Interview: Dearbhla Walsh über »Bad Sisters«
Dearbhla Walsh am Set von »Bad Sisters« (Staffel 2, 2024). © Apple TV+
Mrs. Walsh, die zweite Staffel von »Bad Sisters«, bei der Sie nicht nur als Regisseurin mehrerer Episoden, sondern auch als Executive Producer tätig waren, unterscheidet sich beträchtlich von der ersten: bei der wusste man von Anfang an, wer der Schurke des Stücks war, diesmal ist es umgekehrt – lange Zeit haben die Schwestern (und der Zuschauer) die falsche Person in Verdacht. Was bedeutete das für die Inszenierung der Staffel?
Die ganze Zeit lang die Tür offen zu lassen, wer der Bösewicht ist, bedeutete, fortwährend das Geschehen mit Ambiguität aufzuladen: dass das, was man sieht, auf verschiedenste Weise interpretierbar ist. Das war zunächst einmal eine Herausforderung für die Darsteller, aber auch für die Regie: ich musste mich fragen, an welchem Punkt die Zuschauer vermuten, dass etwas anders sein könnte als sie bisher angenommen haben: wer ist diesmal der prick (der in der ersten Staffel ja sehr schnell ins Rampenlicht geriet)? Ich denke, das verleiht dieser Staffel etwas Frisches, frustriert die Zuschauer auf angenehme Weise und weckt ihr Bedürfnis, die Zusammenhänge zu durchschauen und die Wahrheit herauszufinden.
Wir wollen nicht verraten, wer die schuldige Person ist, aber würden Sie sagen, dass ihr eine gewisse Tragik innewohnt – anders als JP, dem Schwager der Schwestern in Staffel Eins, der ja nicht nur seine Ehefrau Grace schlecht behandelt, sondern auch andere Personen?
Die zweite Staffel beginnt ja mit einem Leichenfund, bei dem zunächst einmal unklar ist, wer der Tote ist, wir wissen anfangs nicht einmal, ob es sich um einen Mann, eine Frau oder ein Kind handelt. Das prägt die Atmosphäre der nachfolgenden Geschehnisse. Man kann das summieren unter dem Ausdruck vom 'Wolf im Schafspelz'. So erfahren die anderen Schwestern ja erst zu Beginn der zweiten Folge, dass es eine Person gibt, die Grace half, als es darum ging, etwas gegen ihren durch und durch schurkischen Ehemann JP zu unternehmen. Es geht darum herauszufinden, wozu wir in der Lage sind. Am Ende geht es auch in der zweiten Staffel um Missbrauch im weitesten Sinne und darum, wer die Kontrolle hat – was Menschen tun, um die Macht über den Partner in einer Beziehung zu erlangen und aufrecht zu erhalten. Das zu verfolgen, ist für den Zuschauer nicht immer angenehm,
Neu in dieser Staffel ist die Figur einer asiatisch-stämmigen jungen Polizistin, die – anders als ihr Vorgesetzter – einen großen Ehrgeiz entwickelt, die Schwestern in die Enge zu treiben und ihre Schuld zu entlarven. Ich merkte beim Ansehen, dass ich sie deshalb höchst unsympathisch fand – ich stand immer gegen sie auf Seite der Schwestern, auch wenn deren Handlungen nicht unbedingt moralisch einwandfrei sind. Stehe ich damit alleine da?
Das finde ich faszinierend zu hören! Detective Houlihan steht auf der Seite des Gesetzes und versucht das Richtige zu tun, wobei ihr ihre Ambitionen manchmal in die Quere kommen, wenn sie sehr schnell meint, die Schuld bei den Schwestern gefunden zu haben. Ihr Ehrgeiz verbindet sich mit einer gewissen Naivität, was sie zu Fehlurteilen verleitet, aber sie ist auch ein Opfer ihrer Vorgesetzten, die bestimmte Wahrheiten vor ihr verbergen.
'JP'-Darsteller Claes Bang, den ich zur ersten Staffel interviewte, erzählte, dass damals eine Woche Proben vor Drehbeginn möglich waren. War das auch diesmal der Fall oder erübrigte sich das, weil sich die Beteiligten vielfach schon von Staffel Eins kannten?
Nein, wir hatten erneut eine Woche Zeit dafür. Das war mir selber sehr wichtig – auch wenn die Darstellerinnen sich gut kannten, gab es ja neue Seiten an ihren Figuren zu ergründen. Ihr Zusammenhalt war natürlich auch eine Herausforderung für die neuen Figuren, zumal Fiona Shaw als Angelica und Thaddea Graham als Houlihan, aber auch für Barry Ward als Kommissar Loftus, der beim letzten Mal nur einen einzigen Drehtag hatte. Wie bei der vorangegangenen Staffel habe ich zuerst mit jedem Darsteller Zeit alleine verbracht, dann mit einzelnen Gruppierungen, wie den beiden Ermittlern und schließlich mit allen als Ensemble. Das setzt einfach eine bestimmte Energie frei.
Bei Serien gilt gemeinhin der Showrunner als die entscheidende Person. Würden Sie sagen, als Regisseurin bestand Ihre Hauptarbeit hier im Wesentlichen in der Arbeit mit den DarstellerInnen?
Als Regisseurin liebe ich vor allem die Zusammenarbeit, mit meinem Kameramann und der Ausstatterin; der absolute Höhepunkt dabei ist natürlich die Arbeit mit den DarstellerInnen – ihnen zu ermöglichen, das Beste vor der Kamera abzuliefern und dies ins rechte Licht zu setzen. Das steht im Mittelpunkt, alles zielt darauf ab, das herzustellen. Ich habe den Produzenten gesagt, wie wichtig es ist, die Emotionen einzufangen. Bei »Bad Sisters« war ich nicht nur Regisseurin mehrerer Folgen, sondern erstmalig auch Executive Producer, das würde ich nicht eintauschen wollen, weil ich dadurch an der gesamten Produktion beteiligt war, bis zum Ende der Fertigstellung: ich arbeite mit den anderen Regisseuren zusammen, war aber auch in den Schnitt involviert. Für mich war diese Serie auch deshalb wichtig, weil sie in Irland angesiedelt ist und dort gedreht wurde. Ich bin selber irisch, habe aber auch viel im Ausland gearbeitet, deswegen war dies eine gute Gelegenheit, hier zu arbeiten und Irland auf die Leinwand zu bringen. Viele irische Geschichten werden von Amerikanern gedreht, die kurz hier auftauchen und oft ein romantisches Bild vom Westen Irlands zeichnen oder aber den Nordirland-Konflikt in düsteren Bildern ausmalen. Mir war es wichtig, eine Balance zu finden, auch für das internationale Publikum. Wir sind ein Land, für das Auswanderung immer eine wichtige Rolle gespielt hat. Das hat sich in den letzten fünfzehn Jahren geändert, Familien, von denen niemand im Ausland lebt und arbeitet, sind häufiger geworden. All diese Aspekte einzuarbeiten war mir wichtig.
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