12/2020
In diesem Heft
Tipp
Am 13. September 2022 verstarb Jean-Luc Godard im Alter von 92 Jahren. Er war Mitbegründer der Nouvelle Vague, drehte Klassiker wie »Pierrot le fou« und »Die Verachtung«, experimentierte mit Video und essayistischen Formen. 2020 ist wieder eine Biografie über ihn erschienen. Anmerkungen zu einem Werk der klaren Undurchschaubarkeit von Georg Seeßlen.
Alternative Realität: Die »Watchmen« als HBO-Serie
Unheilvolle Stimmung: Die DVD-Premiere: »Amulet« von Romola Garai
Die lebende Puppe: Matteo Garrones »Pinocchio« als Direktveröffentlichung auf DVD/Blu-ray und als VoD
Intensives Weltkriegsdrama: »Journey's End – Tage bis zur Ewigkeit« nach dem Stück von R. C. Sherrif
Zwischen den Frauen: Die DVD-Premiere »L'homme fidèle« von und mit Louis Garrel
Lewis Arnold (»Broadchurch«) schildert in seiner neuen Miniserie »Des« die wahre Geschichte der Ermittlungen im Serienmörderfall Dennis Nilsen
Sommer in England: Die DVD-Premiere »Mein etwas anderer Florida Sommer« (OT: Days of the Bagnold Summer) von Simon Bird
Blumhouse Factory heißt die Firma des US-amerikanischen Produzenten Jason Blum,
spezialisiert auf kostengünstige Genrefilme. Neben »Freaky« im Kino gibt es drei neue Filme
als DVD-Premieren
Antonio Campos (»Christine«) hat Donald Ray Pollocks Southern-Gothic-Roman »The Devil All the Time« verfilmt
Sophia Loren darf in der Neuadaption von Romain Garys »Du hast das Leben vor dir« die Herzen noch einmal so richtig rühren
Mit Elyas M'Barek in der Hauptrolle erzählt der Oscarkandidat »Was wir wollten« von einem Paar, das sich auf Sardinien von dem unerfüllten Kinderwunsch zu erholen versucht
Kinostart verschoben auf Frühjahr 2021. Ein Vater aus ärmlichen Verhältnissen macht sich zu Fuß auf den Weg ins 300 Kilometer entfernte Belgrad, um für das Sorgerecht für seine Kinder zu kämpfen. Mit berstender Ruhe inszeniert Srdan Golubović diesen Roadtrip, in dem Goran Bogdan als schweigsamer, stoischer Held glänzt
Ausgang aus dem Labyrinth. Symptome machen uns alle gleich, deshalb gilt: »It's Okay to Not Be Okay«
»Borat 2« ist wieder eine bitterböse Satire – heute noch brennend aktuell und morgen hoffentlich veraltet
Alan Ball erzählt im autobiografisch geprägten »Uncle Frank« von den Schwierigkeiten des Coming-outs und vom Aufwachsen im erzkonservativen Süden der USA
Ron Howard hat mit JD Vances »Hillbilly-Elegie« ein Schlüsselbuch des »Trumpismus« verfilmt. Mit Amy Adams und Glenn Close höchst prominent besetzt, versucht sein Film ein Verständnis jenseits der Polarisierung zu wecken
Lünen, 9.–12.12. – Beim Filmfest in Lünen steht der deutsche Film im Mittelpunkt. Bei der coronabedingten kleineren Variante des Kinofests Lünen werden von den vier vergebenen Preisen drei vom Publikum selber verliehen.
Cottbus/Online, 8.-31.12. – Das FilmFestival Cottbus setzt seinen Schwerpunkt auf den osteuropäischen Film. In der 30. Jubiläumsausgabe wird das Filmprogramm als bundesweites Streaming-Angebot über die Festivalwebsite abrufbar sein. Die Filmreihen beschäftigen sich dabei besonders mit historischen Themen anlässlich des 75. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs und des 30. Jahrestags der deutschen Einheit.
Thema
Prekäre Verhältnisse: Vor mehr als zwanzig Jahren zerbrach das sozialistische Jugoslawien in einer Reihe von Kriegen. Die Nachfolgestaaten haben immer noch mit den Folgen zu kämpfen: ökonomische Krisen, ethnische Konflikte, Traumata. Das serbische Drama »Vater – Otac« zeigt, wie die Menschen der Region um Würde kämpfen. Ein Überblick
»Wonder Woman 1984« startet im Dezember in den USA im Kino und als Video on Demand – ein Experiment. Und experimentell war auch die bewegte Vorgeschichte der Superheldin, die aussah wie ein Pin-up, aber für Frauenrechte kämpfte
In Südkorea, heißt es, hat sich noch niemand im Kino angesteckt. Dort waren die Häuser immer auf. Bei uns ist Lockdown 2. Das heißt: Kinos gehen trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen wieder in die Krise. Und in Hollywood stauen sich die Filme
Unsere "steile These" des Monats Dezember
Entdeckt wurde sie mit dem »Parfum«. Inzwischen hat sie sich nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Regisseurin – gern Komödien – etabliert. Karoline Herfurth in der Nahaufnahme
Katastrophenkarneval in der Wüste: Billy Wilders Film, im Deutschen »Reporter des Satans«, zeigte schon 1951, wie die Welt sich im Fokus der Medien verzerrt
Hätte es »Citizen Kane« ohne Herman J. Mankiewicz gegeben? David Finchers Film »Mank« erinnert an den großen Drehbuchautor und feiert das Kino als Kollektivkunst. Zu sehen ab dem 4. Dezember bei Netflix
Meldung
Matthias Brandt, 59, spielte mehr als 70 Film- und Fernsehrollen, darunter den Kriminalhauptkommissar im Münchner »Polizeiruf 110«. Ab 2. Dezember ist er in der ARD-Miniserie »Das Geheimnis des Totenwaldes« zu sehen
