Kritik zu Little Women
Greta Gerwig inszeniert in ihrer Neuverfilmung den vielgelesenen Mädchenliteraturklassiker von Louisa May Alcott als ungeheuer vitale, feministisch gesinnte Coming-of-Age-Geschichte
Der Roman »Little Women«, 1868/69 in zwei Teilen erschienen, erzählt von den vier Schwestern Jo, Beth, Amy und Meg, deren Talente und Lebensträume sich an den Zwängen eines Frauenlebens in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Neuengland reiben. Hollywood hat das Buch bereits mehrfach adaptiert, sei es mit Katharine Hepburn (1933) oder Winona Ryder (1994) als Jo, oder mit Elizabeth Taylor als Amy (1949); zudem gehen etliche Fernsehverfilmungen auf die literarische Vorlage zurück. Nun hat sich Greta Gerwig, in ihrer zweiten Solo-Regiearbeit nach »Lady Bird«, des Stoffs angenommen und eine zauberhafte Coming-of-Age-Geschichte inszeniert.
In der Eingangsszene von »Little Women« ist bereits vollständig enthalten, worum es hier geht. Die junge Jo (Saoirse Ronan) hegt Ambitionen als Schriftstellerin, doch als sie ihre neue Geschichte an einen New Yorker Zeitungsverleger verkauft, wird sie selbstredend übervorteilt und noch dazu belehrt: Die Heldin ihrer nächsten literarischen Arbeit habe am Ende gefälligst verheiratet zu sein »oder tot«, so ordnet Mr. Dashwood (Tracy Letts) an. Er zahlt gewöhnlich 20 bis 30 Dollar für eine Kurzgeschichte, Jo March muss sich mit 20 Dollar begnügen – sie ist nur eine Frau und dazu unerfahren. Doch Jo ist entschlossen, ihr eigenes Geld zu verdienen. Überschäumend vor Freude über das eigene Honorar springt sie auf dem Gehweg entlang.
Von Beginn an ist Gerwigs Film erfüllt von einer schier unerschöpflichen Energie, die sich nicht allein im Bewegungsdrang und im Kommunikationsbedürfnis der vier Protagonistinnen äußert, sondern auch stofflich materialisiert: Das Rauschen der Gewänder erfüllt die Szenerien mit einem Grundton permanenten Aufbruchs und vielversprechender, noch unerfüllter Erwartungen zu einer Zeit, in der die Möglichkeiten für Frauen äußerst begrenzt waren. Die Charakterstudien, die Alcott in den vier Schwestern angelegt hat, sind von den Darstellerinnen perfekt umgesetzt: Beth (Eliza Scanlen) ist die musikalisch begabte, aufopfernde, Amy (Florence Pugh) die nach einem Leben als bildende Künstlerin strebende, egoistische, Meg (Emma Watson) die eher konventionelle, sehr hübsche, und Jo (Ronan) die jungenhafte und rebellische »kleine Frau« in einem Haushalt, in dem die Männer meist abwesend sind (der Vater dient im Bürgerkrieg). Gerwig inszeniert das Leben in diesem Frauenhaus als intimen Alltagsmikrokosmos innigen Miteinanders – dies in der Zuneigung wie im geschwisterlichen Streit – und tätiger Nächstenliebe.
Erzählt ist das Ganze aus der Perspektive von Jo March, dem Alter Ego der Autorin Louisa May Alcott, und zwar basierend auf dem Roman wie auch auf den persönlichen Schriften Alcotts. Dabei wechselt die Regie mühelos zwischen literarischer Fiktion und Realität und den beiden Zeitebenen hin und her, zwischen denen sieben Jahre liegen, in denen aus den Mädchen Erwachsene werden.
Gerwig reklamiert mit »Little Women« erneut die Position als Regisseurin von Frauenbildern und weiblicher Selbstvergewisserung. Ihre Inszenierung kann man nur makellos nennen: Jedes Tappeln der Füße, jedes beiläufige Hinstrecken auf einem Fauteuil, erst recht die Choreographie der gegenseitigen nachbarlichen Besuche, die Anordnungen von Kleiderfarben im Defilee wirkt bewusst gesetzt, sagt etwas über die Figuren. Köstlich wirkt die Besetzung bis in die Nebenrollen, etwa wenn Meryl Streep als Tante March einmal Jo gegenüber, der sie zu reicher Heirat rät, äußert, sie selbst habe nicht heiraten müssen, weil sie ja schon sehr reich sei.
Darum geht es in letzter Konsequenz: um die wirtschaftliche Existenz von Frauen, um die Chancen ihrer Sicherung. Hierin aber ist Gerwig unendlich großzügig, wenn sie die Versorgungsehe zwar kritisch mit dem emanzipatorischen Blick von Jo betrachtet, den ökonomischen Bund durch die Inszenierung aber nicht verächtlich macht. Immer steht Gerwig auf der Seite der vier Frauen, welchen Weg einzuschlagen sie sich auch gehalten sehen.
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