Kritik zu Fasten auf Italienisch
Auch wenn der platte deutsche Verleihtitel den Appetit verderben kann: Olivier Baroux' Film lässt gut abgeschmeckt Schein und Sein, Integration und Identität, Ramadan und Tiramisu kollidieren
»Italiener sein, verflucht! / Ich habe es oft und oft versucht / – es geht nicht«, heißt es in Robert Gernhardts Gedicht »Weheklag«. Mourad Ben Saoud hat damit keine Probleme: Als perfekter Italiener mit dem perfekten Namen Dino Fabrizzi lebt er in Nizza, in perfekter Maskerade, vom eleganten Schuhwerk bis zum Goldkettchen mit Kruzifix. Er ist unschlagbar als Maserati-Verkäufer, räsoniert gegenüber den Franzosen über die Kunst der Pasta und nennt seine Geliebte Hélène leidenschaftlich »Ragazza« – kurzum, italienische Lebensart strahlt ihm aus allen Poren. Nur wenn er seine Familie in Marseille besucht, verwandelt er sich zurück in den Sohn algerischer Einwanderer. Seine Eltern lässt er in dem Glauben, er lebe und arbeite in Rom. Seit Jahren funktioniert dieses Doppelspiel, doch dann das: Sein Vater erleidet einen Herzinfarkt und bittet Mourad, an seiner Stelle den Ramadan zu begehen. Und das heißt für den »Italiener«: fasten und beten nach strengem Plan, und obendrein Abstand halten von der »Unzucht« im unehelichen Verhältnis.
Nach bewährtem Komödienmuster werden nun genüsslich die Folgen präsentiert: Der Lügner verstrickt sich gegenüber Kollegen und Freundin in immer weitere Lügen und stolpert von einer Kalamität in die nächste. Zum Beispiel, als er von Hélènes Eltern eingeladen wird und das Tiramisù kosten soll, auf das ihre Mutter so stolz ist. Mit welch virtuosen verbalen und gestischen Verrenkungen Dino versucht, dem strikten Fastengebot treu zu bleiben, ist eine der witzigsten Szenen des Films. Prekärer für Mourad ist allerdings, dass er auch seinem Chef gegenüber verhaltensauffällig wird, wo der ihn doch gerade zu seinem Nachfolger aufbauen will. Und was soll Hélène nur von der plötzlichen Sexpanik ihres sonst so feurigen Liebhabers halten? Mit gutem Gespür für Rhythmus und Musik schickt der Film seine Hauptfigur durch eine Hölle der Peinlichkeit. Was ihn Gott näher bringen sollte, bringt Mourad zunächst mal aus der Fassung, aber letztlich und vor allem natürlich näher zu sich selbst.
Die Komik des Films lebt durchaus von leisen Tönen. Und wie auch die Tragik des Protagonisten speist sie sich aus der doppelten Codierung seines Fremdseins: Während Mourad als Araber in Frankreich ein Karriereproblem hätte, hat seine vermeintlich italienische Herkunft dort sogar Vorteile für ihn, in seiner falschen Identität ist er sozusagen ein Premium-Migrant. Seinen echten Wurzeln wiederum ist er entfremdet. Um die »Spielregeln« für den Ramadan zu lernen, kauft er sich deshalb erst mal das Buch »Islam für Dummies« und holt sich Rat bei einem Imam.
In der Hauptrolle dieses sich desintegrierenden Integrierten überzeugt Kad Merad, der selbst algerische Wurzeln hat. Er und sein Regisseur Olivier Baroux sind in Frankreich schon lange als Comedian-Duo »Kad et Olivier« berühmt, seit dem Komödienerfolg »Willkommen bei den Sch'tis« dürfte Kad Merad auch hier ein Begriff sein. Den falschen Italiener spielt er mit schöner Balance zwischen Clownerie und Understatement, doch so geschmiert das Komödienuhrwerk läuft und so heiter und frech der Film die Themen Integration und Identität dekliniert, so ernst nimmt er die Motive seines Protagonisten.
Dass »Fasten auf Italienisch« im Hinterfragen von Klischees selbst nicht ganz ohne diese auskommt, ist dabei verzeihlich. Erfreulich ist, dass er auch das Unbehagen in der (fremden) Kultur andeutet, die Ausgrenzung und Heuchelei gegenüber den maghrebinischen Einwanderern. Man spürt, dass den Machern des Films das Thema am Herzen liegt. So ist Mourads Weg vom falschen zum richtigen Leben nicht durchweg Komödie. Angesichts eines rassistischen Barmanns etwa bricht er einmal in ungeahnte, vehemente Wut aus. Etwas bemüht – wenn auch ehrenwert – wirken dagegen der kurze Seitenblick des Plots in den Abgrund der Abschiebepraxis sowie der Auftritt eines islamischen Fundamentalisten, der sich im Kontrast zum Imam natürlich angemessen humorlos geriert.
Wesentlich Neues zu Migration und Integration hat diese Komödie aus unserem Nachbarland vielleicht nicht zu sagen – angesichts der grassierenden Konfusion und Dumpfheit der einschlägigen Debatten ist sie jedenfalls ein wohltuendes Remedium, so warmherzig wie intelligent.
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