Buch-Tipp: Gabriele Katz – Marlene Dietrich

Samt, Pelze, Federn, Leder, die unterschiedlichsten Materialien umschmeicheln das makellose Gesicht und den eleganten Körper von Marlene Dietrich. Nehmen wir Shanghai Lily in Josef von Sternbergs »Shanghai Express«: extremer Kontrast zwischen den schwarz schimmernden Stoffen, Federboas, Pelzkrägen und dem alabasterhellen Teint, dazu der Zigarettenrauch, der ihr Gesicht geheimnisvoll umweht, wenn sie am Fenster des Zugabteils steht. Niemand beherrschte das Spiel aus Anziehung und Distanz so perfekt wie sie, niemand spielte so souverän und so früh mit den Geschlechterrollen.

Mode als Ausdruck einer Lebensform: Marlene Dietrich etablierte Männerkleidung für Frauen, nicht nur als äußere Hülle, sondern verbunden mit der Forderung nach Gleichberechtigung. Dabei gelang ihr das Kunststück, in Frack, Hemd, Krawatte und Zylinder nicht maskulin, sondern ausgesprochen feminin zu wirken. Nie war sie ein »Kleiderständer«, nie ließ sie sich von anderen nur anziehen. Ihren unverwechselbaren Look entwickelte sie zusammen mit Josef von Sternberg, sieben Filme drehten die beiden zwischen 1930 und 1935, »Der blaue Engel«, »Morocco, X 27«, »Shanghai Express«, »Blonde Venus«, »Die große Zarin« und »Der Teufel ist eine Frau«. Danach übernahm sie das Ruder und wachte akribisch über alle Details der Kostüme, des Make-ups, des Lichts. Viel wurde über ihren zeitlosen Stil geschrieben, doch erst jetzt zieht Gabriele Katz, die schon Lebensgeschichten anderer starker Frauen – Käthe Kruse, Margarete Steiff, Eileen Gray, Josephine Baker, Coco Chanel – veröffentlicht hat, die Biografie von Marlene Dietrich anhand ihrer Kleider auf.

Auf den ersten rund fünfzig Seiten wirkt das vor allem fleißig zusammengetragen; wann die junge Marlene wo und was getragen hat, wird ohne interpretatorischen Mehrwert verwaltet, was aber auch damit zu tun hat, dass sich der Star erst formieren musste. Schmerzlich fehlen die entsprechenden Fotos, die ohnehin arg dünn gesät sind für ein Buch, das den Modeglamour beschwören will. Nachskizzierte Zeichnungen berühmter Outfits von heute sind ein schwacher Ersatz für Originalentwürfe legendärer Kostümbildner und Modeschöpfer wie Travis Banton oder Jean Louis, Christian Dior oder Coco Chanel. Doch in dem Moment, in dem Marlene als »Blauer Engel« mit Frack und Zylinder die Weltbühne des Kinos erobert, erweist sich die Autorin als kluge, vielschichtige Erzählerin, die historische Ereignisse, Film- und Modegeschichte anregend mit der Lebensgeschichte vernetzt, durchsetzt mit vielen Zitaten berühmter Zeitgenossen aus allen Kunstbereichen. Kleine Schlenker verfolgen den Werdegang der Hose in der Frauenmode, von Marle­nes Tabubrüchen im Paris der 30er über die Caprihose bis zu Deneuves Variation in den 60ern, oder die aufwendige Herstellung der fließend auf den Leib geschneiderten Pailletten-, Glitzerstein- und Perlengewebe für Dietrichs Showauftritte in Las Vegas.

Gabriele Katz: Marlene Dietrich: Die Kleider ihres Lebens. Langen-Müller, München 2021. 320 S., 24 €.

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