Kritik zu Oldboy
Spike Lees ambitioniertes Remake des Rachedramas von Park Chan-wook aus dem Jahr 2003 macht einiges besser als sein Vorbild, legt zugleich aber dessen und damit auch die eigenen Schwächen bloß
Aus unerfindlichen Gründen wird Joe Doucett (Josh Brolin) entführt und in einen Raum eingesperrt, der wie ein abgewohntes Motelzimmer erscheint. Tagein, tagaus schiebt man ihm chinesisches Fast Food durch den Türschlitz. Jahre vergehen. Versucht er aus Verzweiflung, sich die Pulsadern aufzuschneiden, dann wird er mit Gas betäubt und von Geisterhand verarztet: kein Entrinnen. Mit existenzialistischer Gewalt ist Joe Doucett zurückgeworfen auf die Frage: Warum bin ich hier?
Der Zuschauer kennt die Antwort, denn »Oldboy« ist ein Remake des gleichnamigen Rachedramas von Park Chan-wook aus dem Jahr 2003. Mit seiner ungestümen Manga-Verfilmung, die das Motiv des Grafen von Monte Christo mit medienphilosophischen Reflexionen auflädt, avancierte der Koreaner zum Kultregisseur. Einige Bilder des artifiziellen Autorenfilms brannten sich ins Gedächtnis ein. Unvergessen ist der Moment, in dem der Held einen lebenden Kraken verschlingt, dessen Tentakel noch zappelnd aus dem Mund herausragt.
Die Messlatte lag hoch für Spike Lee, der in seinem Remake vieles richtig macht. Greifbarer geworden ist der Charakter des Delinquenten. Josh Brolin überzeugt als Vollalkoholiker, der noch an seinen einstigen Charme als Womanizer glaubt, bevor er aus seinem verkorksten Leben herausgerissen wird. Wenn er während seiner Isolationshaft die Abfolge der US-Präsidenten und die Anschläge vom 11. September 2001 im Fernsehen miterlebt, dann vermittelt sich auch das Vergehen der Zeit anschaulicher als im Original.
Das Bemühen, die Ungereimtheiten der Vorlage durch eine plausiblere Dramaturgie zu korrigieren, trägt aber nicht zum Funktionieren des Films bei. Spike Lee scheitert nicht an der Qualität des Originals, seine Interpretation hat den ernüchternden Effekt, dass man kritischer auf Parks vielleicht doch etwas überschätztes Meisterwerk zurückblickt. Dabei basiert »Oldboy« zugegebenermaßen auf einer originellen Grundidee: Der Held in der Isolationshaft ist philosophisch gesehen das Ich, dessen einzige Verbindung zur Realität durch – manipulierte – Fernsehbilder hergestellt wird. Ein Demiurg, der alle Fäden in der Hand hält, baut eine Art »Potemkinsche Kulisse« um die Weltwahrnehmung seines Opfers auf. Das abgründige Vexierspiel erzeugt Spannung – doch mit der Frage, wozu der Aufwand dient, brach schon Parks filmisches Kartenhaus in sich zusammen.
Die Pointe der Vertreibung aus dem Inzestparadies ist eine typische Kopfgeburt. Sie wird in Lees Remake weiter ausgewalzt und dabei nicht glaubwürdiger. Kunstbeflissene Rückblenden, bei denen Joe Doucett als Beobachter in seiner eigenen Vergangenheit gegenwärtig ist, machen die verdrehte Geschichte auch nicht plausibler. Als Bösewicht, der von einer Kung-Fu-Dame im halbdurchsichtigen Negligé umgeben ist und sich wie ein zweitklassiger iPhone-Magier geriert, versprüht Sharlto Copley kein Charisma. Wenn er am Ende noch seine Motivation und seine technischen Zaubertricks haarklein erläutert, dann wähnt man sich in einem artifiziell aufgeplusterten B-Movie.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns