Kritik zu Monobloc
Hauke Wendler erforscht in seinem Dokumentarfilm Geschichte und Gebrauchswert eines unbeliebten Möbelstücks
Dieser weiße Gartenstuhl aus Polypropylen ist eigentlich eine praktische Sache: billig, regenresistent, stapelbar, man kann ihn locker herumtragen, dabei ist er, wie ein englischer Designer mal gesagt hat, stabil genug, »um eine Glühbirne einzuschrauben«. Als Monobloc-Fan will sich allerdings niemand outen, jedenfalls nicht bei uns. Der Dokumentarfilmer Hauke Wendler und sein Team haben deutsche Normalverbraucher in einen blauen Laster eingeladen, auf Monoblocs gesetzt und um ihr Urteil gebeten. Der Stuhl sei nicht haltbar, sagt ein junger Mann und liefert den Beweis – indem er ihn praktisch zerbröselt. Der Monobloc ist unbequem, unökologisch und hässlich, heißt es, man müsste ihn verbieten; jemand entrüstet sich über die »Abwesenheit von Kulturgut«. Woher kommt diese Leidenschaft im Zusammenhang mit einem banalen Plastikstuhl? Sind wir alle so konsumbewusst und geschmackssicher? Und wie sehen es die Leute, die den Monobloc mit einer geschätzten Milliarde verkaufter Exemplare zum erfolgreichsten Möbel der Welt gemacht haben?
Das sind so ungefähr die Fragen, mit denen sich der bedächtig, vielleicht ein bisschen zu didaktisch erzählte Film beschäftigt, und sie führen ihn um den Globus, von Italien bis Mexiko. Interessanterweise begann der Monobloc sein Leben in den frühen Siebzigern nicht ohne ästhetische Ambitionen. Henry Massonnet, sein Erfinder, nannte ihn Fauteuil 300, und im Vitra Design Museum erfährt der Zuschauer, dass er als Lifestyleprodukt gedacht war – Plastik war damals noch neu und chic. In Schwung kam die Sache mit einem italienischen Familienunternehmen, das den Monobloc adaptierte und die Produktion rationalisierte: Es braucht keine Minute, um das flüssige Kunststoffgranulat in Form zu bringen. Inzwischen ist der Stuhl ziemlich abgemagert – von über 3 auf 1,7 Kilo, sagt ein indischer Möbelmanager – und kostet nur noch ein paar Euro.
Wahrscheinlich hat der größte Teil der Menschheit das Leben in der Hocke oder im Schneidersitz auf dem Boden verbracht, und man könnte sich fragen, ob der Monobloc dazu beigetragen hat, der Welt das »abendländische« Sitzen – so mit Esstisch und vier Stühlen – aufzuzwingen. Aber wer will auch schon auf den Straßen einer überhitzten Megacity auf dem Boden hocken? »Monobloc« bricht eine Lanze für den »Volksstuhl« und findet Beispiele für kreativen, sinnvollen Gebrauch des Massenprodukts. Ein Projekt in Uganda, wo es überproportional viele Menschen mit Behinderung gibt, beschafft eigens entwickelte, billige und unkompliziert zu montierende Rollstühle – als Sitzfläche dient ein zurechtgesägter Monobloc. In Mexiko wiederum hat sich eine lebhafte Recycling-Szene entwickelt; Polypropylen besteht zwar aus Erdöl, kann aber restlos verflüssigt und neu bearbeitet werden. Mit »Konsum« hat das nichts mehr zu tun; es ist eine Form von making do, sich mit dem abfinden, was erreichbar ist.
Über die Ökobilanz des Stuhls hätte man gern Genaueres erfahren. Schließlich wird hier ein Material in die Welt gesetzt, das es vorher nicht gegeben hat und das die Umwelt auf unabsehbare Zeit belastet: Wirft man ihn ins Meer, zerfällt auch der Monobloc zu tödlichem Mikroplastik. Am Ende aber schaut man aus unserer »Manufactum«-Kultur heraus etwas versöhnlicher auf den Fauteuil der Schrebergärten, Imbissbuden und Strandbars. Da draußen, im Gelände, wäre etwa das Manufactum-Modell AAC 16 aus Stahlrohr und Polypropylen für 225 Euro gar nicht einsetzbar – viel zu dünne Beine.
Kommentare
Monobloc
Gute Kritik, aber die Autorin hat Meciko mit Bradilien verwechselt. Der monobloc wird in Ceara recycelt.
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