Als Festival für Filmschnitt und Montagekunst ist das Kölner »Filmplus-Forum« weltweit einzigartig. Zum 20. Geburtstag gab es sich jetzt den Namen »Edimotion«
Die Duisburger Filmwoche ist das Festival des deutschsprachigen Dokumentarfilms. Ein Festival ohne Premierenanspruch, zu dem aber die Diskussion nach dem Film verbindlich gehört. Eigentlich
Kurz vor dem Start mussten die Nordischen Filmtage in Lübeck komplett online gehen. Trotz schöner Filme – schade für die scheidende Leiterin Linde Fröhlich
Filmkritik
Ein Vater aus ärmlichen Verhältnissen macht sich zu Fuß auf den Weg ins 300 Kilometer entfernte Belgrad, um für das Sorgerecht für seine Kinder zu kämpfen. Mit berstender Ruhe inszeniert Srdan Golubović diesen Roadtrip, in dem Goran Bogdan als schweigsamer, stoischer Held glänzt
Eigentlich sollte aus der Ausgangsidee ein Krimi werden, aber dann schwenkten Drehbuch und Regie zur Komödie hinüber, dem dominanten Exportgut des französischen Kinos. Michel Blanc als mürrischer Arzt im Bereitschaftsdienst und der Newcomer Hakim Jemili als Fahrradkurier wachsen in einer Weihnachtsnacht zu einem munteren Gespann zusammen, das diverse Notfälle (auch in eigener Sache) behandelt
Die bedächtige Komödie über das Zusammenraufen zweier denkbar unterschiedlicher Charaktere in einer tiefen Lebenskrise – einer kantigen Parfümeurin (Emmanuelle Devos) und ihres launigen Chauffeurs (Grégory Montel) – entwickelt neben den beeindruckenden Darstellern ihren speziellen Reiz aus der Ernsthaftigkeit, mit der über den Geruchssinn reflektiert wird
Ein hochgradig authentischer Berliner Straßenfilm über einen iranischen Juden, der in einer ethnisch gemischten Gang seinen Platz sucht und dabei vergeblich auf religiöse Toleranz hofft. Vor allem das Spiel der zahlreichen Laien ist überzeugend
Selbst eine Aktivistin, dokumentiert Slater Jewell-Kemker seit 15 Jahren die jugendliche Klimaschutzbewegung. Herausgekommen ist eine sehr persönliche tagebuchartige Langzeitbeobachtung, die die Bewegung von ihrer Basis her zeigt
In einem religiösen Zentrum für jugendliche Mütter in Buenos Aires lernt eine junge Novizin zwei 17-jährige Mütter kennen und entwickelt selbst Muttergefühle. Maura Delperos Spielfilmdebüt thematisiert leise-eindrücklich eine Mutterwerdung und entwirft ein Porträt der Weiblichkeit
Auf den Spuren von Pier Paolo Pasolini ist Pepe Danquart ein dichter und vielschichtiger filmischer Essay gelungen, der aus der Bewegung des Reisens Blicke eröffnet sowohl auf die Verwerfungen und Schönheiten Italiens als auch auf die sich heftig bewegende Welt drumherum
Ein Dokumentarfilm mit interessanten Begegnungen und Protagonisten, doch einem thematisch stark eingeschränkten Personenspektrum – und einem unaufgelösten Widerspruch zwischen manifester Filmerzählung und der im Titel behaupteten Einsamkeit der Stadt
Zwischen einer Notunterkunft und der New Yorker Ballroom-Szene entwickelt der Debütfilm eine ungewöhnliche urbane Liebesgeschichte. Das konventionelle Skript steht aber leider einigen interessanten filmischen Entscheidungen im Weg
Mit viel bayerisch subversivem Humor und großer Lust an Ausstattung und Kostüm nehmen Joseph Vilsmaier und Michael Bully Herbig die Fäden des berühmten Volksstücks zwölf Jahre nach ihrem »Der Brandner Kaspar« wieder auf, um dieses Mal von den misslichen Abenteuern des Gevatter Tod mit der irdischen Liebe zu erzählen. Vilsmaier verstarb im Februar dieses Jahres während der Postproduktion
In seinem neuesten interdisziplinären Projekt, das in der Gegend um Matera angelegt ist, gelingt dem Schweizer Regisseur Milo Rau eine erstaunlich gute Verbindung von spirituellem Gleichnis und politischem Lehrstück
In seiner eindrucksvollen Dokumentation und in wunderschönen Bildern erzählt der französische Filmemacher Gilles de Maistre von Kindern aller Kontinente, die mit ihrem unglaublichen Engagement die Welt ein großes Stück besser machen
Eine Ehe zerbricht, nach fast 30 Jahren. William Nicholsons kühler Blick auf ein Paar, das nie wirklich zusammengepasst hat, besticht vor allem durch seine beiden Hauptdarsteller, Annette Bening und Bill Nighy. Deren Spiel ist viel ausdrucksstärker als Nicholsons literarisch überambitioniertes Drehbuch
Als ein Serienmörder, der eine amerikanische Kleinstadt in Atem hält, sein jüngstes Opfer mit einem antiken Dolch attackiert, tauschen Täter und Opfer die Körper. Fortan mordet der Killer im Körper der 17-jährigen Millie all jene, die ihr zuvor das Leben schwergemacht haben, während Millie im Körper des Killers versucht, den Fluch zu brechen. Originell konzipierte Kombination von Körpertauschfilm und Highschool-Slasher-Comedy, die ihr Potenzial allerdings nicht ganz ausnutzt