02/2020

In diesem Heft

Tipp

Eine kleine, liebevoll verbundene Familie ringt mit prekären und unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Mit großer Zärtlichkeit sammelt Ken Loach feine Beobachtungen des Arbeits- und Familienalltags, macht aber auch den ungeheuren Druck spürbar, der dieser hart arbeitenden Familie die Luft zum Atmen nimmt
Auf »The Young Pope« folgt »The New Pope«: Paolo Sorrentino setzt seine im Vatikan spielende Drama-Serie fort, erneut schillernd zwischen den Genres Workplace-Sitcom und Familienkomödie, Mafiaepos, Gesellschaftssatire und opulente Rockoper
25. Februar bis 8. März, Porto – In der portugiesischen Haupt- und Hafenstadt Porto feiert das Festival für fantastischen Film seine 40. Ausgabe. Schon im großen internationalen Wettbewerb finden sich einige Filme aus Ländern wie Korea oder den Philippinen. Diesen nationalen Kinematographien wird in der Sektion »Orient Express« explizit noch einmal Raum in einer kompetitiven Sektion gegeben.
20. Februar bis 1. März, Berlin – Mit Jury-Präsident Jeremy Irons und einem neuen Führungsduo startet das größte deutsche Filmfestival ins neue Jahrzehnt. Wettbewerbsfilme außer Konkurrenz gibt es nun nicht mehr, stattdessen laufen solche Filme, wie etwa Matteo Garrones »Pinocchio«, in der Sektion »Berlinale Special Gala«. Auch in das aktuelle epd-Film-Heft fließt das Festivalprogramm ein, in Form einer Rückschau auf das Werk von King Vidor, dem eine Retrospektive gewidmet ist, einer Nahaufnahme der kommenden Ehrenpreisträgerin Helen Mirren und zweier Jubiläumsstrecken: Die Berlinale wird 70, das Form schaut auf sein erstes Programm vor 50 Jahren zurück.
24. Januar bis 18. Februar, Berlin – Er schrieb für Jan Schmidt, Karel Zeman und Věra Chytilová. Pavel Juráček gehörte als Autor zu den maßgeblichen Erneuerern des tschechoslowakischen Kinos in den 60er Jahren. Als 1971 neostalinistische Machthaber das Ruder übernahmen, wurden seine Filme indiziert, und es erging ein Arbeitsverbot. Auch als Regisseur verantwortete Pavel Juráček zwei Filmprojekte, die Teil der umfassenden Werkschau des Zeughauskinos sind.
28. Februar bis 1. März, Bayreuth – Seit über 20 Jahren findet in Bayreuth das Kurzfilmfestival »kontrast« statt. Das diesjährige Sonderthema trägt den Titel »Jetzt erst recht!«, entsprechend sollen die gezeigten Filme eine gewisse trotzartige Haltung zeigen. Freitags und samstags, inklusive der Preisverleihung am Abend, wird ein erwachsenes Publikum angesprochen, am Sonntag gibt es vor allem Kinderfilmprogramm sowie einen abschließenden Highlight-Filmblock.
6. Februar, Köln – Das Filmbüro Nordrhein-Westfalen lädt im Rahmen eines eintägigen Symposiums ein, den Zustand der deutschen Filmlandschaft zu reflektieren. Es geht dabei explizit darum, die schwierige Lage der Branche in allen Bereichen zwar anzuerkennen, aber positive Utopien für die Zukunft zu entwickeln. Über kreative und technische Rahmenbedingungen soll ebenso gesprochen werden wie über die Natur einer solidarischen und aufregenden Filmkultur. Erwartet werden Gäste aus Praxis, Wissenschaft und Presse, um auch im Austausch mit dem Publikum Zukunftsvisionen anzuregen.
28. Januar bis 1. März, Berlin – In diesem Jahr nimmt sich das Berliner Festival Transmediale des Konzepts von Netzwerken an. Digitale und nichtdigitale Formen von Netzwerken sollen reflektiert und mögliche Zukunftsvisionen aufgezeigt werden. Das Film- und Videoprogramm bietet zwei Schwerpunkte: Isolation und Einsamkeit durch mobile Kommunikation und soziale Medien sowie das Verhältnis zwischen künstlicher Intelligenz und menschlichem Verhalten. Das Programm konzentriert sich auf die erste Festivalwoche, die dazugehörige Gruppenausstellung »The Eternal Network« ist aber noch bis 1. März im Haus der Kulturen der Welt zu sehen.
26. Januar bis 16. Februar, Frankfurt – Mitte der 1990er Jahre wurde das Festival gegründet, um ein realistisches Bild von Afrika zu liefern. Dafür wurde und wird nicht nur das filmische Medium genutzt, es werden auch Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen organisiert. Zur Eröffnung des Festivals gibt etwa die kongolesische Sängerin Gasandji ein Konzert. Ein signifikanter Teil des Programms besteht aus aktuellen Langfilmen; ein Kurzfilmprogramm und eine Zusammenstellung restaurierter Filme finden ebenfalls ihren Platz.
31. Januar bis 8. Februar, Clermont-Ferrand – Das nach eigenen Angaben größte Kurzfilmfestival der Welt ist in der Landesmitte Frankreichs zu Hause. In einem nationalen und einem internationalen Wettbewerb konkurrieren Filme aus Tausenden von Einreichungen. Außerdem gibt es umfangreiche Sonderprogramme, von einer Reihe zum polnischen Kurzfilmschaffen der letzten zehn Jahre über eine Retrospektive zum Leben auf dem Land bis hin zu Programmen, die sich mit einflussreichen Kurzfilmschaffenden wie Olivier Smolders beschäftigen.

