Kritik zu Freischwimmer
In seinem neuen Film hat es Andreas Kleinert auf eine schmucke kleine Welt abgesehen, die sich natürlich als Falle erweist: eine falsche Idylle freundlich grüßender Ladenbesitzer, lynchbereiter Jugendlicher und durchgeknallter Lehrer
In »Freischwimmer« schwimmt sich niemand frei. Man schaut dem mit viel Stilwillen in Szene gesetzten Geschehen wie dem Treiben in einem bunten Aquarium zu. Alles wirkt einen Ton zu bunt, zu artifiziell natürlich, bleibt ungreifbar und doch als grimmigkomisch- grausames Treiben unterhaltsam. Das Drehbuch verschränkt zwei Mordgeschichten, in denen die intelligenten Außenseiter des Ortes einander finden und eine böse Mär mit psychopathologischem Grusel überbieten. »Freischwimmer« changiert zwischen Genres, ist »Whodunit«-Krimi, perfide Lehrer-Schüler-Posse und schwarzer Heimatfilm in einem.
Rico (Frederick Lau), der hörgeschädigte Sohn der Apothekerin (Dagmar Manzel), liebt die wasserstoffblonde Bäckerstochter und Dorflolita Regine (Alice Dwyer), die aber bevorzugt den sportlichen Superhelden ihrer Schule. Rico unterliegt dem Muskelmann bei einem Tauchwettbewerb, kann danach jedoch triumphierend filmen, wie der Rivale ein Eclair aus Regines elterlicher Bäckerei verschlingt und stirbt. War der Liebesknochen eigentlich für Rico bestimmt? Ist der Schlacks mit den eckigen Bewegungen das Opfer eines Komplotts, weil er von Regines Schwangerschaft weiß? Will er die Schuld seinem Hassobjekt, dem Sportlehrer (Devid Striesow), in die Schuhe schieben, weil dieser nicht nur Schüler verprügelt, sondern sich auch als Ricos künftiger Stiefvater breitmacht?
Kleinerts Film lebt von der Spielfreude seiner prominenten Schauspielerriege. Neben Dagmar Manzel und Devid Striesow als spießigem Patchworkpaar verkörpert Frederick Lau den trotzigen Eigenbrötler mit großer Präsenz und feinen Zwischentönen. Nie weiß man, ob er zum Fürchten oder Lieben ist. Jürgen Tarrach stellt seine Figur eines harmoniesüchtigen Gymnasialdirektors und Freizeitjägers mit gekonnter Naivität bloß. Traute Hoess spielt eine skurrile Persiflage auf den einsamen Pastorenstand, wenn sie als Single und heimliche Hedonistin ständig pafft, viele Whiskys kippt und wie einst Pater Brown die Ermittlungen an sich reißt.
Vollends zwischen punktgenau realistischem Beziehungsgeschwätz und psychopathischer Parallelexistenz bewegt sich das Liebespaar, das Fritzi Haberlandt und August Diehl spielen. Musiklehrerin Michaela Rammelow bemüht sich pragmatisch um den Deutsch- und Kunstlehrer Martin Wegner und macht sich hoffnungslos unangemessen immer wieder lächerlich. Der Empfindsame zieht sich lieber in die Welt seiner altmodischen Elternvilla zurück, wohin es auch seinen exzentrischen Nachhilfeschüler Rico zieht. Beide vereint die heimliche Leidenschaft für den Modell- und Puppenbau, für die absolut kontrollierbare Neuschöpfung der Schulgemeinschaft, der sie in der blutigen Apotheose des Films den Garaus machen, bevor das Böse wieder aus der Dorfszenerie getilgt zu sein scheint.
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