»May December« von Todd Haynes lädt dazu ein, tiefer zu schürfen. Wenn man ihn sieht und danach, wenn er einem durch den Kopf geht, legt man immer neue Schichten frei. Seine Verbindung zu „»The Go-Between« (Der Mittler) etwa ist offenkundig und lautstark: In Beiden erklingt Michel Legrands schneidender Klavierakkord. Allmählich jedoch entdeckt man, dass die musikalische und thematische Verwandtschaft noch inniger ist.
Thomas Heise, dessen Tod die Akademie der Künste in Berlin gestern meldete, besaß eine Langmut, die im Filmgeschäft eher selten ist. Dokumentarfilme, meinte er, gewinnen ihre eigentliche Bedeutung erst Jahre, ja Jahrzehnte später. Auf seine eigene Geschichte bezogen, lag er damit zweifellos richtig.
Wenn Jutta Brückner einen Vortrag hält, steht meine Konzentration vor argen Herausforderungen. Ihre Reden sind so gedankenreich, stellen so behände Zusammenhänge her und fällen so sorgfältige Urteile, dass ich kaum mitkomme. Sie stecken voller Formulierungen, die ich steheln möchte. Wenn ich mir eine notiere, laufe ich stets Gefahr, die folgende zu verpassen.
Es hat Vorzüge, keine eigene Waschmaschine zu besetzen. Man darf sich an kommunikative Orte begeben, wo sich mannigfache Gelegenheiten bieten. In „Jubilee“ etwa dient ein Waschsalon der resoluten Anbahnung. Crabs, eine der munteren Nihilistinnen aus Derek Jarmans Film, legt vor dem ersten Waschgang einen Striptease hin und animiert einen hübschen Blondschopf, es ihr nachzutun.
John Wayne mochte den Klang des Wortes Republik, aber vor allem, was in ihm mitschwingt: "It means people can live free, talk free, go or come, buy or sell, be drunk or sober, however they choose. Some words give you a feeling."
Nach Ende der Dreharbeiten zu »Der Leopard«, schreibt Claudia Cardinale in ihren Memoiren, hatte sich ihr Blick unwiderruflich verändert. Er war nicht mehr vage, unbestimmt und flüchtig. Er hatte seine Schüchternheit verloren, nun traute sie sich zu, ihre Mitspieler zu fixieren: fester, fordernder. Davor erschien ihr diese Beharrlichkeit unverschämt, aber Luchino Visconti verpflichtete sie dazu.
Die Verrohung der politischen Sitten schreitet immer rascher voran. Bis zum Freitagabend letzter Woche wurden 112 hier zu Lande tätliche Angriffe auf Politikerinnen und Politiker seit Beginn des Jahres gezählt. Mit der Attacke auf den Europaabgeordneten Mathias Ecke hat die demokratiefeindliche Gewalt nicht unbedingt eine neue Dimension, auf jeden Fall aber größere Aufmerksamkeit erlangt.
Gestern Abend fühlte ich mich an die Berlinale erinnert, wie sie mir aus 18 Jahren vertraut war. Das lag nicht nur am Ort am Potsdamer Platz, der für zwei Wochen im Februar zu deren Palast erklärt wird, obwohl er für Filmvorführungen denkbar schlecht geeignet ist. Geschuldet war der Eindruck auch der Wiederkehr von Dieter Kosslick, der bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises aber nur als Laudator auftauchte, wie er kokett betonte.
An Mangelwirtschaft ist der sturmerprobte Facharbeiter Paul gewöhnt, aber das kann er nicht fassen. "Ein Betrieb mit 2000 Mann", schnaubt er wütend, „und keine 16er Mutter!“ Seit Jahren, Jahrzehnten reibt er sich auf für das Metallwerk, aber es läuft einfach nicht rund. Immer wieder stehen die Maschinen still.
Das Spiel der Hände ist in Luchino Viscontis Filmen stets ausdrucksvoll. In ihm offenbart sich eine wehmütige Lebenssehnsucht. Seine Figuren versuchen, in der Berührung Intimität und Erlösung zu finden. Zu Beginn der Ballsequenz aus »Der Leopard« ergreift der Fürst von Salina zur Begrüßung mit beiden Händen die Hand Angelicas, der Verlobten seines Lieblingsneffen Tancredi und lässt die eine lange auf ihrem Handrücken ruhen. Die Geste besiegelt, fast wie eine Segnung, ihren Eintritt in seine Familie und die Kreise der sizilianischen Aristokratie.