Kritik zu A Great Place to Call Home

© Neue Visionen Filmverleih

Der Außerirdische, den sie lieben lernen: Marc Turtletaubs Film beginnt als eine Art »E.T.«-Satire über die soziale Isolation von älteren Menschen, ­entwickelt sich aber zur Komödie mit Tiefgang

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Milton ist ein Mann Ende 70, Witwer, Typ zerstreuter Professor mit altmodischer Brille und vernachlässigter Frisur, von seinem Sohn entfremdet und engagiert umsorgt von seiner Tochter. Er gießt zuverlässig die Blumen in seinem Garten, füllt das Haus mit Vogelfutter auf und liebt die Fernsehserie »CSI«. Beim basisdemokratischen Austausch zwischen Politik und Bürgern im Rat der Kleinstadt Boonton im US-Staat Pennsylvania tritt er regelmäßig ans Mikrofon und plädiert dafür, das Motto der Kommune – »A Great Place to Call Home« – zu ändern und am Verkehrsfluss zu arbeiten. Seine Einlassungen klingen wie der Refrain eines oft gespielten Liedes. Miltons Umgebung nimmt das mit nachsichtigem Lächeln hin; vielleicht ist er ja ein bisschen vergesslich.

Ben Kingsley verleiht dem alten Mann in Marc Turtletaubs »A Great Place to Call Home« (im Original kurz: »Jules«) eine manchmal skurril anmutende Beharrlichkeit und vor allem eine allen Widrigkeiten trotzende Würde. Manchmal jedoch verstummt er und scheint seinen Blick in eine unsichere Zukunft zu richten. Milton ahnt (oder weiß), dass eine beginnende Demenz seine Persönlichkeit allmählich zerstören wird. 

Turtletaub, der als Produzent für Erfolge wie »Little Miss Sunshine« verantwortlich war, und sein Drehbuchautor Gavin Steckler konfrontieren ihre Hauptfigur mit einem spektakulären Ereignis. Ein extraterrestrisches Raumschiff kracht in Miltons Garten, ruiniert die Vogeltränke – und zerstört die Azaleen, wie er später kritisch anmerkt. Wichtiger ist der Auftritt eines Außerirdischen (Jade Quon), eines geschlechtslos erscheinenden Lebewesens mit der konzentrierten Mimik eines buddhistischen Mönches und hypnotisierend seelenvollen Augen. Miltons Bemühungen, der Umwelt von seiner singulären Erfahrung zu berichten, stoßen auf verständliche Skepsis. Auf sich allein gestellt, nimmt er tastend Kontakt zu seinem Gast auf, der stumm Wasser und Äpfel akzeptiert. 

Zwei neugierige Nachbarinnen, Sandy (Harriet Sansom Harris) und Joyce (Jane Curtin), sowie das alarmierte National Security Center scheinen wie programmiert, die Handlung in Richtung »E.T.«-Farce zu lenken. Aber Christopher Norrs Kamera fängt keine Slapstick-Effekte ein, keine der mal hauchzarten, mal knackigen Pointen verkaufen die fabelhaften Darsteller unter Wert, sondern vermitteln sie nuanciert, leise, wie beiläufig. So entsteht eine Komödie mit Tiefgang: ein ebenso anrührendes wie amüsantes Drama über einsame alte Menschen. 

Jules, so nennen sie den Fremden, entwickelt sich im übertragenen wie im konkreten Sinn zum Lebensretter für Milton, Sandy und Joyce. Sie offenbaren sich ihm, vertrauen ihm Geheimnisse, Zweifel und Hoffnungen an. Der Film gewinnt so eine märchenhafte Magie und wirft Fragen auf. Ist Jules eine herbeifantasierte Projektionsfläche, symbolhafte Traumgestalt oder Gestalt gewordener Ausdruck von Miltons Demenz? Die Antwort überlässt der 87-minütige Film dem gebannten Publikum.

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