Kritik zu Zwei zu Eins

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Natja Brunckhorst entwirft in ihrem zweiten Spielfilm, zusammen mit einem grandiosen Ensemble, eine sommerlich leichte und zugleich nachdenkliche Vision vom Aufbruch in die Nachwendezeit

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 2)

Ein warmer, sonniger Sommer im Jahr 1990, ein paar Monate nach dem Fall der Mauer. Es ist eine Zeit großer Umwälzungen, die DDR wird zügig abgewickelt, die Währungsunion vollzogen, flirrende Hoffnungen kollidieren mit herben Enttäuschungen, die neue Freiheit mit Existenzangst unter den Familien, Freunden und Nachbarn in einem Wohnkomplex in Halberstadt.

Von der Kollision verschiedener Lebensentwürfe handelte schon »Alles in bester Ordnung«, das Spielfilmdebüt der Schauspielerin Natja Brunckhorst, und so wie dort geht es nun auch in »Zwei zu eins« auf charmante Weise nicht darum, einen Entwurf gegen den anderen auszuspielen, sondern spielerisch alles Mögliche auszuprobieren. So ähnlich wie Karoline Herfurth hat auch Natja Brunckhorst ein besonderes Gespür für wahrhaftige Schauspielmomente (was für ein Ensemble!) und für eine gewisse Leichtigkeit des filmischen Erzählens in Verbindung mit ein paar ernsteren Gedanken zu gesellschaftlichen Themen und Konstellationen. Damit fügt sich »Zwei zu eins« in eine ganze Reihe von Filmen, die in letzter Zeit mit einer gewissen Zärtlichkeit, aber dennoch (n)ostalgiefrei auf die untergegangene Welt der DDR und ihre Bewohner schauen, darunter die Ingo-Schulze-Verfilmung »Adam und Evelyn«, »In den Gängen« von Thomas Stuber und »Irgendwann werden wir uns alles erzählen« von Emily Atef.

Entzündet hat sich der Hybrid aus Sommerkomödie, Abenteuerfilm, Liebesgeschichte und Heist-Thriller an einer einfachen Feststellung in einem Buch von Peter Ensikat: »Das Papiergeld der DDR wurde in einem Stollen eingelagert.« Volker (Ronald Zehrfeld) ist gerade in die ehemalige Ostheimat zurückgekehrt, weil er im Westen nicht heimisch wurde – und aus Sehnsucht nach seiner Jugendliebe Maren, die Sandra Hüller nach den ernsten, internationalen Rollen in »The Zone of Interest« und »Anatomie eines Falls« mit sichtlichem Spaß an einer komödiantisch leichten Rolle spielt. 

Nun sitzt Volker da und beobachtet den Wandel mit den wachsamen Augen des Außenseiters: Wohin fahren denn die ganzen Laster, fragt er sich, und was haben sie geladen? Mit Hilfe von Markowski (Peter Kurth) ziehen die drei Jugendfreunde in ein Stollen-Abenteuer. So stehen sie bald vor Bergen von DDR-Geldscheinen, die achtlos abgekippt wurden, um zu verrotten, ein tolles Bild für plötzlich obsolet gewordene Werte. Reflexartig packen sie sich trotzdem die Taschen voll mit den Scheinen, feiern einen flüchtigen Reichtum zwischen gestern und morgen. Und dann lassen sich tatsächlich noch ein paar Schlupflöcher finden, mit allerlei Tricks tauschen sie wertloses Papier erst in Waren und dann in Westmark. Hin– und hergerissen zwischen Gier und Solidarität, Individuum und Gesellschaft spielen sie in Windeseile die verschiedensten Szenarien durch und raufen sich am Ende nach schöner Ostmanier doch noch zu der Utopie zusammen, die in der realsozialistischen DDR nie realisiert wurde. So gewährt die im Westen sozialisierte Natja Brunckhorst dem untergegangenen Land einen späten und spielerischen Triumph.

Meinung zum Thema

Kommentare

Es war ein tolles kinoerlebnis mit meinen Freunden gestern. Die Geschichte ist leicht und zugleich tiefgründig.. Der beste Film bisher aua der Zeit nach der DDR. Ich war dabei als Komparse und habe geweint und gelacht zugleich.

Für Menschen, die die Zeit einigermaßen bewußt erlebt haben, ist es rätselhaft, dass einige Dinge, die damals jeder wusste, den Protagonisten offenbar nicht bekannt sind. (z.B. dass die DDR ein Billiglohnland für den Westen war und dass man DDR-Firmen für wenig Geld von der Treuhand kaufen konnte).
Noch merkwürdiger, dass sie jedes Mal Säcke und Taschen mit ins Bergwerk nehmen und das Geld mühsam und hektisch hineinschaufeln, wo doch das meiste Geld deutlich sichtbar bereits in Säcken dortliegt und sie diese einfach nur hätten mitnehmen müssen.
Viele gute Ideen waren dabei, aber andere Details haben mir den Filmgenuss leider etwas verdorben.

