01/2022

In diesem Heft

Tipp

Subtil geht anders: Adam McKays Satire »Don't Look Up« will unseren Umgang mit einer angesagten Katastrophe, in diesem Fall ein einschlagender Komet, aufs Korn nehmen.
Joel Coens Shakespeare-Adaption »The Tragedy of Macbeth« mit Denzel Washington und Frances McDormand als mordlustigem Ehepaar konzentriert sich ganz auf das Wesentliche: das gesprochene Wort.
In Staffel 3 von »Succession« streiten sich die nutzlosen Nachkommen des Murdoch-ähnlichen Medienmoguls Logan Roy noch heilloser ums Firmenerbe.
»And Just Like That...« will das »Sex and the City« für die Frau Mitte 50 sein. New York ist glamourös, die Outfits auch.
Maggie Gyllenhaal adaptiert in ihrem Regiedebüt den Elena-Ferrante-Roman »Frau im Dunkeln«. Olivia Colman spielt die geschiedene Professorin, die sich im Urlaub mit ihren Fehlschlägen als Mutter konfrontiert sieht.
In der zweiten Staffel von »The Great« erfindet Elle Fannings Catherine ganz nebenbei den Molotowcocktail.
Fesselnd und komplex: Im sechsteiligen britisch-französischen U-Boot-Thriller »Vigil« verbindet sich eine gelungene Spannungsdramaturgie mit politischen Themen.
Ich weiß, was du vor 25 Jahren getan hast: Zwischen Teenie-Survival-Horror und erwachsenem Charakterdrama werden in der Krimiserie »Yellowjackets« Frauen porträtiert, die in den Abgrund geblickt haben.
In »Costa Concordia – Chronik einer Katastrophe« rekonstruieren die Filmemacher das Geschehen von vor zehn Jahren anhand von Zeugen- und Expertenaussagen und leider auch mit dem obligatorischen Reenactment.
Ums Skifahren geht es nur am Rande: Mit »Kitz« versucht sich Netflix an einer deutschen Variante von »Gossip Girl«.
Mit dem Berliner Friedrichstadt-Palast hat das ZDF für »Der Palast« einen attraktiven Schauplatz mit spannender Geschichte entdeckt.
[neuer Starttermin: 10.3.] Wieder sind es die Mütter, die bei Pedro Almodóvar im Mittelpunkt stehen. »Parallele Mütter« erzählt von zwei Frauen aus unterschiedlichen Generationen.
Am 12.1. spricht Peter Meister im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums mit epd-Film-Autor Ulrich Sonnenschein über seinen Film »Das schwarze Quardrat«.
Die Erfindung der Sitcom aus dem Geist von »I Love Lucy«: Aaron Sorkin zeigt in »Being the Ricardos« fünf Tage im Leben der Lucille Ball.
Rotterdam, 26.1.–6.2. – Das wichtigste Filmfestival der Niederlande bietet erneut ein spannendes Programm, u. a. mit den Spielfilmdebüts von Alberto De Michele und David Easteal. Auch Filme von Tan Chui Mui und Apichatpong Weerasethakul feiern Weltpremiere.
Clermont-Ferrand, 28.1.–5.2. – Das internationale Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand ist nach Cannes das zweitgrößte Filmfestival in Frankreich und eines der wichtigsten Kurzfilmfestivals der Welt. Verliehen wird unter anderem der Grand Prix für den besten Film.
Bamberg, 24.–30.1. – Die 32. Bamberger Kurzfilmtage kehren nach einer Onlineedition im letzten Jahr in die Kinos zurück. Im Zentrum steht die Verleihung des »Bamberger Zentaur« in den verschiedenen Wettbewerben. Als Gastfestival ist u.a. das Festival von Tampere aus Finnland eingeladen.
Solothurn, 19.–26.1. – Das Festival in der Schweiz widmet sich seit 1996 dem Filmschaffen des Landes. Die 57. Ausgabe ist besonders von französischsprachigen Produktionen geprägt. Zum stark vertretenen Dokumentarfilm gehört auch der Eröffnungsfilm »Loving Highsmith« von Eva Vitija über die Schriftstellerin Patricia Highsmith.
Saarbrücken, 16.–23.1. – Das 43. Filmfestival für deutschsprachigen Nachwuchsfilm findet dieses Jahr als deutlich verlängerte Hybridveranstaltung statt, mit Präsenzveranstaltungen und einem ergänzenden Onlineangebot.
Stuttgart, 7.–16.1. – Im Mittelpunkt der 35. Ausgabe des Festivals für künstlerischen Film und Medien stehen die Wettbewerbe Kurzfilm, Medien im Raum und Network Culture. Hinzu kommen der Landesmusikvideopreis und ein abwechslungsreiches Kinder- und Jugendprogramm.
Woher kommt es? Die Doku »Memory: Über die Entstehung von Alien« beleuchtet detailliert die Entstehungsgeschichte dieses Meilensteins der Science Fiction.
So viele interessante Filmbücher – so wenig Platz. Zur Jahreswende eine kleine Inventur – übersehene Titel im Schnelldurchlauf.
In Nora Fingscheidts Netflix-Debüt »The Unforgivable« spielt Sandra Bullock eine haftentlassene Mörderin, die nicht zur Ruhe kommt.
Eindringlinge: »Boom« (1968) und »The Servant« (1963) von Joseph Losey erstmals auf Blu-ray.
Mörder ohne Ich: Mary Harrons »American Psycho« in luxuriöser 4K Special Edition.
Gemeinsam möchten die öffentlich-rechtlichen Anstalten ZDF, France Télévisions und Rai Serien auf hohem Level herstellen. Auf den mediokren Agententhriller »Mirage« folgt »In 80 Tagen um die Welt«.
Mörderische Beziehung: »The Trip – Ein mörderisches Wochenende« mit Noomi Rapace in der Hauptrolle.
Anzughosen und Pailettenkleider, Federboas und Pelze: die Vita von Marlene Dietrich, aufgerollt anhand ihrer Mode, onscreen und offscreen.
Ziemlich viel »Magick«: Liam Gavins Thriller »A Dark Song«.
Woher kommen die Waffen? Das Mediabook zu »Lord of War« mit Nicolas Cage
Der »Taxi-Driver« der 90er: Paul Schraders »Light Sleeper« erstmals in HD.
Computerspiel-Verfilmungen haben einen schlechten Ruf. Warum nochmal? »Arcane« funktioniert erzählerisch und visuell – obwohl die Serie auf einem ursprünglich »plotfreien« Online-Game beruht.
Erstmals auf DVD: Der DEFA-Spielfilm »Fallada – Letztes Kapitel« von Roland Gräf.
»The Harder They Fall«: ein Western, der den schwarzen Cowboys jenen Platz in der Filmgeschichte einräumt, den sie in der Realität tatsächlich hatten.

