Kritik zu Away We Go – Auf nach Irgendwo
Nach »American Beauty« und »Zeiten des Aufruhrs« ist dies der dritte Film, den Sam Mendes zum Thema Ehe liefert. Hier geht es für ein junges Paar um die Frage: Welches Familienmodell soll es sein?
Als Europäer hat der Brite Sam Mendes einen ausgeprägten Sinn für die Schwierigkeiten des Lebens. Wenn er von der Liebe erzählt, dann steuert er nicht zielstrebig auf das Happy End im Hollywoodstil zu, sondern stellt sie stattdessen auf die Probe. Und während er selbst immer älter wird und inzwischen auch eine eigene Familie hat, werden seine Paare von Film zu Film stetig jünger, von dem gesetzten Paar in der Midlife Crisis in seinem Debütfilm »American Beauty« über die junge Familie in »Zeiten des Aufruhrs« bis zu dem jungen Paar vor der Familiengründung im neuen Film. Und jünger heißt, bei aller Nachdenklichkeit, auch verspielter und leichter, luftiger und lustiger. Dabei spürt man durchaus, dass »Away We Go« auch für den Regisseur ein befreiender Aufbruch ist aus dem klaustrophobischen Klima, das den Ehealltag in der Provinz von »Zeiten des Aufruhrs« bestimmte.
Burt und Verona gehören wie viele andere ihrer Generation zu den Spätentwicklern, die noch Mitte Dreißig einen ausgeprägt studentischen Hippie-Lebensstil pflegen. Der Schock des Erwachsenwerdens kommt unvermittelt, als sie in einer zauberhaft vertrackten Sexszene feststellen, dass sie ein Kind erwarten. Als ihnen die in der Nähe wohnenden Eltern eröffnen, dass sie just einen Monat vor der Geburt ihres Enkels für zwei Jahre nach Belgien gehen, bricht ihnen der letzte Halt weg. Solcherart düpiert begeben sie sich auf eine Erkundungs- und Erkenntnisreise quer durch Amerika, zu Geschwistern, Freunden und Arbeitskollegen. Sie suchen Anschluss und Unterstützung, doch auf dem Weg wird die Reise auch zu einem Bummel auf dem Markt der Lebensentwürfe.
So wie Bill Murray in Jim Jarmuschs »Broken Flowers« bei einem Reihenbesuch seiner verflossenen Liebschaften mit möglichen Versionen seines zurückliegenden Lebens konfrontiert wird, sehen Burt und Verona die abschreckenden Versionen ihrer Zukunft an sich vorüberziehen, und man ahnt, dass die miteinander verheirateten Autoren Dave Eggers und Vendela Vida in ihrem ersten Drehbuch aus dem Schatz der eigenen Gedanken und Erfahrungen schöpfen. Seismographisch nimmt der Film Entwicklungsströme der modernen Gesellschaft auf, in der die Generation der Eltern ganz spät noch den Sprung in ein neues Leben wagt, während die Jüngeren ratlos und verloren durchs Leben treiben.
In der nervös angespannten Wahrnehmung der werdenden Eltern übersteigern sich die verschiedenen Lebensmodelle zu einem wahren Horrorkabinett, in dem das Heil nur noch in der Abgrenzung zu finden ist: Versprich mir, dass du niemals so und so und so wirst, lautet am Ende das Ehegelöbnis, das sich die beiden geben, ohne vor den Traualtar zu treten. Trotz drastischer Übertreibungen und überzogener Zuspitzungen nähert sich der Film seinen Helden mit menschlicher Wärme und zärtlichem Charme. Dazu gehört auch, dass Mendes bewusst nicht auf überlebensgroße Stars gesetzt hat, sondern mit der »Saturday Night Live«-Komikerin Maya Rudolph (die verblüffende Ähnlichkeit mit der jungen Barbra Streisand hat) und dem »Office«-Mitglied John Krasinski ganz irdische Menschenwesen besetzt hat. Und der schmeichelnde Soundtrack des Singer-Songwriters Alexi Murdoch verbreitet ein wenig mehr Zuversicht, als es die Bilder vermögen.
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