Kritik zu Land in Sicht
Brian, Farid und Abdul sind drei im brandenburgischen Belzig gelandete Flüchtlinge, die von zwei Dokumentaristinnen ein Jahr lang begleitet wurden. Entstanden ist daraus auch ein Porträt der Fremdenabwehrstrategien der deutschen Gesellschaft
Über das Thema Flüchtlinge und Asylbewerber diskutiert man in Deutschland bevorzugt anhand von gefühlten Zahlen: Ob es zu viele sind gemessen am Willen der Bevölkerung, oder zu wenig gemessen am Wohlstand des Landes. Ob zu viele davon Sozialleistungen bekommen oder zu wenig davon Deutsch lernen. Ob zu viele von ihnen die Arbeit unserer Ämter erschweren oder zu wenig dafür getan wird, dass sie sich integrieren können. Auf geradezu erschreckende Weise macht der Dokumentarfilm Land in Sicht von Judith Keil und Antje Kruska deutlich, was bei diesen Diskussionen nie in den Blick genommen wird: der Einzelfall. Soll heißen: der Mensch.
Dabei ist das Erschrecken gar nicht das Anliegen dieses Films. Nein, an der Oberfläche kommt Land in Sicht eher wie der Versuch daher, einen dieser launigen Dokumentarfilme zu drehen, der die Zuschauer mit skurrilem Humor locken will. Drei Einzelfälle von Flüchtlingsschicksalen werden vorgestellt. Sie sind nicht repräsentativ (alle drei sind Männer), sie stehen für keine besonderen Aspekte des Asylrechts, sie vertreten auch nicht die aktuellsten für Flüchtlingsströme verantwortlichen Konflikte. Im Film selbst wird nicht klar, wie es zur Auswahl dieser drei kam, vielleicht stehen sie hier vor der Kamera, weil sie alle irgendwann von der sehr engagierten Sozialarbeiterin Rose Dittfurth betreut werden oder weil alle drei irgendwann im Asylbewerberheim im brandenburgischen Belzig gelandet sind. Dort auf jeden Fall wirken sie so fehl am Platz wie die sprichwörtlichen Fische auf dem Trockenen. Verlegen lächelnd stehen sie auf einer Karnevalsveranstaltung herum.
In vielerlei Szenen dokumentiert der Film den »Culture Clash« des Fremden mit dem Deutschen. Da diskutiert der dunkelhäutige Brian aus Kamerun mit Zeugen Jehovas über Glaubensfragen oder tanzt der aus dem Jemen geflüchtete Abdul auf einer Singleparty mit Frauen über 40 oder versucht der Iraner Farid, allzu brave Belzigerinnen im Kampfsport zu unterweisen. Das gegenseitige Unverständnis ist in allen Fällen total. Vielleicht waren diese Szenen mal als humorig konzipiert, in der Gesamtschau des Films aber belegen sie wieder und wieder, wie schwer sich die deutsche Gesellschaft mit Ausländern tut – und wie wenig sie sich darüber Gedanken macht.
Die Filmemacherinnen bleiben dicht an ihren Protagonisten und reduzieren sie nie auf bloßen Beispielstatus. Obwohl man nicht viel über ihre jeweiligen Hintergründe erfährt, vermittelt der Film etwas von ihren Persönlichkeiten. Allesamt kluge Köpfe, hätten sie der deutschen Gesellschaft zweifellos etwas zu bieten – wenn man sie ließe. Doch daran scheint hierzulande niemand interessiert. Im Gegenteil: Es soll den Flüchtlingen ganz offenbar nichts zu einfach gemacht werden. Ein arbeitsuchender Flüchtling, der keinen Arbeitsamtfragebogen ausfüllen kann – dem kann auf dem Arbeitsamt nicht geholfen werden. »Hier läuft das anders«, so werden schnell ganze Lebenserfahrungen negiert. Immer wieder scheitert es an mangelnden Sprachkenntnissen – aber besonders mit ihrem Beamtendeutsch verfügt die Bundesrepublik über einen ausgesprochen subtilen Abwehrmechanismus.
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