Kritik zu Monte Verità – Der Rausch der Freiheit

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Ein Experiment mit individueller Freiheit: Stefan Jäger erzählt von einer realen Lebensreformgemeinschaft aus Sicht einer fiktiven Fotografin

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Ungebundene Sexualität, Musik, psychologisches Denken und der Glaube an die Möglichkeit der Freiheit – das sind die Attribute, die man den Hippies zuschreibt. Man meint, diese Werte wären im Sommer 1968 geboren worden. Doch schon gut 60 Jahre zuvor gab es eine Gruppe von Lehrern, Ärzten, Künstlern und Lebemenschen, die sich in der Schweiz, unweit von Ascona, zusammenfanden, um sich selbst zu befreien. Unter der Leitung der Musiklehrerin Ida Hofmann (Julia Jentsch) und des Industriellensohns Henri Oedenkoven (Michael Finger) entstand eine Lebensreformgemeinschaft, der sich auch Künstler und Schriftsteller wie Hermann Hesse, Isadora Duncan oder Hans Arp anschlossen. Es gibt etliche Dokumente davon, auch Fotografien, die oft aber anonym hinterlassen wurden. Stefan Jäger erzählt in seinem Film nun von einer Fotografin, die diese Fotos gemacht haben könnte.

Hanna Leitner (Maresi Riegner) ist in ihrer großbürgerlichen Ehe mit einem Porträtfotografen unglücklich. Sie reagiert mit Schwächeanfällen und flieht mit ihrem Arzt, dem Freudschüler Otto Gross, auf den ­Monte Verità. Dort stürzt sie sich in ein Hobby, die Fotografie, das ihr besitzergreifender Mann ihr verboten hatte. Sie lernt schnell, Platten zu belichten und zu entwickeln, und dokumentiert das Leben auf dem Berg. Bald lebt sie sich dort ein, in Armut und ohne Korsett, in einer undogmatischen, hierarchiefreien Gemeinschaft. Den Versuchen ihres Mannes, sie zurückzuholen, widersteht sie standhaft. Obwohl das Schicksal es nicht nur gut mit ihr meint.

Stefan Jäger erzählt seinen Film mit einer großen historischen Genauigkeit. Immer wieder friert das Bild zu einer schwarz-weißen Postkartenaufnahme ein, immer wieder wird der Hintergrund der Gemeinschaft erläutert. Trotzdem hat sein Film eine große Gegenwärtigkeit. In einer Zeit, in der Frauen wie Männer sich scheinbar so verwirklichen können, wie es ihren Fähigkeiten entspricht, ist ein Ort der Freiheit immer noch ein Paradies. Die Zwänge, die uns einschränken, sehen zwar anders aus, vorhanden aber sind sie immer noch.

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