Streaming-Tipp: »The Loudest Voice«
»The Loudest Voice« (Serie, 2019). © Showtime/Sky
Die Vergangenheit rückt näher, zumindest in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Für eine ganze Weile galt in Hollywood die Devise: Wer etwas über amerikanische Politik oder damit verknüpfte Gesellschaftsumbrüche erzählen will, knüpft sich am besten die 60er Jahre vor. Kennedy, King, notfalls noch Nixon, das ging immer. Spätestens mit dem Amtsantritt von Präsident Trump allerdings ist jene Ära als Referenzgröße offensichtlich überflüssig geworden. Inzwischen blickt man in Film und Fernsehen lieber weniger weit zurück, man ist – siehe »The Looming Tower« oder »Vice« – in den Zeiten von George W. Bush angelangt.
Wenn nun »The Loudest Voice«, eine unter anderem von Tom McCarthy kreierte und von Jason Blum für den US-Sender Showtime produzierte siebenteilige Serie einsetzt, ist es noch Bill Clinton, der an der Macht ist. 1996 tut sich der fernseh- und politik-erprobte Roger Ailes (Russell Crowe) mit Rupert Murdoch zusammen, um den Nachrichtensender Fox News aus dem Boden zu stampfen. Spätestens fünf Jahre darauf, unter Bush junior und in den Nachwehen der Terroranschläge des 11. Septembers, schlägt die große Stunde des anfangs von der Konkurrenz belächelten, sich vor allem an konservative Zuschauer richtenden Programms.
Schon nach zwei Episoden der Serie ist Fox News der meistgesehene Nachrichtensender im amerikanischen Kabelnetz, im Verlauf widmet sich »The Loudest Voice« auch Ailes' hasserfüllter Obsession mit Barack Obama, gegen den seine Moderatoren hetzen wie nie zu vor, und seiner Freundschaft mit Donald Trump, an dessen anfangs unerwarteter Präsidentschaftskandidatur der Fernsehmann wohl nicht ganz unschuldig gewesen ist. Und immer wieder geht es natürlich auch um Ailes' Privatleben: die dritte Ehe mit seiner treu ergebenen früheren Mitarbeiterin Beth (Sienna Miller), aber vor allem die Affären, Belästigungen und Missbrauchsfälle, über die er 2016 schließlich, angestoßen von einer Klage der Moderatorin Gretchen Carlson (Naomi Watts), stürzte.
All das basiert auf dem Sachbuch »The Loudest Voice in the Room« von Gabriel Sherman (das wiederum selbst in der Serie auch Thema ist) und ist ohne Frage interessant. Besonders für ein deutsches Publikum, dem der Name Roger Ailes eher kein Begriff ist und das um die erschütternd einflussreiche Wirkungsmacht eines schreihalsigen Kabelsenders auf den Politbetrieb der USA nur vom Hörensagen weiß. Nicht ohne Grund widmet sich mit »Bombshell« [Trailer] in Kürze auch ein Kinofilm dem Fall Ailes.
»The Loudest Voice« hat allerdings – neben Hauptdarstellern und Maskenbildnern, die jeweils nicht viel von Subtilität zu halten scheinen – das Problem, dass die Serie (zu deren Regisseuren auch Stephen Frears und Scott Z. Burns gehören) nichts weiter tut, als das Geschehene abzubilden. Verweise auf die Gegenwart werden unschwer erkennbar eingestreut, aber eine tatsächliche Einordnung oder Kommentierung findet nicht statt. Was auch daran liegt, dass sie sich auf Ailes' Perspektive konzentriert, nicht auf die der Frauen in seinem Leben.
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