Hugh Grant: About a Man

 Hugh Grant in »Heretic« (2024). © Plaion Pictures / Kimberley French

Hugh Grant in »Heretic« (2024). © Plaion Pictures / Kimberley French

Er war das strahlende, jungenhafte Gesicht der britischen RomCom. Jetzt zeigt Hugh Grant, wie man auf unterhaltende Weise altert

»Still so cute« und »you are lovely« seufzen in der Komödie »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« seine verschmähte Freundin und seine große, unerreichbar scheinende Liebe, wenn sie Charles in die unschuldig blauen Augen blicken. Mit Mike Newells Erfolgskomödie – der wunderbar schnöselige Upperclass-Akzent macht die OmU-Fassung zum Muss – feierten drei Schauspieler 1994 ihren internationalen Durchbruch. Doch während es um Kristin Scott-Thomas und Andie MacDowell mittlerweile still wurde, ist Hauptdarsteller Hugh Grant ein Dauerbrenner. Und dies, obwohl er seither meist seine Paraderolle des unbeholfenen Charmeurs Charles variiert – wobei er ihr mit verblüffender Virtuosität immer neue Untiefen entlockt. Wenn der nun 64 Jahre alte Star in seinem neuen Horrorfilm »Heretic« zwei jungen Mormonenmissionarinnen die Tür öffnet, zitiert er, mit stammelnder Höflichkeit, umständlichem Gezappel und jungenhaftem Lächeln, im Grunde den sympathischen Zausel Charles. Nur um dann mit sicherem Timing sein Lächeln zu einem Haifischgrinsen einfrieren und seine von Lachfältchen gerahmten Augen diabolisch funkeln zu lassen. Mit diesem Auftritt als Horrorclown scheint Hugh Grant endgültig Frieden geschlossen zu haben mit dem Image des ach-so-britischen Sonnyboys, dem er, schenkt man ihm selbst Glauben, Zeit seiner Karriere vergeblich zu entkommen versuchte. 

Hugh Grants schnuckeliger »Charles« war auch ein Echo von Cary Grants Gentleman-Rollen. Grant Nr. 2 verkörperte die unbedrohliche Männlichkeit eines Berufsjugendlichen und weckte mit seiner tollpatschig-schüchternen Attitüde zugleich mütterliche Instinkte. Nach dem weltweiten Erfolg dieser kleinen britischen Komödie wurde er von Hollywood gebucht, wo er mit »Nine Months« (1995) eine ähnliche Rolle übernahm: die eines durch die Schwangerschaft seiner Freundin aus der Bahn geworfenen Schwerenöters. Mit seinem in der burlesken Tonart der Komödie angelegten overacting baut er, grimassierend und stotternd, die Manierismen seiner Charles-Rolle weiter aus. Dazu passte ein Skandal noch vor dem Filmstart. In Los Angeles wurde Grant von der Polizei mit einer Prostituierten beim Oralsex erwischt. Sein mugshot im kleingestreiften Kurzarmpolo, mit tödlich verlegener Miene ging um die Welt. Geschadet hat es ihm nicht, im Gegenteil. Seine öffentliche Entschuldigung ließ die peinliche Episode am Ende wie einen Lausbubenstreich aussehen. Zum Ärger vieler männlicher US-Journalisten, die durch Grants darstellerische Ticks, seinen Jungencharme und den sexy britischen Akzent auf die Palme gebracht wurden, blieb er ein Frauenschwarm. 

Hugh Grant: Das ist vor allem das Gesicht der von den Neunzigern bis gegen Ende der 2000er Jahre währenden Blütezeit romantischer Komödien. Grant, der auch in seinem Privatleben als bindungsscheuer Hallodri Schlagzeilen machte, erwies sich in einer Handvoll geistreicher Beziehungsfilme, die heute fast schon Klassikerstatus haben, als unverwechselbarer Herzensbrecher. Stets ist er Peter Pan und seine Partnerin die Wendy, die ihn zu dressieren versucht. 

Seine beste Vorstellung in diesem Genre gab er in der oscarnominierten Adaption von Nick Hornbys Roman »About a Boy oder: Der Tag der toten Ente« (2002) des US-Regieduos Paul und Chris Weitz. Als cooler Großstadtcowboy (oder in den Worten seiner Verflossenen: »oberflächlicher Mistkerl«) wird er darin von einem traurigen kleinen Jungen als Mentor adoptiert. Hugh Grant verkörpert hier einen älter werdenden Charles, bei dem der Lack ab und die wellige Mähne einem struppigen Mecki gewichen ist – eine punkige Frisur, für die der Protagonist eigentlich zu alt ist. Virtuos und ohne Manierismen bespielt er, ein hedonistischer Single in der Sinnkrise, die Klaviatur der Gefühle, von Egoismus über Zweifel bis hin zu Liebeskummer und Weltschmerz. 

