Kritik zu I Used to Be Darker
Der vielgerühmte Independetfilmer Matthew Porterfield (»Putty Hill«) erzählt in seinem neuen Film die Geschichte einer Trennung
Vor vier Jahren machte Matthew Porterfield mit dem Low-Budget-Spielfilm Putty Hill auf sich aufmerksam. In dokumentarisch anmutender Manier schilderte er darin den Umgang einer Working-Class-Community in Baltimore mit dem Drogentod eines jungen Mannes. Sein neuer Film I Used to Be Darker, ebenfalls in seiner Heimatstadt Baltimore mit Minimalbudget realisiert, erzählt von einer anderen Form des Verlusts: nicht um den Tod eines Menschen geht es diesmal, sondern um eine Liebe, die abgestorben ist, und um eine Familie, die zerfällt.
Die 19-jährige Taryn flüchtet ohne Wissen ihrer Eltern und aus einem zunächst unbekannten Grund zu ihrer Tante Kim und deren Ehemann Bill nach Baltimore. Bei ihrer Ankunft erfährt sie, dass die beiden sich gerade trennen: Kim ist im Begriff auszuziehen. Bill und der 19-jährigen Tochter Abby macht die Situation schwer zu schaffen. In der kommenden Zeit wird Taryn für alle drei Familienmitglieder momentweise zu einer Vertrauensperson, deren schiere Anwesenheit ihnen hilft, ihre Gefühle zu kanalisieren.
Es geht Porterfield bei dieser Erzählung nicht um die Gründe der Trennung, ihn interessieren nicht die »Szenen einer (scheiternden) Ehe«, sondern jenes diffuse, von tiefer Melancholie geprägte Zwischenstadium, in dem meist einer der Partner von Kummer gelähmt ist, während der andere schon dem Neuanfang entgegenblickt. Aber auch in dieser Hinsicht lässt er vieles vage, wirken die sprachlosen Momente und die Beiläufigkeiten am stärksten nach: der demütigende Handschlag, mit dem Bill von zwei neuen Freunden Kims begrüßt wird; die wütende Verzweiflung, mit der Abby eine Schüssel voll Teig in den Müll kippt, weil ihre Mutter beim Auszug das Waffeleisen mitgenommen hat; oder die wärmende Nostalgie, mit der Kim und ihre Nichte ein altes Familienalbum anschauen: ein Blick in die Vergangenheit, durch den sie vielleicht auch mit ihren gegenwärtigen Sorgen abschließen können.
Inszeniert ist das alles in jenem betont undramatischen Stil, den man auch von anderen amerikanischen Regionalisten wie Joe Swanberg oder den Zellner Brothers kennt. Zugleich erreicht Porterfield ein hohes Maß an Authentizität, indem er die Geschichte im Milieu der Singer-Songwriter-Szene von Baltimore verortet und Bill und Kim von echten Liedermachern verkörpern lässt. Die emotional stärksten Momente hat der Film denn auch in den klug gesetzten Musikeinlagen, sei es ein dröhnendes Punkrockkonzert oder wenn die scheidenden Eheleute ihre Gefühle an der Gitarre zum Ausdruck bringen. Porterfield und Kamermann Jeremy Saulnier arbeiten dabei mit langen Einstellungen und filmen die Szenen meist in Halbtotalen; dadurch setzen sie die Charaktere einerseits in Bezug zu ihren Lebensräumen, riskieren aber, dass man als Zuschauer auch eine emotionale Distanz zu den Personen hält – man bleibt sich der eigenen Rolle als Zaungast im Leben dieser Menschen stets bewusst. Tatsächlich kann man I Used to Be Darker für seine Lebensnähe und seinen poetischen Purismus bewundern. Wirklich berührt aber ist man nur selten.
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