Kritik zu Lieber Thomas

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Dichter, Regisseur, Stückeschreiber, Übersetzer, Romanautor, widerständiger Geist auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs: Andreas Kleinert porträtiert Thomas Brasch in einem Biopic

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Die biografischen Eckdaten von Thomas Brasch sind allein schon Stoff, der förmlich nach Verfilmung schreit: geboren 1945 als Sohn deutsch-jüdischer Antifaschisten, die nach England ins Exil gegangen waren und 1947 in die sowjetische Besatzungszone zogen, um ein neues, besseres Deutschland aufzubauen. Vater Horst stieg in der DDR zum stellvertretenden Kulturminister auf, während Sohn Thomas an diversen Schulen und Universitäten in Konflikt mit den Autoritäten geriet. 1968 verteilte er Flugblätter gegen den Einmarsch in Prag – und sein eigener Vater lieferte ihn an die Staatssicherheit aus. Das war ein Skandal, an dem man sich im Westen besonders gern erschreckte.

Thomas kam ins Gefängnis und musste sich anschließend in der Produktion bewähren. Er schrieb Gedichte und Prosa, die nur zum kleinen Teil in der DDR veröffentlicht wurden. Als er ein Buch im Westen publizieren ließ, wurde ihm nahegelegt, selbst zu gehen. In der Bundesrepublik feierte Brasch als Filmemacher Erfolge, schrieb und inszenierte Theaterstücke, übersetzte Majakowski und Shakespeare. Er gehörte zu einer kleinen, aber feinen Schar von DDR-Kreativen, die mit ihrem streitbaren Ernst und ihrer fortdauernden Unzufriedenheit ein ungeheuer wichtiges Ferment der westdeutschen Kultur der 80er Jahre bildeten. Bis nach dem Mauerfall alles ganz anders wurde. 2001, kaum 56 Jahre alt, ist Thomas Brasch einen unglücklichen und viel zu frühen Tod gestorben.

Für alle, die sich je für Brasch begeisterten, bedeutet es eine echte Genugtuung, dass er 20 Jahre später nicht nur nicht vergessen ist, sondern das Interesse an ihm sogar zunimmt. 2011 kam Christoph Rüters Dokumentarfilm »Brasch: Das Wünschen und das Fürchten« heraus; 2012 erschien das von Marion Brasch, Thomas' jüngerer Schwester, geschriebene Buch »Ab jetzt ist Ruhe«, das wiederum Annekatrin Hendel zur Grundlage ihres 2018 erschienenen Dokumentarfilms »Familie Brasch« nahm. Darin widmete Hendel sich in Einzelkapiteln sowohl den Eltern als auch Marion und den anderen zwei Brüdern Klaus und Peter, aber wie von geheimnisvoller Kraft angezogen, driftete alles immer wieder in Richtung des ältesten Bruders, zu Thomas – und seinem schwierigen Verhältnis zu Vater Horst.

Letzteres bildet auch für Andreas Kleinerts Biopic nun den Ausgangspunkt. Zu Beginn sieht man sie da im Auto fahren, Vater Horst (Jörg Schüttauf) und den noch kleinen Thomas (Claudio Magno); die Fahrt geht zur Kadettenschule in Naumburg, wo Thomas die nächsten vier Jahre verbringen sollte. Es war keine positive Erfahrung für den literarisch Begabten: Kleinert zeigt Szenen des Bullying, auch Thomas wird getriezt, aber die viel spannendere Andeutung ist die, dass der Junge beobachtet, wie andere bedrängt werden – und es hinnimmt.

In atmosphärischem Schwarz-Weiß, mit Traumsequenzen, die wenig bündig Braschs Obsession mit dem »Mädchenmörder Brunke« einbinden sollen, und einer anfangs rasanten Abfolge von Frauen, für die er sich nacheinander und gleichzeitig begeistert – Bettina Wegener (Paula Hans), Sanda ­Weigl (Ioana Iacob), Katharina Thalbach (Jella Haase) –, schreitet der Film die Stationen eines wechselvollen Lebens ab. Albrecht Schuch verkörpert fesselnd den ewig Unzufriedenen als innerlich Getriebenen, als einen, der hoch pokert und den dann die Angst umtreibt, nicht liefern zu können.

So schwierig der Film die Figur Brasch zeigt, will er ihn und seine Widersprüche doch partout begleiten und wagt es nie, einmal nicht auf seiner Seite zu stehen. Dass das ein Mangel sein könnte, wird immer dann deutlich, wenn dem quecksilbrigen Sohn der erfahrensmüde, dogmatische Vater gegenübersitzt. Jörg Schüttauf als Horst Brasch ist die wahre Sensation dieses Films, gerade weil er so absolut verhalten spielt und dabei so viel erahnen lässt: die Bitterkeit des zurückgekehrten Exilanten, der seine Lebensleistung durch den »verwöhnten« Sohn infrage gestellt sieht, aber auch eine unverbrüchliche, selbstverständliche Liebe. An Mut zur Ungefälligkeit standen die beiden sich in nichts nach, das zeigt der Film wunderbar deutlich.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich sehe keinen Grund, um diesen unsympathischen Egoisten und seine DDR-Hippies herum so ein bedeutungsschweres, langatmiges Theater zu machen wie dieser Film. Seine Gedichte könnten aus Glückskeks stammen und für die Einstufung als Rebell genügt offenbar schon eine manche Frauen anziehende lächerliche Macho-Attitüde, selbstüberschätzende Wichtigtuerei und generell schlechtes Benehmen.
Wer sich mit Brasch und seinem Werk durchaus verzeihlich bisher nicht befasst hat, wird in diesem Film außerdem viele Fiktionalisierungen unverständlich finden, besonders etwa die szenischen Fantasien über den seltsamen "Mädchenmörder" Karl Brunke, von dem Brasch regelrecht besessen war.

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