Kritik zu Don't Come Knocking
Ein Mann sucht seine Familie im neuen Film von Wim Wenders
Eine wunderbar selbstironische Leichtigkeit, eigentümlich gemischt aus sanfter Melancholie und Farce-Überschwänglichkeit, durchweht Wenders' hypnotisch schöne Bilder von Anfang an: Wenn der abgehalfterte Cowboy-Darsteller Howard Spence (Sam Shepard, der auch mit Wenders das Drehbuch erarbeitet hat) den Set eines Hollywood-B-Western-Drehs hoch zu Ross verlässt. Howard will seinem bisherigen Lotterleben (leichte Mädchen, Alkohol, Glücksspiel) davongaloppieren, tauscht Pferd, Sporen und Cowboyhut gegen ein Penner-Outfit ein und besucht erst mal seine Mama (Eva Marie Saint), die ihm beiläufig eröffnet, dass er Vater eines vor über 20 Jahren irgendwo in Montana gezeugten Sohnes ist.
Während der Filmversicherungs-Agent Sutter (Tim Roth) ihn verfolgt und an den Set zurückzubringen will, macht sich Howard auf den Weg nach Butte, Montana – ein Bergwerkstädtchen, das seine glanzvollen Tage längst hinter sich hat –, trifft dort auch seine Ex-Geliebte, die hübsche, resolute Kellnerin Doreen (Jessica Lange), und Sohn Earl (Gabriel Mann), der sich als Sänger einer Countryrock-Band versucht, und wundert sich sehr, dass die beiden ihn keineswegs mit offenen Armen empfangen wollen.
Vor 20 Jahren arbeitete Wenders schon einmal mit Sam Shepard zusammen, für den Film, der ihm die Goldene Palme in Cannes und weltweiten Ruhm einbrachte: »Paris, Texas«. Kein Wunder, wenn einiges in »Don't Come Knocking« an »Paris, Texas« erinnert. Ähnlich erscheint die Storylinie von dem aus der Bahn geworfenen Mann, der sich zur Pilgerfahrt nach dem versäumten Leben als Familienvater aufmacht. Ähnlich sind die Soundtrack-Gitarrenklänge (diesmal nicht von Ry Cooder, sondern von T-Bone Burnett), ähnlich auch die piktoralen Reminiszenzen an Wenders' Lieblingsmaler Edward Hopper – und doch ist der Film in einen ganz anderen Aggregatzustand des Erzählens getaucht. Die Akkorde sind ähnlich, aber der Song ist ein anderer.
»Paris, Texas« war ein »Männerfilm«, mit einem reumütig zerknirschten, selbstverliebt über seinen Einsamkeits-Schmerz gebeugten Helden. Solche Männer-Helden hat Wenders nach 1984 ausdrücklich »in ein Altersheim am Stadtrand von Paris, Texas« in Rente geschickt. Howard bleibt eine völlig unsentimental gezeichnete, gänzlich untragische, in ihrer Fühl- und Hilflosigkeit nur mehr komisch erscheinende Männergestalt. In »Don't Come Knocking« bestimmen die Frauen und auch die Kinder das Geschehen: Da ist Howards Mutter, die ihren Sohn ohne großes Trara empfängt und resigniert-nachsichtig wie einen Lausbuben behandelt. Da ist vor allem die grandiose Jessica Lange als Doreen, die Howard in zwei fulminanten Szenen all das an Wut, Zorn, Spott und Verachtung entgegenschleudert, das sich in ihr über die Jahre angesammelt hat. Mit Abwehr und Spott reagiert auch Sohn Earl. Allein die mysteriöse Sky (Sarah Polley), Tochter Howards aus einer anderen Beziehung, die eine Urne mit der Asche ihrer Mutter in Armen hält, lässt so etwas wie Nachsicht oder Verzeihung gegenüber dem Vater, den sie niemals hatte, spüren.
In elegant rhythmisierten, offener Schaulust sich darbietenden Bildern erzählt Wenders die dramatischen und komischen Wendungen dieser »Familien-Farce«. Einmal sitzt Howard allein auf einem Sofa, das mitten auf der Straße steht. Die Kamera umkreist das Sofa in weiten, schnellen Bögen, und es sieht aus, als säße Howard in einem Kinderkarussell.
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