Netflix: »The Harder They Fall«
Der Film beginnt mit einer ebenso stereotypen wie nachhaltigen Szene. Ein kleiner Junge muss miterleben, wie sein Vater, ein Mann Gottes, der mit seiner Frau und seinem Kind nichtsahnend am Abendbrottisch sitzt, von zwei Gangstern getötet wird. Das Motiv bleibt unklar, deutlich wird aber, dass es sich um eine hochemotionale Tat handelt. Denn nachdem beide Eltern tot sind, ritzt einer der beiden, Rufus Buck (Idris Elba), dem elfjährigen Jungen ein Kreuz in die Stirn. Der Anklang der berühmten Szene aus »Inglourious Basterds« ist sicher kein Zufall.
So gezeichnet, ist Nat Love (Jonathan Majors) nun vor allem von Rache getrieben. Ein Leben in der bürgerlichen Gemeinschaft bleibt ihm verwehrt, sein einziges Ziel ist es, die beiden Mörder zu töten und seine Eltern zu rächen. Es dauert zwanzig Jahre, bis er den einen findet und umbringt, der andere, Rufus Buck, befindet sich in der Sicherheit eines Staatsgefängnisses. Doch zu seinem und vor allem Nats Glück wird er von seiner ehemaligen Bande befreit und kann nun seinerseits Rache nehmen dafür, dass ihm die Beute aus einem Banküberfall von Nats Bande geraubt wurde. So verworren, so uneindeutig.
Was folgt, ist tatsächlich eine extrem verwickelte Geschichte der gegenseitigen Hinterhalte, Zwänge und Entführungen mit sehr vielen Toten. Dabei werden nicht nur Westernklischees aufs Korn genommen, sondern die einzelnen Tableaus ironisch gegeneinander ausgespielt. Die Bank zum Beispiel, die die ausschließlich schwarze Bande überfällt, befindet sich in White City, einer nur von Weißen bewohnten Stadt. Die Tücher vor den Gesichtern sind da mehr Zitat als wirkliches Mittel, unentdeckt zu bleiben.
In seinem ersten Film erzählt Singer-Songwriter Jeymes Samuel (aka The Bullitts) nicht nur von den lange vergessenen oder auch bösartig ignorierten schwarzen Protagonisten des Wilden Westens, er spielt mit Motiven der Revolverheld-Mythen ebenso wie mit Bildern des Blaxploitation-Kinos. Dabei ist vor allem die Musik ein wichtiger Faktor. Gemeinsam mit Jay-Z schuf Samuel einen Score, bei dem er vor allem Reggae- und Highlife-Klassiker verwendete, zum Beispiel Barrington Levys »Here I Come« oder Fela Kutis »Let's Start«. Samuel und Jay-Z hatten zusammen bereits die Musik für »Der große Gatsby« geschrieben. Der Titelsong »The Harder They Fall« durchzieht den Film wie ein Leitmotiv.
Interessant bei diesem schwarzen Western ist, dass er – im Gegensatz zu anderen des Genres – keine Aufarbeitung des damals offenen Rassismus leisten will. Die Trennung in Schwarz und Weiß geschieht hier völlig selbstverständlich. Das Heldenbild aber, das der traditionelle Western über Jahrzehnte vermittelt hat, wird so nachhaltig infrage gestellt. So bleibt »The Harder They Fall« ein wunderbar aufgepeitschter Western, mit flinken Fingern, selbstbewussten Saloon-Frauen und einem gewohnt herrschsüchtigen Sheriff. Die Hautfarbe spielt da gar keine Rolle mehr. Zumindest hier, in der utopischen Vision der Vergangenheit, ist jeder Rassismus überwunden.
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