Thema

Die Berlinale hat ihre Retro King ­Vidor gewidmet: einem der ganz großen ­Regisseure des klassischen Hollywood. Aber warum ist der Mann nicht so ­bekannt wie John Ford und Howard Hawks? Norbert Grob über ein schwer zu fassendes Werk
Er hat etwas Ernstes, Fokussiertes. Es geht oft um alles – wie aktuell in Terrence Malicks stillem Widerstandsdrama »Ein verborgenes Leben«. Dabei würde August Diehl gern mal in einer Komödie spielen
Es gibt viele Filme über ­den Holocaust – Was selten in den Blick kommt, ist der »alltägliche« Antisemitismus: Vorurteile und Diskriminierung, die seit ­Jahrhunderten wirken, selbst noch in Gesellschaften, die sich als aufgeklärt verstehen. Eine Spurensuche anlässlich des Starts von Polanskis »Intrige«
»Ausweitung der Kampfzone« – Immer mehr Streaminganbieter konkurrieren um die Zeit des Zuschauers. Müssen wir mit Opfern rechnen?
Unsere "steile These" des Monats Februar
Die Rollen der Herrscherinnen, von ­Katharina der Großen bis zu Elisabeth II., haben Helen Mirren gewissermaßen zur Königin des Schauspiels gemacht. Der Kampf gegen die Abziehbilder, die sich Männer von Frauenrollen machen, bildet ein wiederkehrendes Thema in ihrer 50 Jahre währenden Kinokarriere