Thema

Wieso baut eigentlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk so viele Wort-Kultur-Sendungen ab? Schließlich lassen sich die Leute gern was aufs Ohr geben, wie der Podcast-Boom der letzten Jahre zeigt. Hier ein Streifzug durch die Szene der Cineasten-Podcasts: die Fluffigen, die Kritischen und die Historischen.
Peter Fonda und Dennis Hopper röhren zu »Born to Be Wild« durch die Prärie, Bruce Springsteen besingt die Straßen von Philadelphia, Shrek hört John Cale, und Tarantino plündert seine Plattensammlung. Über die Ursprünge und Entwicklung des Soundtracks.
Sie wurde bekannt als punkige Hackerin in den schwedischen Millennium-Krimis. Viel normaler sind die Figuren von Noomi Rapace danach auch nicht geworden. Ein Glück.
Sie ist Dänemarks bekannteste Schauspielerin und hat über dreißig Filme gedreht. Aber jetzt kann Trine Dyrholm endlich mal ein historisches Kostüm tragen.

Meldung

Hauke Wendler, 54, Dokumentarfilmer, TV-Journalist und Produzent, bekam den Grimme-Preis für Protokoll einer Abschiebung. Ende Januar startet im Kino sein neuer Film »Monobloc«

Filmkritik

Mika Kaurismäkis improvisiertes Kammerspiel über drei Männer, die während des Lockdowns in einer Bar zusammentreffen und über das Leben sinnieren, wird von der Chemie zwischen den Darstellern und der Klugheit der alltäglichen Dialoge getragen. Kein großer, aber ein angenehm leiser, nachdenklicher Film.
Biografisches Porträt, das sich mit dem Leben des tschechoslowakischen Heilers Jan Mikolášek (1889-1973) zwar einige Freiheiten herausnimmt, das die Essenz von dessen Wirken abseits und inmitten der Politik aber wohl gerade deswegen mühelos auf den Punkt bringt. Mikolášek in zwei Lebensaltern wird hervorragend dargestellt von Ivan Trojan und seinem Sohn Josef.
Der dritte Teil der Filme um die private und diskrete Geheimorganisation »The King's Man« führt an deren Anfänge zurück. Der aufrechte Lord Oxford (Ralph Fiennes) sieht sich einem weltumspannenden Netzwerk sinistrer Finsterlinge gegenüber, die die Nationen in den ersten Weltkrieg stürzen. Mit ein paar guten Ideen in Sachen Verschwörungstheorie.
Eine Geschichte der Rettung der Polaroid-Kamera und der Neuerfindung der verloren gegangenen fotochemischen Rezeptur für die Filme: Nichts ist unmöglich, beweist diese charmante Dokumentation, wenn man sich erst mal entschieden hat, gegen den digitalen Strom zu schwimmen.
In einer Gratwanderung zwischen dokumentarischer Wahrhaftigkeit und kluger Inszenierung ergründet die Schwedin Ninja Thyberg die Macht des männlichen Blicks in der Pornoindustrie von Los Angeles, mit einer atemraubend rohen Debüt-Performance von Sofia Kappel.
Der Lehrer Ugyen wird nach Lunana strafversetzt, an die entlegenste Schule Bhutans. Dort, nicht mehr abgelenkt von den Errungenschaften des digitalen Zeitalters, setzt bei dem jungen Mann ein Nachdenken ein. Doch für ein simples Zurück-zur-Natur-Happy-End ist der am Originalschauplatz mit Lai*innen gedrehte Film zu klug.
Die 24-jährige Christin (Saskia Rosendahl) versucht aus der bäuerlichen Einöde in Mecklenburg auszubrechen. Ein sperrig-spröder Anti-Heimatfilm mit präzisem Blick für zwischenmenschliche Spannungen und einer faszinierend widersprüchlichen Hauptfigur.
Drei Schwestern mit algerischen Wurzeln im heutigen Frankreich hinterfragen ihre Familiengeschichte, als die älteste von ihnen die Kindheitserinnerungen in einem Theaterstück verarbeitet. Yamina Benguigui gelingt es, von ihrer Herkunft ohne Kitsch, dafür mit angemessener Komplexität zu erzählen.
Mit hübschen Bildern und viel Kulisse verfilmt Udo Flohr die wahre Geschichte einer Bremer Serien-Giftmörderin Anfang des 19. Jahrhunderts. Konventionell erzählt und inszeniert braucht es dafür nicht die große Kinoleinwand.
Mit einer seltenen Mischung aus Sensibilität und Sarkasmus sowie einem exzellenten Ensemble implodiert hier der wohl situierte Status Quo einer Schweizer Familie, als deren polnische Pflegerin von ihrem Arbeitgeber schwanger wird.
