Venedig: Adipöser und kinematografischer Stillstand
»The Whale« (2022). © A24
Bewegung war immer essentiell bei Regisseur Darren Aronofsky, im physischen wie im formalen Sinne. Mit der Snorri-Cam ging es in seinen so radikalen wie experimentellen Filmen »Pi« und »Requiem for a Dream« durch wummernde urbane Topografien, in letzterem rhythmisierten und fokussierten Hip Hop-Montagen das Geschehen; »The Wrestler« war der eigentliche unmögliche Tanz eines abgehalfterten Wrestlers zurück in den Ring, »Black Swan« der Tanz einer Balletttänzerin durch ihre Obsessionen.
Was also macht der Choreograf in seinem auf dem Lido heiß erwarteten Wettbewerbsfilm »The Whale«, der nach dem Theaterstück von Samuel D. Hunter von einem an seine Wohnung gefesselten, schwer adipösen Mann handelt? Er versucht, leider vergeblich, eine filmische Form, eine Choreographie des körperlichen Stillstands, zu entwickeln.
Es geht gleich mit einer jener penetrant dramatischen Situationen los, von denen es in »The Whale« angestrengt viele gibt. Englischlehrer Charlie (Brandon Fraser in einem Fatsuit, dessen Glaubwürdigkeit zu diskutieren ist), masturbiert zu einem Porno auf dem Sofa und bekommt einen Anfall: die Lunge pfeift, das Herz rast, Schweiß überall. Erst ein jugendlicher Missionar, der zufällig an der Tür klopft, holt den Berg von einem Mann wieder runter, indem er Charlie aus dem hektisch hingehaltenen Mobby-Dick-Essay vorliest. Puh!
Der Film bleibt, bis auf wenige Momente vor der Wohnungstür, komplett in der Wohnung und entwickelt sich zu einem Familiendrama mit Seifenoper-Attitüde. Charlie, der seine Frau für einen Mann verlassen hat, will den Kontakt zur pubertierenden Tochter Ellie (Sadie Sink) wieder herstellen. Da wird gestritten und gebrüllt, zwischendurch kommt der Pizzamann mit den üblichen zwei Riesenpizzen und die liebevolle Krankenpflegerin Liz (Hong Chau), die den Mann vor seinem rapide sich verschlechterndem Gesundheitszustand warnt, ihm medizinische Tools wie einen Rollstuhl und Essen bringt. Später bändelt noch der Missionar (Ty Simpkins) mit Ellie an.
Das tolle Spiel von Fraser, Sink und der wunderbaren Hong Chau kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Aronofsky nicht gelingt, sich von der Theaterbühne zu emanzipieren. Daran ändert auch der Hang zur Dramatisierung oder der Twist am Ende hin zu einer heiligen Leichtigkeit nichts. Der Bewegungskünstler tritt in »The Whale« auf der Stelle, schade!
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