Kritik zu The Dead Don't Hurt

© Alamode Film

2023
Original-Titel: 
The Dead Don't Hurt
Filmstart in Deutschland: 
08.08.2024
L: 
129 Min
FSK: 
12

Auf sein Regiedebüt, das intime Vater-Sohn-Drama »Falling«, lässt Viggo Mortensen nun einen Western folgen, in dessen Zentrum Vicky Krieps als stolze Pionierin steht. Mortensen hat seinen Film als aufgeklärter Bewunderer gedreht, des Genres wie seiner Protagonistin. Gewidmet ist er seiner Mutter

Bewertung: 4
Leserbewertung
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1 (Stimmen: 2)

Die Regisseure, die sich heute an diesem Genre versuchen, könnte man durchaus in zwei Lager unterteilen: jene, die den Western lieben, und jene, die den Westen lieben. In den Filmen der Ersten wird meist im Galopp geritten, die Zweiten ziehen den geruhsameren Trab vor, der Pferd und Reiter schont.

In Viggo Mortensens neuem Western galoppieren die Pferde nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt. Er kostet lieber die beschaulichen Freuden des Genres aus. Geduldig schaut er zu, wie Reiter sich ihren Weg durch einsame, raue Landschaften bahnen. Sein Blick ist empfänglich für deren lyrische Vielgestalt und Schroffheit. Zugleich beweist er Traditionsbewusstsein, denn so genügsam und erhaben beginnen auch viele Klassiker des Genres: mit dem unaufwändigen Schauspiel der Ankunft eines Helden, der in der Wildnis zu Hause ist und sich alsbald seiner Bestimmung stellen muss.

Mortensen ist als Darsteller wie geschaffen für diesen Rollentyp, sei es in waschechten (»Appaloosa«) oder transformierten (»The Road«) Western. Als Regisseur gehört er beiden Fraktionen an. Er liebt das Genre und dessen Ort, aber in einem ganz eigenen Zeitmaß. Er weiß, dass es für den Western kein Zurück mehr gibt zur Unbefangenheit.

Somit beginnt »The Dead Don't Hurt« mit lauter Gesten der Demontage, im jähen Wechsel der Zeitebenen, in einer rissigen Montage von Gegenwart, Vergangenheit und Danach, die heillose Verwirrung stiftet. Die ersten Momente gehören gar der Sphäre des Traumes an und führen seine Heldin vom Totenbett stracks in die Vorstellungswelt ihrer Kindheit. Mortensen zerlegt das Genre in seine Elemente – die Freiheitssuche in der Weite der Natur und das Faustrecht der Zivilisation, die Verheißung einer neuen Heimat und den gewaltsamen Tod –, um sie fortan neu zu überprüfen. Das eigentliche Abenteuer, von dem er erzählt, ist eine Liebesgeschichte, für die der Westen nicht allein die Kulisse bildet, sondern die historischen Bedingungen schafft.

Es ist zugleich eine Einwanderergeschichte, in der verblüffend viele Sprachen und Akzente zu hören sind. Anfang der 1860er Jahre treffen in San Francisco die Frankokanadierin Vivienne (Vicky Krieps) und der Däne Olsen (Mortensen) aufeinander. Sie mustern sich erwartungsvoll. Aber mit der Liebe auf den ersten Blick ist noch nichts gewonnen. Es gilt, die Eigenständigkeit des Gegenübers zu respektieren. Sie ergreift gern die Initiative, weiß ihre Wünsche und Abneigungen unverblümt zu formulieren – seine kleine Farm im Niemandsland von Nevada ist in ihren Augen einfach nur schäbig –, und er findet bald die richtigen Antworten darauf. Ein prächtiges Tauziehen also. Die Idylle, die allmählich entsteht, trägt ihre gemeinsame Handschrift. Als der Bürgerkrieg ausbricht, entschließt er sich, die Union zu verteidigen. Zuvor hat er in der dänischen Armee gedient und will nun erfahren, wie der Krieg in der neuen Heimat ist. Die Enttäuschung zerreißt sie, aber sie wird sich ihren eigenen Lebensunterhalt erstreiten. Wofür Menschen kämpfen, ist auch für sie seit der Kindheit eine existenzielle Frage.

Olsen verschwindet nun für lange Zeit aus dem Film. Er ist nicht da, um Vivienne zu beschützen, als ihr entsetzliches Leid widerfährt. Der Junge, den er bei seiner Rückkehr vorfindet, ist nicht sein Sohn und wurde gegen den Willen seiner Frau gezeugt. Bevor dafür Vergeltung geübt wird, wächst eine neue Familie zusammen. Mortensens Figuren muten modern an. Aber sie fallen nicht aus ihrer Zeit, sondern sind deren Härten ausgesetzt, sind aufgeklärte Sinnsucher, die sich ihren eigenen Reim auf die Welt machen, sich irren können und Fehler begehen. Er zeichnet sie gewitzt und ohne Gefallsucht: Sie müssen weder den Geschmack traditioneller Westernfans treffen noch heutigen Moden genügen. Dabei schürft Mortensen tief in den mythischen Wurzeln des Genres: der Figur des Ritters, in dessen Nachfolge seine aufrechten Helden stehen. Aber er hat auch begriffen, dass seine Heldin nie auf Rettung hoffte, sondern in Jeanne d'Arc ihr eigenes Leitbild fand. Olsen und sein Sohn treten ein stolzes Erbe an.

Meinung zum Thema

Kommentare

Der Film ist einfach langweilig. Langweilig scheint mir bei manchem Kritiker das neue Gut.

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