Kritik zu Bombshell – Das Ende des Schweigens
Der Missbrauchsskandal in der Schaltzentrale des reaktionären Fernsehsenders Fox News zeigt Empathie für politisch fragwürdige Karrierefrauen im Kampf gegen toxische, männerdominierte Machtstrukturen
Der private US-Fernsehsender Fox News ist in der Trump-Ära zum wichtigsten medialen Verbündeten und Sprachrohr des US-Präsidenten geworden. Mit seiner reaktionären Agenda liefert der Fernsehsender rechte Propaganda für jene, die etwa den Klimawandel für Fake News halten. Ausgerechnet hier wurden 2016 sexuelle Belästigungen durch den CEO Roger Ailes an Mitarbeiterinnen aufgedeckt, ein Jahr vor den Vorwürfen gegen Harvey Weinstein. Bereits dieser Skandal hätte also die #metoo-Bewegung ins Rollen bringen können. Dass dem nicht so wahr, lag wohl auch daran, dass die Anklägerinnen für stramm rechte und oft antifeministische Positionen standen, die sie auf ihrem Sender tagtäglich lautstark verkündeten, womit sich viele Liberale nicht assoziieren wollten. Doch genau das macht den Stoff so interessant, den »Bombshell« nun nacherzählt.
Anders als jüngst der Sky-Mehrteiler »The Loudest Voice«, der sich ganz um den Täter drehte, rückt »Bombshell« nun die Frauen und ihre Perspektive ins Zentrum. Doch wie nachahmenswerte Heldinnen wirken die Protagonistinnen Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und Megan Kelly (Charlize Theron) und ihre Fox-Kolleginnen darin allesamt nicht. Zu ehrgeizig und skrupellos haben sie ihre Karrieren im Blick, eher auf sich bedacht im Wettbewerb um Bildschirmpräsenz und wenig solidarisch untereinander. Fragwürdig auch, wie sie in einem toxischen Umfeld eine rechte Politik gegen eigene Interessen verteidigen. Doch so widersprüchlich sie sind, zollt der Film ihnen Respekt und stellt weiter reichende Fragen über Ausbeutung, Selbstbehauptung und Loyalität, die so oder ähnlich auf zahllose andere Arbeitsverhältnisse zutreffen dürften.
Das von Charles Randolph (»The Big Short«) geschriebene und von Jay Roach (»Trumbo«) inszenierte Drama funktioniert dabei streckenweise wie eine Einführung in die Causa Ailes, der nach Jahren als Medienberater für Nixon, Reagan und Bush 1996 für Rupert Murdoch den Sender Fox News konzipierte und extrem erfolgreich führte. Er nutzte seine Machtposition aber auch, um systematisch Mitarbeiterinnen sexuell zu belästigen. Roach inszeniert das mit visuellen Referenzen auf die effektheischende Infoästhetik des News-Senders mit Schriftzügen im Bild, schnellen Schnitten und Therons Kelly als eine Art Host, die durch die Geschichte führt und das Kinopublikum immer wieder direkt adressiert.
Theron und Kidman sind wenig überraschend brillant als eiskalte Player in diesem Haifischbecken, verblüffend ist dagegen John Lithgow, sonst meist als gutherziger Kauz besetzt, der hier als Roger Ailes einen der abgründigsten Bösewichter unserer Tage gibt. Manche Szene ist nur schwer erträglich, wenn er etwa Neuzugang Kayla Pospisil (Margot Robbie) vermeintlich auf Fernsehtauglichkeit prüft und sie dabei hinter verschlossenen Türen nötigt, mehr als nur ein bisschen Bein zu zeigen. Was sich da in Robbies Gesicht zwischen verdutzter Ungläubigkeit und Hilflosigkeit, Demütigung und Schmerz abspielt, brennt sich in die Erinnerung ein. Ihre Figur ist dann im Laufe des Films in ihrer Ambivalenz auch die interessanteste dieses Frauentrios, auch wenn sie anders als Therons und Kidmans eine fiktive, aus mehreren Zeuginnen zusammengesetzte ist.
Die große Stärke an »Bombshell« jedoch ist gerade, wie eng Charaktere und Handlung an die realen Personen und Ereignisse geknüpft sind. Gleich zu Beginn heißt es, der Film sei von realen Ereignissen inspiriert. Spielszenen werden mit echten Nachrichtenbildern unterfüttert, zwischendurch Aussagen realer Opfer mit Klarnamen gezeigt. Kelly, die nicht mit dem Film involviert war, bestätigte jüngst bis auf einige Details die Darstellung.
Der Infoblock im Abspann ist bitter. Die Opfer erhielten 2016 zwar 50 Millionen Dollar; Roger Ailes wurde entlassen, jedoch mit einer Entschädigung in Höhe von 40 Millionen Dollar verabschiedet.
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