Doch seine Jahrzehnte überdauernde Beliebtheit ist nicht denkbar ohne den britischen Comedyautor Richard Curtis, der auch »Mr. Bean« Rowan Atkinson erschuf. Beginnend mit »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« schrieb der Drehbuchautor Hugh Grant die besten Rollen auf den Leib. Ein Kracher war nicht nur die Komödie »Notting Hill« (1999) mit Julia Roberts, in der Grant, mätzchenfrei, als knuddeliger Allerweltstyp die Herzen erobert. Im Episodenfilm »Tatsächlich . . . Liebe« (2003) bekommt er als britischer Premierminister, der sich in Downing Street, beflügelt durch die Liebe zu seiner Haushälterin, zum Song »Jump« mit einem eckigen Tänzchen locker macht, die beste Fremdschämszene. Und es war Curtis, der Grant in der Romanverfilmung »Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück« (2001) den entscheidenden Schubs Richtung bad guy gab. Als Bridgets Chef und Liebhaber Daniel Cleaver ist Grant ein nonchalanter Wüstling, ungezogen, zynisch und doch unwiderstehlich. Nicht umsonst hat der unkaputtbare Daniel einen Gedenkgottesdienst und ein Flugzeugunglück überlebt und wird in »Bridget Jones 4« (Start im Februar 2025) wieder auftauchen. Hugh Grant bemerkte dazu vor kurzem in der ihm eigenen eitlen Tiefstapelei: »Daniel Cleavers Rolle hat absolut keine Bedeutung, doch man wollte ihn unbedingt als eine Erinnerung an die Vergangenheit.« Man könnte auch sagen, dass Hugh Grant, der es schaffte, selbst der lustigen Renée Zellweger die Show zu stehlen, ein unverzichtbarer Bonus für jeden Film ist.

Diese Wirkung war ihm nicht von Anfang an gegeben. Die Schauspielerei war ohnedies nicht seine bevorzugte Berufswahl. Er blieb, will man seinen Aussagen Glauben schenken, irgendwie kleben. Vermutlich sah er, Spross aristokratischer Militärfamilien, einfach zu gut aus, um nicht doch entdeckt zu werden. Gegen Ende seines Literaturstudiums in Oxford bat man ihn, an einem Studentenfilm mitzuwirken. Nach der Premiere von »Privileged« kontaktierte ihn ein Agent und verschaffte ihm kleinere Rollen. Grant jobbte hie und da, ließ sich für Teenager-Lovestorys fotografieren, in denen er, ein welpenniedlicher 21-Jähriger, als 14 durchging, schrieb Sketche und gründete eine Comedytruppe, die eine gewisse Bekanntheit erlangte. Vorwiegend aber ernährte er sich durch das Produzieren von Radiowerbung. Als ein Angebot für das Casting der James-Ivory-Produktion »Maurice« kam, musste er von seinem Bruder, bei dem er damals lebte, zur Teilnahme gedrängt werden. 

Der Schauspieler, der zum Jagen getragen wurde, hatte vielleicht einfach Riesenglück, in einer Zeit auf der Bildfläche zu erscheinen, in der das britische Kino einen einzigartigen Lauf hatte. Ab Beginn der Achtziger und ironischerweise in der Regierungszeit von Margaret Thatcher applaudierte das europäische Arthouse-Publikum einerseits den unterhaltsam-rotzigen sozialkritischen Gegenwartskomödien von Stephen Frears, Mike Lee und Ken Loach. Zeitgleich feierte der als verstaubt gegoltene Kostümfilm ein glorreiches Comeback. Verantwortlich dafür war ein legendäres britisch-indisch-amerikanisches Regie- und Produzentenduo, Ismail Merchant und James Ivory, ergänzt von Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala. Ihre schwelgerisch ausgestatteten Adaptionen angelsächsischer Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts waren Kassenhits. Und sie machten, angefangen bei »Zimmer mit Aussicht« (1985) eine ganze Reihe bis dato wenig bekannter britischer Darsteller zu Weltstars, so etwa Emma Thompson, Helena Bonham-Carter, Maggie Smith, Daniel Day-Lewis, Anthony Hopkins und Julian Sands. Und auch, eher am Rande, den jungen Adonis Hugh Grant.

»Maurice« nach einem Roman von E. M. Forster markierte 1987 das »Coming-out des britischen Kinos«. In schwelgerischer Inszenierung spielt Grant einen Cambridge-Studenten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der eine platonische Liebe zu einem Kommilitonen pflegt und dem es, anders als seinem Studienfreund, über die Jahre nicht gelingt, zu seiner Homosexualität zu stehen. Grant, der auf dem Filmfestival in Venedig dafür einen Preis bekam, bleibt weniger durch sein Talent als durch seine androgyne Anmut und den brünetten Haarschopf in Erinnerung und fand eine schwule Fangemeinde. In weiteren Historienfilmen wie dem Ivory-Drama »Was vom Tage übrig blieb« (1993) wirkt Grant gerade im Lichte seiner gepfefferten späteren Komödien auf geradezu unfreiwillig komische Weise puppenhaft und harmlos. In »Verliebt in Chopin« (1991), einem der Filme, über die er später als »Europuddings« lästerte, gibt er den Komponisten als Sensibelchen mit wallendem Haar und melancholischer Miene, das von George Sand vernascht wird. Im erotischen Psychodrama »Bitter Moon« (1992) schließlich ist er ein ähnlich fader Jüngling und dazu verdammt, auf einem Schiff den erotischen Erinnerungen eines gelähmten Lebemannes und seiner aufreizenden französischen Frau zu lauschen. Nach diesem überraschend schlechten Film – immerhin von Roman Polanski – wollte Grant wieder einmal den Beruf wechseln, bis ihn das Angebot für »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« rettete.

