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Gerhard Midding

Nein, das Adagietto ist heute nicht dran. Es steht zwar auf dem Probenplan, worauf der eifrige Assistent beharrt, aber die Dirigentin hat sich umentschieden. Flugs geht es zum Trauermarsch zurück. Der ist stürmischer, wild bewegt, vehementer. Das Orchester soll am Maximum spielen und nicht nachlassen im Tempo.

Gerhard Midding

Morgen feiert Eva Marie Saint ihren 100. Geburtstag. Ich hoffe, dass sie ihren Ehrentag bei guter Gesundheit verbringt. Auf Fotos aus den letzten Jahren wirkt sie erfreulich kregel. Offenkundig hat sie sich jene Eleganz und Beherrschung bewahrt, die sie auf der Leinwand auszeichnen. Ihr Lächeln wirkt noch immer distinguiert. Darf man in ihm Überlebensstolz entdecken?

Gerhard Midding

Hollywoodstudios stellt man sich gemeinhin nicht als Bastionen der Basisdemokratie vor. Aber Ende der 80er Jahre veranstaltete 20th Century Fox eine Umfrage unter ihren Angestellten, welchen Stoff sie gern einmal auf der Leinwand sehen wollten. Ein Vorschlag erhielt die mit Abstand meisten Stimmen: ein „Frankenstein“ in der Regie von Roger Corman.

Gerhard Midding

Heute vor einhundert Jahren wurde Sidney Lumet in Philadelphia geboren. Beinahe hätte ich vergessen, dass er gar nicht aus New York stammte. Ein lässlicher Irrtum, denn er hat die besten New-York-Filme gedreht. Gegen ihn ist Scorsese ein Waisenknabe. Andererseits passte es, dass er in einer Stadt auf die Welt kam, die so entscheidend war für die Entstehung der Demokratie in Amerika.

Gerhard Midding

Unter den Gegenwartsregisseuren ist Stefano Sollima der große Apokalyptiker. Wer sollte ihm den Titel streitig machen? Etwa Lars von Trier mit „Melancholia“? Viel zu elegisch. Nein, so hohe kinetische Erwartungen an Niedergang und Weltende wie der Italiener hegt kein anderer.

Gerhard Midding

Vor einigen Jahren, als wir epd-Autoren unserer Jahresliste der fünf besten Filme noch eine kurze Erklärung beifügen sollten, schrieb ein Kollege zu »A Most Violent Year«: "Weil solche Filme früher Mainstream waren". Ich bin nicht sicher, ob ich diesen wundervollen Satz korrekt zitiere, aber der Gedanke ist mir im Gedächtnis geblieben.

Gerhard Midding

Heute vor einem Jahr starb Glenda Jackson. Die Todesnachricht kam damals zur Unzeit; zumindest für epd Film. In der Monatsmitte ist der Redaktionsschluss meist schon erreicht und das aktuelle Heft voll. Damit mochte ich es seither nicht bewenden lassen. Für eine Hommage an eine große Schauspielerin ist es nie zu spät.

Gerhard Midding

Die 1950er und 60er Jahre waren ein goldenes Zeitalter, was deutsche Verleihtitel angeht. Der Phantasie waren allenfalls Grenzen der Schicklichkeit gesetzt. Harmlose Zweideutigkeiten hatten Konjunktur, wofür „Meine Braut ist übersinnlich“ ein prächtiges Beispiel liefert. Es herrschte noch eine gewisse umgangssprachliche Unbefangenheit. Klingt "Mit mir nicht, meine Herren" nicht viel munterer als das originale "It happened to Jane"? Da merkt man doch sofort, welches Temperament Doris Day in der Hummerzuchtkomödie an den Tag legt!

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In ihrem Audiokommentar zu »The Longest Day« verhandelt Mary Corey den Film ziemlich umfassend, als Historikerin, die sich zuweilen in einen Fan zurückverwandeln kann. Wenn die Frauen in der Résistance alle so aussahen wie Irina Demick, wäre sie als junges Mädchen gern eine von ihnen geworden. Und der weiße Pullover, in dem Peter Lawford seinen Trupp anführt, findet sie noch immer schneidig. Es steckt viel in Zanucks Produktion, das Folklore geworden ist.

Gerhard Midding

Als wir in Colleville-sur-mer ankamen, ging mir eine jener Fragen durch den Kopf, die man sich stellt, obwohl die Antwort nahe liegt. Warum nur, wunderte ich mich also, sind Gräber auf Soldatenfriedhöfen immer in so makelloser Ordnung aufgereiht? Auch die Gefallenen müssen strikt die militärische Aufstellung einhalten. Dabei würde Unordnung dem Chaos des Krieges doch viel eher gerecht.