Meldung

Filmkritik

Mal platt, mal feinsinnig, wird in dieser Sittenkomödie eine Frau mit Helfersyndrom porträtiert, wobei es dank der großartigen Hauptdarstellerin Agnès Jaoui gelingt, manche politisch fragwürdigen Untiefen zu umschiffen
Eine kleine, liebevoll verbundene Familie ringt mit prekären und unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Mit großer Zärtlichkeit sammelt Ken Loach feine Beobachtungen des Arbeits- und Familienalltags, macht aber auch den ungeheuren Druck spürbar, der dieser hart arbeitenden Familie die Luft zum Atmen nimmt
Ein Mann geht zu weit. Der isländische Regisseur Hlynur Palmason demonstriert in seinem zweiten Spielfilm, wie Trauer in Rache umschlägt. Ingvar Sigurdsson brilliert in der Rolle des suspendierten Polizisten, der den Liebhaber seiner verstorbenen Frau stellt
Nur auf den ersten Blickt wirkt alles alltäglich. Eigentlich will Jette zum Flughafen, um in Costa Rica ein freiwilliges soziales Jahr anzutreten. Doch auf der Fahrt kommt einiges dazwischen. Ulrich Köhler und Henner Winckler gelang ein vielschichtiger Film über ein Vater-/Tochterverhältnis
Louisa May Alcotts bereits vielfach verfilmtes Buch über vier Schwestern im Neuengland des 19. Jahrhunderts inszeniert Greta Gerwig liebevoll als so energetische wie stoffliche Coming-of-Age-Geschichte zwischen Träumen und gesellschaftlicher Realität, Romanfiktion und filmischer Erzählung. Visuell wundervoll, sagt jedes Bild, jede Konstellation und Farbe etwas über die Figuren, an deren Seite man hofft und bangt
Ein Jahr vor dem Weinstein-Skandal wurden die Missbrauchsfälle beim rechten US-Sender Fox News bekannt, dessen CEO Roger Ailes systematisch Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hatte. Mit Charlize Theron, Nicole Kidman und Margot Robbie großartig besetztes Drama
Good Cop Andre (Chadwick Boseman) jagt eine Nacht zwei Kleindealern im abgeriegelten Manhattan hinterher und merkt schnell, dass nicht sie die Verbrecher sind, sondern die Kollegen des kompletten Polizeireviers. Solider Actionthriller von Brian Kirk ohne Überraschungen
In seinem jüngsten Film erzählt Terrence Malick vom oberösterreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der von den Nazis hingerichtet wurde, weil er sich aus religiösen Gründen dem Wehrdienst verweigerte. Als Zuschauer muss man indes nicht gläubig sein, um diesen Film als kostbares Geschenk zu verstehen. Er entfaltet die Geschichte einer reinen Seele und eines Menschen, der bis zuletzt wertekonform handelt und dadurch zum Außenseiter wird in einer Gemeinschaft potentiell violenter Konformisten
In seinem kraftvollsten und wichtigsten Film seit langem vollzieht Roman Polanski detektivisch genau und mit größter Nüchternheit die Affäre Dreyfus nach, die Frankreich um 1900 zutiefst erschütterte, und entdeckt im verheerenden Wirken von Antisemitismus und Machtmissbrauch erstaunliche Parallelen zu heute
Mit ihrem Animationsfilm gelingt Ute von Münchow-Pohl eine nicht durchweg originelle Neuinterpretation der Heinzelmännchen-Sage
Überzeugend gespieltes und präzise beobachtetes holländisch-deutsches Melodram, das die hochaktuelle Thematik der Demenzerkrankung aus der Sicht einer Grundschülerin aufrollt
Inspiriert von einem wahren Fall, entwirft Rosa von Praunheim das Psychogramm eines Mörders, der Männer mit einem Drogencocktail tötet. Am stärksten ist der wild durch die Jahrzehnte springende Film, wenn er sich auf die Beziehung zwischen den schwulen Männern und auf seinen schwer greifbaren Protagonisten konzentriert
