Venedig: Stars und Stories am Lido
»L'immensitá« (2022). © Pathé
Mit »Don't Worry Darling« kommt in diesem Jahr der Klatsch an den Lido. Filme wie »The Whale« und »L'immensitá« sorgen beim Filmfestival Venedig mit Hintergrundgeschichten für Furore
Ein gutes Filmfestival braucht es gute Filme. Das bessere Filmfestival aber fügt dem noch ein paar Klatschgeschichten hinzu, die das an sich steife Prozedere der Filmpremieren und Foto-Calls erst so richtig lebendig machen. Mit »Don't Worry Darling«, der zweiten Regiearbeit der US-amerikanischen Schauspielerin Olivia Wilde, ist dem Filmfestival von Venedig in dieser Hinsicht ein wahrer Glücksgriff gelungen. Als feministisch angehauchter psychologischer Thriller für die Programmschiene »Außer Konkurrenz« angekündigt, sorgte der Film bereits vorab für jede Menge Schlagzeilen.
Mit der Qualität des Films selbst hatten sie allenfalls am Rande zu tun. So richtete sich am Tag der Premiere am Lido die Aufmerksamkeit weniger auf den Film als auf das Drumherum: Olivia Wilde und Hauptdarsteller Florence Pugh sollen sich verkracht haben. Dem Vernehmen nach soll Pugh die Affäre zwischen Wilde und dem Popstar Harry Styles, die sich am Set entwickelte, missbilligt haben.
In »Don't Worry Darling« spielen Styles und Pugh ein junges Paar in einer Vorstadt-Idylle, wie man sie aus den idealisierten 50er und 60er Jahren kennt. Es geht zu wie in einem Werbespot: ein modernes Häuschen mit perfekt eingerichteter Küche, wo sie ihm morgens Speck und Eier zum Frühstück bereitet, um ihn anschließend vor der Haustür winkend zur Arbeit zu verabschieden.
Wenn die Kamera von ihnen wegzoomt, zeigt sich, dass ihr Häuschen neben vielen anderen steht, wo andere Frauen ihren davonfahrenden Männern nachwinken. Die Mode, die Automodelle, das Verhalten – es wirkt alles ausgesprochen »vintage«, auf schicke Weise altmodisch. Die Idylle ist so erdrückend perfekt, dass sie bald Risse bekommt, die zunächst nur Pughs Figur zu bemerken scheint.
Mit seinen ästhetisch erlesenen Bildern kann »Don't Worry Darling« mehr mit Stil als mit Inhalt trumpfen. Die Kritiker am Lido zeigten sich mäkelig, das Publikum, zumal die große Anhängerschaft von Harry Styles, zeigte sich mehr als zufrieden.
Ein weiterer Film war bereits vorab mit Schlagzeilen bedacht worden: Darren Aronofskys Wettbewerbsbeitrag »The Whale« kam mit einer gleichsam eingebauten Comeback-Story für den Hauptdarsteller Brendan Fraser. Fraser, der vor über 20 Jahren mit »The Mummy« einen Karrierehöhepunkt als »Leading-Man« in humorigen Action-Filmen erreicht hatte, hatte sich im letzten Jahrzehnt fast ganz aus der Branche zurückgezogen. In »The Whale« spielt er nun erstmals wieder eine Hauptrolle.
Unter viel Maske und Prothesen verkörpert er den schwergewichtigen College-Lehrer Charlie, der seit dem Selbstmord seines Liebhabers die Kontrolle über seinen Körper aufgegeben hat. Bitter gegen sich selbst und zunehmend unter den Folgen der Fettleibigkeit leidend, sucht er eine letzte Versöhnung mit seiner Teenager-Tochter. Der Film adaptiert ein Bühnenstück – und steif inszeniert, erwies sich Aronofskys Film als eine der großen Enttäuschungen dieses Festivals. Brendan Fraser aber erhielt trotzdem seine wohlverdiente, mehrminütige stehende Ovation.
In der italienischen Presse löste eine andere Geschichte unterdessen noch mehr Schlagzeilen aus: Emanuele Crialese, Regisseur von eindrucksvollen Filmen über Migration wie »Nuovomondo« und »Respiro«, nutzte die Premiere seines neuen Films »L'immensitá«, um über seine eigene Transition zu sprechen. Im Film erzählt er aus der Sicht eines jungen Mädchens, das lieber ein Junge sein will, vom Aufwachsen in einer unglücklichen Familie.
Die von Penélope Cruz und Vincenzo Amato gespielten Eltern sind einander entfremdet, bezeichnenderweise zeigt nur die Mutter Verständnis für den »fluiden« Charakter ihrer Tochter. Darüber, wie sehr das seine eigene Geschichte ist und dass er als Emanuela geboren wurde, sprach Crialese nun zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit. Sein Film, eine dichte Coming-of-Age-Beschreibung mit einer herausragenden jungen Darstellerin im Zentrum (Luana Giuliani), kann sehr gut auch ohne privates Bekenntnis oder Schlagzeilenpromotion bestehen.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns