01/2014

Themen:

Aus einem wilden Land
Wie der Autorenfilmer Jia Zhan-ke China porträtiert

Der Mann, der John Wayne erschoss
Bruce Dern feiert mit Nebraska ein tolles Comeback

Schwarze Geschichte
Steve McQueens 12 Years a slave und das New Black Cinema: kritische Blicke auf Amerika

Außerdem im Heft: Holocaust-Dokumentationen, Herr der Ringe - Karrierekiller, Robert Redford in All is Lost und weitere Kritiken

In diesem Heft

Tipp

Das Erweckungserlebnis kam in frühen Jahren mit Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE: Da merkte der Däne Nicolas Winding Refn: »Filme müssen nicht normal sein!« In seiner einstündigen Dokumentation NWR bietet Laurent Duroche Einblicke in das Universum eines radikalen Regisseurs, der jedes seiner Werke zu einem Anschlag auf die Sinne macht, ganz unmittelbar und physisch.
Die Cinémathèque française in Paris rekonstruiert in der Ausstellung »Pasolini Roma« die italienische Hauptstadt als Brennpunkt von Leben und Werk Pier Paolo Pasolinis

Thema

Er ist seit fünfzig Jahren im Geschäft. Anfangs starb er schreckliche Filmtode. Dann hat er für Roger Corman aufs Gas getreten, tanzte durch die Depression und war mit den letzten Pflanzen im All unterwegs. Das Mädchen hat er nie bekommen, auch nicht die ganz großen Rollen. Jetzt ist Bruce Dern wieder da. Ein Porträt von Kai Mihm.
Der Regisseur Jia Zhang-ke ist der prominenteste Vertreter des aktuellen chinesischen Arthouse-Kinos. Als Angehöriger der »sechsten Generation« chinesischer Filmemacher pflegte er lange einen unmittelbaren, rauen, am Neorealismus geschulten Stil. Mit seiner neuen Arbeit "A Touch of Sin" scheint er freilich an einen Wendepunkt gekommen zu sein. Gerhard Midding über Jia Zhang-kes Handschrift und seine charakteristischen Themen.
In den USA spricht man längst von einer »New Wave of Black Cinema«: Eine erstaunliche Zahl an aktuellen ­Filmen von und mit Schwarzen reflektiert auf ver­schiedenste Weise schwarze Themen und rassistische ­Politik, quer durch die Geschichte. Und ihr Erfolg be­feuert große – doch nicht ganz neue – Hoffnungen. Von Patrick Seyboth

Meldung

Unter neuer Leitung: Das 31. Filmfestival Turin präsentierte ein starkes Programm, dessen Filme auf Subtilität und feine Beobachtungsgabe setzten.

Filmkritik

Die österreichische Dokumentarfilmerin Barbara Eder besuchte ausgewiesene Profiler, die in den USA, Europa und Afrika ihrem düs­teren Geschäft nachgehen. Bei allen Besonderheiten ihres jeweiligen gesellschaftlichen Umfelds stellen sie sich die gleichen Fragen: Was löst die Einfühlung ins Denken von Serienmördern in ihrer Psyche aus?
Die Erfindung der Medizin als großes Heldenabenteuer im Schmelztiegel der toleranten persischen Hochkultur des Mittelalters. Der deutsche Regisseur Philipp Stölzl verfilmt den gleichnamigen Bestseller aus dem Jahr 1988 von Noah Gordon als großes Märchenspektakel und setzt dabei ganz auf das islamistische Schurkenschema
Bruce Dern als großartiger Don Quijote des Mittleren Westens. In melancholischen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt Alexander ­Payne eine Vater-Sohn-Geschichte als tragikomisches Roadmovie über den Zusammenhang von Realität und Mythos. In diesem verkappten Western, der in verfallenden Kleinstädten nach dem anständigen Amerikaner sucht, brilliert neben Dern vor allem Stacey Keach als superber Bösewicht
Spike Lees ambitioniertes Remake des koreanischen Films von Park Chan-wook aus dem Jahr 2003 deckt die Schwächen eines vielleicht doch nicht ganz so gut gealterten Bildersturms auf – denn das Bemühen, die Ungereimtheiten der Vorlage durch eine plausiblere Dramaturgie zu korrigieren, trägt nicht unbedingt zum Funktionieren des Remakes bei
In Mittelerde nichts Neues: Peter Jackson erfüllt im zweiten Teil der Hobbit-Trilogie die Erwartungen, dies aber auf handwerklich hohem Niveau. Längen hat das dreistündige Abenteuerspektakel trotz eines etwas ausgewalzten Kampfes mit dem feuerspeienden Drachen nicht wirklich, zumal es dem Neuseeländer gelingt, eine unvergleichliche Atmosphäre zu erschaffen, wie sie in keiner anderen Hollywood-Großproduktion zu finden ist
Drei Flüchtlinge, der eine aus dem Jemen, der andere aus Kamerun und der dritte aus dem Iran, hat es ins brandenburgischen Belzig verschlagen. Der Dokumentarfilm zeigt in vielerlei Begegnungen der drei Männer mit ihrer Umgebung, mit deutschen Behörden und Bekannten, wie schwer sich die Bundesrepublik und ihre Einwohner mit Fremden tun – und wie wenig sie sich daraus machen
Die Hintergründe des Oktoberfestattentats von 1980 sind bis heute ungeklärt. »Der blinde Fleck« von Daniel Harrich stellt die Ereignisse aus der Sicht des damals recherchierenden Journalisten Ulrich Chaussy nach und folgt dabei den Regeln des klassischen Politthrillers, nach denen die Staatsorgane die Wahrheit vertuschen und nur ein aufrechter Reporter hartnäckig nachbohrt
Andrzej Jakimowski schafft es in seinem einfühlsamen Film, über den Klang eine imaginierte Welt hervorzurufen, die dem Blinden als Orientierung dienen kann – ohne dabei auf der visuellen Ebene langweilig zu werden
Steve McQueens Verfilmung eines autobiografischen Berichts aus der Mitte des 19. Jahrhunderts macht auf sehr subtile Weise vieles anders als andere Filme zum Thema Sklaverei in den USA. Mit seiner deutlichen, aber nie sentimentalen Erzählweise zeigt er die Barbarei der Gewaltverhältnisse in den Südstaaten dieser Zeit als ebenso destruktiv wie unentschuldbar
Die systematische Ermordung von zwei Millionen jüdischer Zivilisten durch deutsche Spezialeinheiten an der Ostfront ab 1941 rekons­truiert dieser Film durch Zitate aus Briefen, Tagebüchern und Protokollen. Auf der Bild­ebene versucht er dabei, mit Verfremdungen zu arbeiten, was ihm nicht immer gelingt
Eine Teenagerin besucht ihre Tante, die als Folkmusikerin in Baltimore lebt. Diese ist dabei, sich von ihrem Mann zu trennen. Betont ruhiger Low-Budget-Film, der durch seinen poetischen Realismus beeindruckt, trotz des emotionalen Themas aber eher kalt lässt
Hübscher Horrorfilm über den ganz normalen Teiltag einer erstaunlich großen Familie. Ein auf vielen Ebenen beglückendes Debütstück des jungen Regisseurs Ramon Zürcher
Nach einer Auseinandersetzung zwischen seiner Tochter und einem Mitschüler gerät ein ehemaliger Undercover-Agent ins Visier eines Drogenbosses. Gary Fleders melancholischer Actionfilm, zu dem Sylvester Stallone das ebenso geradlinige wie tiefgründige Drehbuch geschrieben hat, setzt auf bekannte Motive und Situationen, gibt ihnen aber eine neue Dimension
Allzu bemüht und didaktisch kommt das Drama über zwei Brüder und die dunklen Schatten ihrer von Gewalt geprägten Kindheit daher. Trotz kluger Reduktion auf den titelgebenden Schauplatz und trotz spannender Konflikte entwickelt der zweite Film von Florian Eichinger nach "Bergfest" so nur wenig Kraft
Ein Jahr nach Jan Hafts "Das grüne Wunder – Unser Wald" geht der französische Regisseur Luc Jacquet mit dem Biologen Francis Hallé in den tropischen Urwald, um dessen Schönheiten und Ökologie zu zeigen. Das gibt tolle Bilder – und Erklärungen, die eher im Anekdotischen bleiben, statt zu überzeugen
Julia von Heinz zeichnet ein differenziertes und widersprüchliches Bild des komplexen Wurzelwerkes, das Deutsche und Israelis heute, nach drei Generationen Vergangenheitsbewältigung, verbindet
Die außergewöhnlich ideenreich erzählte, tragische und wahre Geschichte eines rumänischen Staatsbürgers, der zu einem polnischen Justiz­opfer wurde, ist nicht nur eine Perle des Animationsgenres, sondern auch ein engagiertes Plädoyer für die Menschenrechte. In vieler Hinsicht ein Meisterwerk!
Robert Redford brilliert als schiffbrüchiger Segler, der im Indischen Ozean acht Tage lang ums Überleben kämpft. »All Is Lost« ist reduziertes, hochkonzentriertes, sehr physisches Kino, das fast ohne Worte auskommt
Peter Thorwarth schickt mit bewährtem Gespür für die Verlierer des Lebens zwei ungleiche Helden auf einen komödiantischen Buddy -Movie-Road-Trip und hält eine schöne Balance zwischen überdrehter Ausgelassenheit und lebensechter Wahrhaftigkeit
Ein schüchterner Fotoarchivar flüchtet sich in Tagträume, bis er endlich zu einem echten Abenteuer aufbricht. Hübsche Komödie von und mit Ben Stiller, der hier als Regisseur und Hauptdarsteller eigene Wege zwischen Hollywood-Bombast und Arthouse-Sensibilität ­beschreitet
Zwei Polizisten auf der Spur einer seit Jahren verschwundenen Frau. »Erbarmen« ist ein grundsolider skandinavischer Thriller, dem gegen Ende die Überraschungen ausgehen
Arend Agthes Dokudrama erzählt die Geschichte eines mit Mut und Mühen erkämpften Sieges über ein totalitäres System. Für die Hauptfigur ist die Vergangenheit allgegenwärtig, für den Zuschauer wird sie erfahrbar
Jia Zhang-kes Episodenfilm »A Touch Of Sin« über soziale Widersprüche im heutigen China verstört mit seinem Kontrast von stilistischer Gelassenheit und Ausbrüchen exzessiver Gewalt – bezaubert aber auch mit Momenten der Poesie. Ein ungewöhnliches, herausragendes Werk
Mit dieser nicht durchdachten romantischen Komödie, in der Michael »Bully« Herbig einen beratenden Schutzengel für einen von Alexander Fehling gespielten Millionär gibt, dürfte Herbig es selbst seinen eingefleischten Fans eher schwermachen
Statt in einem groß angelegten Biopic nähert sich Diana der »Königin der Herzen« mit einer biografischen Ausschnittvergrößerung, die erst dort beginnt, wo die Ehe mit Charles schon zu Ende ist und Diana (Naomi Watts) einen neuen Platz im Leben sucht
Ein Unternehmer bringt sich um. Sein Schwager (Vincent Lindon) kehrt daraufhin nach Frankreich zurück und will Rache üben. Claire Denis greift in ihrem neuesten und zugleich düstersten Film klassische Motive des Film noir auf und verdichtet sie zu einer betörenden Studie über die Lücken, die der Teufel lässt
Ein israelischer Geheimdienstler und einer seiner Informanten, ein palästinensischer Jugendlicher, verstricken sich in einer ebenso fragilen wie widersprüchlichen Beziehung. Yuval Adlers Debüt erweist sich als überaus dichter Thriller, der einen überraschend unvoreingenommenen Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt wirft

Film