Kleine Soziologie eines Massenprodukts: der Dokumentarfilm von Hauke Wendler reist auf den Spuren eines billigen Plastikstuhls rund um die Welt.
In sinnlicher Sommeratmosphäre erzählen die Zwillingsbrüder Damiano und Fabio D'Innocenzo römische Vorstadtgeschichten als Pandämonium unterdrückter Aggressionen und uneingestandener Sehnsüchte. Reizvolle Details und grotesker Humor verhindern nicht, dass seine alles überlagernde Abgeklärtheit und Bitterkeit den Film letztlich stumpf machen.
Pablo Larraín konzentriert sich in seinem Filmporträt über Prinzessin Diana auf die Weihnachtsfeiertage 1991 und wie sie zunehmend an der Kälte und Isolation innerhalb der Königsfamilie leidet. Durch die fabulierte, teils surreal überhöhte Perspektive entsteht so eine überzeugende Interpretation ihrer Verfassung.
Ende der dreißiger Jahre lernt ein Mann bei einem amerikanischen Wanderzirkus die Tricks, die ein Hellseher benötigt, um sein Publikum einzuwickeln. Als er sich jedoch in der Großstadt auf immer riskantere Geschäfte einlässt, droht seine Karriere in ein Fiasko zu münden. Neuverfilmung eines düsteren Nachkriegsromans, die den amerikanischen Aufstiegstraum seziert, in der Erzählweise allerdings etwas zu glatt bleibt.
So leicht und lässig, als wäre es ein Film von Richard Linklater, ist das neue Werk des Perfektionisten Paul Thomas Anderson eine Hommage an die eigene Jugendzeit im San Fernando Valley, in den frühen Siebzigerjahren, in denen die Politik immer schmutziger und die Filmwelt und die Liebe verheißungsvoll aufregend war.
Die soziale Spaltung Frankreich lässt den altgedienten Utopisten Robert Guédiguian nicht ruhen. Nicht einmal der familiäre Zusammenhalt kann der Entsolidarisierung mehr trotzen. Sein bewährtes Darstellerensemble (Ariane Acaride, Gérard Meylan, Jean-Pierre Daroussin, Anais Demoustier) verleiht den Figuren Würde und Ambivalenz. Ein leises Pendant zum Aufruhr, den die Gentrifizierung in Spielbergs »West Side Story« auslöst.
In diesem außergewöhnlichen Regiedebüt zwischen Folk Horror und absurder Komödie, angesiedelt in den Weiten Islands, wird in einem Schafstall ein merkwürdiges Mischwesen geboren – und vom jungen Bauernpaar wie ihr eigenes Kind aufgezogen. Doch die unheilige Familie bleibt nicht lange unter sich.
1402: Ein Unbekannter erhebt Anspruch auf den Thron der drei Reiche und droht die Kalmarer Union von Dänemark, Norwegen und Schweden zum Platzen zu bringen. Das Drama einer politischen Intrige, die Herzen zerreisst; dargeboten als brodelnder Ozean aufgewühlter Gefühle unter karger, kühl kontrollierter Oberfläche.
Impresario Buster Moon und seine Truppe hoffen diesmal auf einen Auftritt in der Showbusiness-Metropole. Doch mit einem einflussreichen Musikmogul geraten sie an einen schwierigen Partner. Die Fortsetzung des Animationserfolges »Sing« überzeugt durch ihr präzises komisches Timing, vor allem aber durch die Choreografie eines aufwändigen Science-Fiction-Musicals
Und wieder findet eine Trilogie rund um den Spinnenmann ihren Abschluss. Mit ordentlich Pomp und Getöse, wie sich das gehört. Mit witzigen Einfällen und gelungenen Überraschungen. Doch leider auch mit zu viel Pathos und Kitsch. Zeigt der Superhelden-Film in seiner Endlosschleife hier womöglich erste Ermüdungsbrüche?
Steven Spielbergs Version unternimmt keine Revision des Musicalklassikers und der Erstverfilmung von Jerome Robbins und Robert Wise, sondern ist eine glühende Hommage an das Genre. Tony Kushners Drehbuch modernisiert die Vorlage behutsam, aber effektiv. Die Besetzung ist ethnisch korrekt und zum Teil sensationell (namentlich Anita DeBose als Anita), das Drama und die Songs sind packend wie eh und je
Halbfiktionaler Film über das erste große Experiment individueller Freiheit im Rahmen von Kunst und Ekstase. Vor dem historischen Hintergrund erzählt der Film die Geschichte einer Selbstermächtigung. Eine junge Mutter steigt aus ihrem Leben aus, um auf dem Monte Verita Fotografin zu werden

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