Köln: 20. Filmplus-Forum
»Searching Eva« (2019). © UCM.ONE
Als Festival für Filmschnitt und Montagekunst ist das Kölner »Filmplus-Forum« weltweit einzigartig. Zum 20. Geburtstag gab es sich jetzt den Namen »Edimotion«
Eine Premiere dürfte auch die hybride Durchführung gewesen sein, die (ganz knapp vor der neuen Vollbremsung des kulturellen Lebens) vom 23. bis 26. Oktober ein lokales Publikum mit angereisten Editor:innen im Kinosaal in Köln zusammenbrachte und online begleitet wurde.
Ehrenpreisträgerin Karin Schöning war wie ihre beiden Laudatoren Gerd Kroske und Thomas Heise persönlich nach Köln gereist, um sich der für eine Editorin ungewohnten Aufmerksamkeit der Bühne auszusetzen. Schöning ist mit über 50 kurzen und langen Filmen eine der bedeutendsten Dokumentarfilmeditorinnen Deutschlands, ihr Handwerk hat sie von der Pike auf (selbstverständlich noch analog) gelernt und von der ausgebildeten Filmkopiefacharbeiterin in den 70ern zielstrebig den Weg zur Schnittmeisterin im Dokumentarfilmstudio der DEFA eingeschlagen. Nach deren Abwicklung kämpfte sie mit dem Betriebsrat um die Rechte der entlassenen Angestellten (allein im Dokumentarfilm 300). Und es gelang ihr, auch im neuen System freischaffend mit den favorisierten Regisseuren weiterzuarbeiten. Neben Heise und Kroske war das vor allem der im April letzten Jahres verstorbene Filmkünstler Heinz Brinkmann, der in Köln auf ihren Wunsch mit der spontanen Vorführung des Films »Die Karbidfabrik« (1988) geehrt wurde.
Unter den 15 für die drei Schnittpreise nominierten Dokumentar-, Spiel- und Kurzfilmen ragte Thomas Heises Lebenswerk »Heimat ist ein Raum aus Zeit« heraus als monumentales Projekt, das (fast) nur anhand materieller Dokumente die Geschichte der eigenen Familie mit dem »großen« Weltgeschehen verbindet. Editor Chris Wright berichtete von den gescheiterten Versuchen, den enormen Materialberg des Heiseschen Familienarchivs ohne chronologische Ordnung zu einem funktionierenden Film zu organisieren. Und er erzählt, wie er Heise dazu drängeln musste, in der letzten Passage des Films wenigstens einmal das Wort »Ich« in den Mund zu nehmen.
Wrights Arbeit war sicherlich ein Favorit. Doch die Dokumentarjury entschied sich für Yana Höhnerbach, deren Montage von Pia Hellenthals »Searching Eva« »uns am Ende gleichermaßen ratlos wie erleuchtet zurück(lässt)«, wie es in der Begründung so schön heißt. Dabei ist es keineswegs nötig, Hellenthals dekonstruktivistisches Antiporträt einer Bloggerin im Ganzen zu mögen, um die Editorinnenleistung mit der aleatorischen Integration unterschiedlichster Bildebenen zu schätzen. Der ebenfalls mit 7500 Euro dotierte Spielfilmpreis ging an Stephan Bechinger und Julia Kovalenko für den schon beim Deutschen Filmpreis in acht Kategorien (darunter auch Schnitt) ausgezeichneten »Systemsprenger«, wobei die beiden kurioserweise nicht gemeinsam, sondern (aus Zeitgründen) in verschiedenen Phasen der Produktion zum Einsatz kamen.
Erstmalig im Wettbewerb konkurrierten dieses Jahr neben Filmen aus Österreich und Deutschland auch Schweizer Produktionen. Zusätzlich trat die Schweiz mit dem Besuch von Tania Stöcklin auch als diesjähriges »Gastland« an. Stöcklin hat ihre berufliche Laufbahn als Spielfilmregisseurin begonnen, bevor sie ihre Leidenschaft für die Montage von Dokumentarfilmen entdeckte. Bis zu seinem Tod 2014 arbeitete sie eng mit dem Dokumentarfilmer Peter Liechti zusammen. Ein Themenspecial gab es unter dem Schlagwort »Edi-Motion« zum Umgang der Montage mit der Bewegung selbst in den Bereichen Tanz, Leistungssport und Boxen.
Bonuseffekt der virtuellen Variante war eine so bisher nicht möglich gewesene internationale Präsenz, die mit Teilnehmenden aus 29 Ländern Rekordwerte erreichte. Bei einem Panel zum US-Dokumentarfilm »Welcome to Chechnya« konnten so erstmalig auch vier Filmschaffende aus den USA präsent sein. Thema war der aufwendige Einsatz der umstrittenen Deepfake-Technologie zum Schutz von Protagonist:innen des Films, der die Bemühung zur Rettung verfolgter Homosexueller und Transgender-Personen aus Tschetschenien begleitet. Diese Möglichkeit wird sicherlich dankbare Nachahmer finden.
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