erzähl- und Dialogkonventionen angeht, ohne gleich zu Experimentalkinoformen zu greifen. Auch in puncto Mut zur Peinlichkeit oder zur Entblößung eigener Lieblingsfantasien kann kein Jungregisseur der Gegenwart es mit dem erklärten Filmliebhaber und ehemaligen Filmkritiker aufnehmen. Gerade mit der Entblößung kommen nicht alle Zuschauer gleichermaßen zurecht. Die Uneingeweihten mögen ungläubig den Kopf schütteln ob des sorglosen Bekenntnisses zu gewissen Obsessionen. Kenner und Verehrer aber schätzen oft gerade Szenen wie diese: Ein einsamer Mann sitzt am Ufer eines Flusses in der Abenddämmerung vor einem Feuerchen. Da kommt eine Frau – die Credits weisen sie als »Venus« (Isabel Hindersin) aus – herangeschwommen, tritt nackt aus dem Wasser, bindet sich ein bereitliegendes Handtuch um und setzt sich neben den Mann. »Ich habe Lust auf Sex«, sagt sie. Und dann, einen Schnitt später: »Es war schön mit dir.«
Bei dem einsamen Mann handelt es sich um Fred (Peter Knaack), seines Zeichens »Kussforscher« an einem Berliner Institut. Die allererste Filmszene zeigt ihn bei den Vorbereitungen zu einem romantischen Abendessen mit Kerzenlicht. Als es klingelt, steht aber nicht die von ihm erwartete – und offenbar bestellte – Jaqueline vor der Tür, sondern eine ihm unbekannte Frau im Trenchcoat, die, auf den Ausdruck seiner Enttäuschung hin, schnell den Mantel öffnet, darunter ihren nackten Körper präsentiert und argumentiert, sie sei keinesfalls weniger schön als Jaqueline. Fred hat ein Einsehen. Wie überhaupt Fred in der langen Tradition der Thome-Männerfiguren steht, die das starke Geschlecht als verletzlich, verwirrt und von Frauenintrigen umschwirrt zeigen. Zwar lässt sich seine eigene Frau (Annika Kuhl) auf recht rüde Weise von ihm scheiden und weist ihn am Telefon mit der Bitte ab, er solle sich nie wieder bei ihr melden. Doch kurz darauf begegnet er Luzie (Katharina Lorenz), die ihn zu sich und ihrer Freundin Sibil (Seyneb Saleh) aufs Land einlädt. Dort angekommen, führen die beiden Frauen ihn bald in ihr »rotes Zimmer«. Dort wird zunächst »Tagesschau« geguckt, bevor sie ihn darin einweihen, dass auch sie an Kussforschung interessiert sind, allerdings auf etwas andere Weise als er. Wo er Serotoninpegel misst, geht es den Frauen um Gefühle und das »Mysterium Mann«. Eher wenig mysteriös ist allerdings die Dreiecksgeschichte, die sich daraufhin entwickelt.
Das alles klingt peinlicher, ungelenker und lüsterner, als es auf der Leinwand tatsächlich ist. Was eben mit Thomes Begabung für jugendlichen Leichtsinn zu tun hat. In Gastauftritten sind unter anderem Milan Peschel, Hanns Zischler und epd-Film-Autor Karlheinz Oplustil zu sehen.
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