Fast dokumentarisch anmutender Spielfilm über die Verhaftung und Verurteilung zweier Norweger im Kongo. Die Uneindeutigkeit des Verbrechens übernimmt Regisseur Marius Holst in die Inszenierung und lässt den Zweifel bestehen. Die Empörung aber ist gleichermaßen groß
Nette Idee, gute Besetzung, laue Umsetzung: Maren Kroymann, Heiner Lauterbach und Barbara Sukowa als Großeltern for hire kommen mit bestem Schauspiel nicht gegen das klischeebeladene Drehbuch an
Zwei Kinder werden mit der ungeliebten Stiefmutter in einer einsamen Berghütte eingeschneit. Plötzlich beginnen merkwürdige Dinge im Haus vorzugehen – ist womöglich der rachsüchtige Geist der verstorbenen Mutter am Werk? Etwas verworrener Horrorfilm, der seinem allzu typischem Setting dank hervorragender Inszenierung allerdings doch einigen Schrecken zu entlocken vermag
Ein von Schuld getriebener Mann und eine trauernde Frau nähern sich allmählich an – ihre Schicksale sind miteinander verknüpft. Visuell beeindruckend und atmosphärisch dicht, bleibt der Film dramaturgisch zu sehr ein intellektuelles Gedankenspiel, um auch emotional zu berühren
Angesichts ihres Themas – der schwierigen Annäherung zweier entfremdeter Brüder, nachdem bei dem älteren ein Tumor entdeckt wurde – mutet der Titel von Valeria Golinos zweiter Regiearbeit paradox, ja leichtfertig an. Aber sie löst ihn mit großer Sensibilität ein. Ihre exzellent besetzte (Valerio Mastandrea, Riccardo Scarmarcio) Tragikomödie schlägt poetische Funken aus der Konfrontation unterschiedlicher Lebensauffassungen, bei der Schmerz und Trauer nicht das letzte Wort behalten
Dem gestandenen österreichischen Dokumentarfilmer Johannes Holzhausen gelingen gründliche dokumentarische Einsichten in den Versuch, die untergegangene rumänische Monarchie mit den Methoden moderner PR zu restaurieren
Die Dokumentarfilmerin Aysun Bademsoy hat einen längst fälligen, vielschichtigen, starken und berührenden Film für alle und mit einigen der Hinterbliebenen der NSU-Morde gedreht
Wie aus Sorge, der bereits mehrfach verfilmte Stoff könnte trotz Robert Downey Jr. in der Hauptrolle nicht unterhaltsam genug sein, hat man die Handlung überfrachtet und führt zu viele Figuren ein. Das Ergebnis ist ein zwar passabler Familienfilm, den man aber schnell vergessen hat
Ein korrupter Polizist soll der Mafia helfen, einen Unternehmer aus dem Gefängnis zu befreien, und verfängt sich dabei in einem Netz aus Lügen. Corneliu Porumboiu verbeugt sich vor den Klassikern des Film Noir und inszeniert ein ironisch-amüsantes Genrepastiche, das sich zugleich als Kommentar auf das Verhältnis zwischen West- und Osteuropa lesen lässt
Eine filmische Masterclass voller Erstaunen, Stolz und Selbstironie: Agnès Varda zieht die Bilanz ihres Lebenswerks. Die zierliche Dame mit dem keck gefärbten Pilzkopf nennt dies eine Plauderei. Aber für die Filmemacherin, Fotografin und bildende Künstlerin ist das Persönliche stets unauflöslich mit der Gesellschaft verbunden. So erzählt ihr Selbstporträt auch von der Zeitgeschichte, die sie mit wachsamer Phantasie begleitet hat
Die bösen Buben sind in die Jahre gekommen: Der neueste Eintrag im legendären Testosteron-Reaktor »Bad Boys« versucht Action und Krawall mit gegenwärtigen Sensibilitäten unter einen Hut zu bringen. Das Ergebnis ist eine Art verkehrtherum getragene Basecap-Zipfelmütze mit Bommel
Ein weltumspannender Dokumentarfilm, der der Frage nachgeht, warum wir dem Alkohol so verfallen sind. Andreas Pichler lässt die eigene Familiengeschichte hinter sich, einzig um unmissverständlich festzustellen, dass Alkohol eine gefährliche und letztlich tödliche Droge ist

Film