Grant selbst beschreibt in einem Interview, wie er von Curtis dazu gebracht wurde, seinem Rollencharakter jene nerdig-nervöse Ausstrahlung, seinem Sprechen jenes peinlich berührte Verhaspeln zu verleihen, das schließlich zu seinem Markenzeichen wurde. Und während er in seinen folgenden Filmen Regisseure bat, nicht mehr den Typus des jungenhaft-zögerlichen Junggesellen verkörpern zu müssen, tappte er, laut Interviews, sogar in Ang Lees Austen-Verfilmung »Sinn und Sinnlichkeit« (1995) in diese Falle. Allmählich aber konnte er die leicht beunruhigenden Noten, die von Anfang an in seiner Sonnyboy-Nummer anklangen, zur Geltung bringen. In den amerikanischen Komödien »Ein Chef zum Verlieben« (2002) mit Sandra Bullock und »Mitten ins Herz – Ein Song für dich« (2007) mit Drew Barrymore trat er bereits als der abgebrühte, egoistische Junggeselle auf. In der Satire »American Dreamz« (2006) liefert er, erneut unter der Regie der Weitz-Brüder, als Moderator einer Castingshow eine böse Karikatur seines Charmeur-Images. Die zur zweiten Natur gewordene Selbstironie, die Grant in »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« so liebenswert machte, entwickelt sich zu einer clownesken Boshaftigkeit, die niemanden verschont.

»Florence Foster Jenkins« (2016). © Constantin Film

Viel Lob bekam er zwar für seinen unterspielten Auftritt in »Florence Foster Jenkins« (2016) als Ehemann der berüchtigt schlechten Sängerin (Meryl Streep), der, zwischen Liebe und Berechnung, seine Frau vor schlechten Kritiken abzuschirmen versucht. Doch Grant ergeht es wie anderen Stars: Ambitionierte Charakterdramen sind vom Kino in die Serien abgewandert. Die leicht diabolische Anmutung in Hugh Grants Upperclass-Attitüde wurde bereits im Drama »Eine sachliche Romanze« (1995) erforscht. Hugh Grant, wieder in einer schwulen Rolle, gibt einen Theaterdirektor, der Menschen benutzt und skrupellos fallen lässt. In der hochklassigen Serie »A Very English Scandal« (2018) verkörpert er, nach einer wahren Geschichte, den Politiker Jeremy Thorpe, der, heimlich schwul, einen Mordanschlag auf seinen jungen Liebhaber ausführen lässt, der ihn zu verraten droht. Grant macht sich diesen doppelbödigen Charakter mit spürbarem Spaß zu eigen. Charmant, schlau, manipulativ, nervös und ängstlich: Alles, was ihn einst zum Komödienliebling machte, demonstriert er auch als Jeremy Thorpe, dessen bürgerliche Existenz ein Fake ist. 

Tatsächlich finden sich in Grants Repertoire inzwischen fast so viele fiese und seltsame wie liebenswerte Parts. Als designierter Böse­wicht zieht er durch alle Episoden des Inkarnationsspektakels »Cloud Atlas« (2012), sogar als bemalter Kannibale. In den letzten Jahren sah man ihn im Kinderfilm »Paddington 2« (2017) selbstironisch bis zum Anschlag als narzisstischen, abgehalfterten Schauspieler, in »Wonka« (2023) als die Fantasiefigur des Wilden Oompa Loompa, und in der Computerspielverfilmung »Dungeons & Dragons« (2023) als Schurke Forge Fitzwilliam, einst ein Schönling mit breitem Lächeln, nun ein selbstsüchtiger Upperclass-Hochstapler.

Hugh Grant selbst, gejagt von der Boulevardpresse wegen seines chaotischen Privatlebens (ab dem Alter von 51 Jahren wurde er Vater von mittlerweile fünf Kindern, darunter drei von zwei Frauen innerhalb von zwei Jahren), kokettiert seit langem auch jenseits der Leinwand mit seinem Schlawiner-Image. Sein strahlendes Lächeln wechselt bruchlos mit einem sarkastischen Grinsen aus heruntergezogenen Mundwinkeln, seine Ironie wirkt oft destruktiv und misanthrop. Imitiert hier das Leben die Kunst oder macht es ihm einfach Spaß, den Kasper zu spielen? Wie auch immer: Hugh Grant ist ein schrecklich unterhaltsamer Eulenspiegel, dem man gern beim Älterwerden zuschaut.

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