Nahaufnahme von Viggo Mortensen

Viggo Mortensen in »Captain Fantastic« (2016)

Viggo Mortensen in »Captain Fantastic« (2016)

Obwohl er schon seit 30 Jahren im Geschäft ist, macht sich der Schauspieler Viggo Mortensen mitunter rar. Jetzt überzeugt er in der sympathischen Komödie »Captain Fantastic«

Ein bisschen Askese und Aussteigerflair waren von Anfang an dabei, in der Karriere des dänisch-amerikanischen Schauspielers Viggo Mortensen. Schon in der allerersten Kinorolle als Amish-Farmer in Peter Weirs »Der einzige Zeuge« wurde der unbestechliche Eigensinn etabliert, der viele seiner Rollen über die Jahre definiert hat: etwa wenn er sich den Ritualen der Russenmafia unterzieht in »Tödliche Versprechen – Eastern Promises«, mit einem Kind durch eine unwirtliche post­apokalyptische Welt zieht in »The Road« oder jetzt als »Captain Fantastic« eine Kinderschar fern der konsum­orientierten Zivilisation in den Wäldern großzieht. Mit hagerer Gestalt, aufrechtem Gang und klaren blauen Augen trägt er die Aura der klassischen Western-Loner ins moderne Kino. Typen, die das Gewicht ihrer Vergangenheit mit sich herumschleppen, ohne davon zu reden. Die sich in Schweigen hüllen und stattdessen ihre Taten sprechen lassen, so wie in »Den Menschen so fern«, wo die Ehrbegriffe des Westerns auf Camus' Existenzialismus stoßen. Da lebt er zurückgezogen auf einem abgelegenen Hochplateau im Atlasgebirge und will sich nach traumatischen Erfahrungen im Algerienkrieg aus allem raushalten. Und doch spürt man sofort, dass dieser Mann mehr ist als nur ein einfacher Dorfschullehrer für die Kinder, die morgens aus dem Nichts der staubig kargen Landschaft zu ihm strömen. Als französische Soldaten ihm einen Rebellen übergeben, den er in der nächstgelegenen Stadt der französischen Justiz zur Hinrichtung übergeben soll, ist es mit dem Raushalten vorbei. Auch das passiert häufiger in Mortensens Rollen, dass ihr moralischer Kompass sie aus der Deckung herausholt: In »A History of Violence« etwa tarnt er seine Gangster-Vergangenheit hinter einer bürgerlichen Kleinstadtfassade mit Frau und Kindern. Als er jedoch Zeuge eines Angriffs wird, fährt er förmlich aus der Haut und verrät sich mit blitzschnellen Reflexen und kaltblütiger Gewalttätigkeit. Eine einzige Rolle scheint diesem Schauspieler nicht zu genügen, immer wieder balancieren seine Figuren zwischen verschiedenen Lebensformen und Identitäten, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. 

»Den Menschen so fern« (2014). © Arsenal

Die Integrität, die seine Figuren auszeichnet, leitet Viggo Mortensen auch in der Wirklichkeit. Als 2001 mit dem Aragorn in der »Herr der Ringe«-Trilogie der ganz große Ruhm kam, ließ er sich davon nicht korrumpieren und steuerte mit sperrigen Rollen in kleineren Independent-Produktionen dagegen. Wenn die richtigen Projekte fehlen, macht er sich lieber rar und unterstützt stattdessen Filme, die oft erst durch seine Mitarbeit ermöglicht werden. Zum Beispiel »Good«, in dem er einen liberalen Literaturwissenschaftler spielt, der sich schleichend von den Nazis vereinnahmen lässt. Statt die bekannten Gewissheiten von der Bösartigkeit des Nationalsozialismus durchzuexerzieren, zeigt Regisseur Vicente Amorim, wie viele kleine faule Kompromisse, die im Einzelnen nachvollziehbar sind, in der Gesamtheit ins Unheil führen, bis der liberale Feingeist vor dem Spiegel erschrocken ins Gesicht eines Nazis blickt. Auch in Hossein Aminis »Die zwei Gesichter des Januars« kann Mortensen diese Vorliebe für subversives Doppelspiel zelebrieren. In der staubigen Hitze Griechenlands wird er als klassischer Highsmith-Held von einem Zufallsmord aus der Bahn geworfen, was dazu führt, dass seine lässige Erscheinung – in weißem Anzug, mit Hut – systematisch zerlegt wird.

»Die zwei Gesichter des Januars« (2014). © Studiocanal

Mortensen, der auch als Maler, Fotograf, Musiker und Schriftsteller kreativ arbeitet, baut seine Rollen wie lebende Skulpturen aus vielen Rechercheschichten auf. So hat er für »Eastern Promises« die Tattoo-Motive der russischen Mafia genauestens studiert, um glaubwürdig auch mit seiner Haut erzählen zu können. Auch sonst arbeitet er mit vollem Körpereinsatz, wie im existenziellen Überlebenskampf in der Sauna, den er im Dienst der Glaubwürdigkeit selbstverständlich hüllenlos absolviert. Andererseits braucht er keine äußerlichen Ähnlichkeiten, um Größen wie Sigmund Freud in »Eine dunkle Begierde« oder William S. Burroughs in Walter Salles Jack-Kerouac-Verfilmung »Unterwegs« glaubhaft zu machen. Eine besonders intensive Zusammenarbeit verbindet ihn mit David Cronenberg: »Die Art, wie Viggo als wahrer Kollaborateur arbeitet, ist einfach fantastisch«, schwärmt der Regisseur: »Schon bei der Recherche geht er so tief, dass er mir ungeheuer viel Arbeit abnimmt. Er ist sehr loyal, entscheidet er sich für einen Film, dann tut er absolut alles dafür, beim Drehen und auch später bei der Pressetour.« Dabei wirkt kaum ein Star so in sich ruhend cool wie Viggo Mortensen, den man beim Festival in Toronto auch mal dabei beobachten kann, wie er zwischen zwei Interviews seine Thermoskanne mit selbst gebrautem Kräutertee auf dem Klavier abstellt, um eine leise Melodie anzustimmen. 

Meinung zum Thema

Kommentare

Dickes Banner auf der Website - und dann nur ein Vorspann plus Autorenzeile mit Bild? Leute, so gewinnt man keinen Internetblumentopf...

Entschuldigung und Danke für den Hinweis. Dadurch haben wir es erst bemerkt – weiß der Teufel was da passiert ist. Ich hoffe der Artikel stellt Sie jetzt zufrieden. Sonnigen Gruß aus Frankfurt, Ihre epd Film-Redaktion

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