Es gibt eine Dokumentation zu dem Thema. Fand ich als Wessi sehr interessant. Haben die wenigsten mitgekriegt

Die Dokumentation würde mich sehr interessieren. :-)

Toller Film – aber hätte er nicht ein besseres Ende verdient?

Der Film und vor allem seine wunderbar zur Story passenden Darsteller, allen voran Sandra Hüller als Maren und Peter Kurth als Markowski, bespielen eine Zeit, die man mit Fug und Recht als einmalig betrachten darf: Die letzten Monate eines Landes im Osten, welches die DDR schon nicht mehr war – und die BRD noch nicht. Alles scheint möglich im Sommer 1990, doch eben leider nur scheinbar.

Kurzerhand aber wird das angeblich sozialistische Staatsvermögen tatsächlich vergesellschaftet und dem westlichen Kapital mitsamt seinem Politmanagern ein Schnippchen geschlagen. Dem Ideenreichtum der “Volksgenossen” sind keine Grenzen gesetzt, neue Beziehungsformen werden ausprobiert, Jung und Alt arbeiten und leben vereint zusammen usw. usf.

Nur das Ende scheint mir schwach. Die Idee von der einsamen Insel, auf der Markowski den “Neuanfang” ausruft, aber “diesmal richtig”, finde ich noch ganz originell. Die Teddybärenproduktion im in Eigenregie übernommenen VEB dagegen kommt mir kitschig vor. Jeder ahnt ja fast automatisch – trotz allseits glücklicher Gesichter der Beteiligten – dass das letzlich kein “Happy End” werden wird, sondern nur der Beginn einer neuen Illusion – Insolvenz vorprogrammiert.

Warum lassen sich intelligente Filmemacher, wie es die von “Zwei zu Eins” zweifellos sind, nicht mehr einfallen? Z.B. eine Rückbesinnung auf den marxistischen Philosophen Ernst Bloch, etwa eine Neuinszenierung seiner Ideen von der “Konkreten Utopie”. Und in einem Handlungsverlauf, der solchen Gedanken nachspürte, würden dann bestimmt auch ein paar “Wessis” gerne mitmachen, denn bei weitem nicht nur “Ossies” stinkt die Totalvermarktung aller Werte und ihre immer schnellere Umwandlung in Höchstprofite. Bis heute.

Damit meine ich übrigens kein wie auch immer geartetes märchenhaftes Ausklingen, sondern eher ein Filmende, welches man gerne weiterdenken mag – auch wenn es nur angedeutet würde, etwa durch einen wie Markowski, der sich jenes zu Anfang der 1960er Jahre in der DDR plötzlich verfemten und in der Folge geflüchteten Ernst Bloch erinnerte. Motto: Prinzip Hoffnung – war da nicht mal was gewesen?!

Das Ensemble und die Idee waren toll, aber sowohl die Dramaturgische Umsetzung und konsequente Verfolgung der aufgebauten Erzählebenen, als auch die Ungenauigkeiten in den Grundlagen und Details der Aktionen und DDR Biografien, wie bereits von anderen Lesern bemängelt, nehmen einem als Zuschauer die Freude des Erlebens.
Und die Dreiecksgeschichte ist leider so konstruiert und auch am Ende nur behauptet- das schmällert leider Alles.
Wann schaffen es die Deutschen dass Dialoge nicht nur nach Drehbuch klingen?
Schade.
Aber viell. ein Anfang sich diesem Teil der Deutschen Geschichte mit einer grösseren Differenziertheit und Interesse zu widmen.

...Schon der Trailer machte mir klar, dass dieser Film geguckt werden MUSS. Als Kameramann bin ich im März 1989 zügigst nach Berlin-Ost gezogen und habe die Wende und all ihre krummen Geschäfte miterlebt. Die Nacht der Währungsunion, die gefallenen Schranken an der Grenze, die Wiedervereinigung. Alles Szenen die ich immer noch im Kopf habe. Wessies die sich schamlos am Ost-Untergang bereicherten. Die Abwicklung des Kaliwerks in Bischofferrode (ich war 8 Wochen am Stück dort und dabei), all das sind Situationen, für die man sich als Westler nur noch schämen kann.

Dieser Film zeigt das hässliche Gesicht des Westens und die spielerisch unvoreingenommene "Gegenseite". Wir waren im Kino ungefähr 12 Leute, und haben uns KÖNIGLICH amüsiert. Dass es einen wahren Hintergrund zu dieser Handlung gibt wusste ich bislang noch nicht, werde das aber im Web gründlich recherchieren :-)

DANKE für diesen Film!

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