10/2018
In diesem Heft
Tipp
26. September bis 30. Oktober, Frankfurt a. M. – Anlässlich der Eröffnung der Frankfurter Altstadt-Rekonstruktion und dem fünfzig jährigen Jubiläum der U-Bahn zeigt das Filmkollektiv Frankfurt in zwölf Vorstellungen dokumentarische und experimentelle Filme, in denen sich die Stadtentwicklung der letzten hundert Jahre spiegelt: von engen Fachwerkgassen über Trümmerlandschaften und Wiederaufbau bis zu den Diskussionen der Gegenwart. Begleitet werden die Vorführungen unter anderem im Kino des Deutschen Filmmuseums und in den Räumen der Evangelischen Akademie Frankfurt von Vorträgen und Filmgesprächen
ab 10.10. auf Netflix – Paul Greengrass stellt in seiner Verfilmung der Ereignisse rund um das Breivik-Attentat vom 22. Juli auf der norwegischen Insel Utøya das Trauma einer Nation nach
30. Oktober bis 4. November, Lübeck – Die Filme aus Skandinaviens und dem Baltikums sind beim traditionsreichen norddeutschen Festival zu Gast. Neu dabei ist zur 60. Ausgabe der Preis für das beste Spielfilmdebüt. Die 100-jährige Unabhängigkeit des Baltikums und Islands wird ebenso zelebriert wie der 100. Geburtstag Ingmar Bergmans. Von modernen Kunstwerken im 360°-Format über Stummfilmkonzerte bis zur Präsentation eines wiederentdeckten Lübecker Sternenprojektors ist eine große Bandbreite geboten
26. bis 29. Oktober, Köln – Filmplus ist das Festival für Filmschnitt und Montagekunst, das Spiel- und Dokumentarfilmleistungen gleichermaßen ehrt. Den Ehrenpreis erhält in diesem Jahr Norbert Herzner, der Filmen von May Spils oder Carl Schenkel seinen Stempel ebenso aufdrückte wie der Literaturverfilmung »Der Name der Rose«. Als früher Adapteur digitaler Schnitttechnik war er wegweisend für seinen Berufsstand. Eröffnet wird mit der 4K-Restaurierung von »Out of Rosenheim«, ebenfalls ein Werk Herzners
23. bis 28. Oktober, Hof – Der Ruf als einflussreiche Entdeckungslandschaft des deutschen Nachwuchskinos eilt den Filmtagen seit Jahrzehnten voraus. Doch auch internationales Independent-Kino hat ein festes Standbein im Festivalbetrieb, ebenso wie das traditionelle Fußballspiel, bei dem eine Auswahl der Festivalmacher und -zuschauer gegen Filmschaffende antritt
19. bis 21. Oktober, Mannheim – Das filmische Erzählen liegt bei der vom Cinema Quadrat verantworteten Veranstaltung auf dem Seziertisch. In neun Vorträgen, einem Panel und vier Filmsichtungen an drei Tagen versuchen Redner und Zuhörer ein Verständnis besonders gelungenen filmischen Erzählens zu erlangen. Im Kino sind dabei »The Player«, »Adaption«, »7 Psychos« und »Trumbo« zu sehen
17. bis 21. Oktober, Osnabrück – Erstmals 1986 veranstaltet, zeigt das niedersächsische Filmfestival unabhängig produziertes Filmschaffen aus aller Welt. Fünf Preise werden verliehen, höchstdotiert darunter ist der Friedensfilmpreis, um den sowohl Dokumentar- als auch Spielfilme konkurrieren. Weitere Sektionen befassen sich unter anderem mit dem Kurzfilm, Europa und Kinderrechten
14. Oktober, in vielen Programmkinos Europas – Als Feiertag für den europäischen Film und leidenschaftliche Kinobetreiber bezeichnet sich der European Art Cinema Day. Der internationale Verband der Filmkunsttheater initiiert die nun dritte Ausgabe, um Programmkinos und dem europäischen Film ein Podium zu geben. Hunderte Kinos beteiligen sich; sie können ihr Programm selbst gestalten. Zu den künstlerischen Paten gehören Alice Rohrwacher und Christian Petzold
1. bis 7. Oktober, Chemnitz – Das vom Verein Sächsischer Kinder- und Jugendfilmdienst veranstaltete Festival bringt nicht nur einschlägige Filme ins Kino, sondern bietet auch kleinen und großen Besucherinnen die Möglichkeit, sich in Anwesenheit der Regisseure mit den Filmen auseinanderzusetzen. Das Rahmenprogramm animiert zur praktischen und theoretischen Auseinandersetzung mit dem Medium
29. Oktober bis 4. November – »Fordert das Unmögliche!« ist das Motto der 61. Ausgabe des Dokumentar- und Animationsfilm-Festivals DOK Leipzig, angelehnt an die Retrospektive, die sich mit den politischgesellschaftlichen Umbrüchen um das Jahr 1968 befasst. Mit einer Hommage wird die Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann geehrt, den Eröffnungsfilm steuern Werner Herzog und André Singer mit »Meeting Gorbachev« bei. Der Gewinner des Langfilm-Wettbewerbs hat ab diesem Jahr zudem die Chance, sich für den Oscar zu qualifizieren
am Do., 11.10. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autor Urs Spörri spricht mit Detlev Buck über seinen Film »Asphaltgorillas«
Ehedrama um ein iranisch/deutsches Paar, dass an sich selbst zu scheitern droht, an der Unkenntnis des Anderen ebenso wie an der eigenen. Es ist zwar eine arrangierte Ehe, aber so wie bei einer Online-Partnervermittlung. Das Scheitern ist deshalb weder besonders dramatisch, noch außergewöhnlich. Und doch zeigt Regisseurin Susan Gordanshekan die Schwierigkeiten, kulturelle Grenzen zu überwinden
Thema
Sie sind düster, melodramatisch, erotisch und immer überraschend ... Hans Schifferle über die großen »kleinen« amerikanischen Western der 50er und 60er
Dem Schauspieler Tom Schilling konnte man regelrecht beim Erwachsenwerden zusehen: von »Crazy« über »Oh Boy« bis zu finsteren Zeitgeschichtsfilmen. Jetzt ist er in Florian Henckel von Donnersmarcks »Werk ohne Autor« zu sehen
Unsere "steile These" des Monats Oktober
Der schönste Film des Monats ist »Sweet Country«: ein bildgewaltiger Neo-Western, der von der Unterdrückung der Aborigines erzählt. Über die Spuren, die die indigene Kultur Australiens im Kino hinterlassen hat
Meldung
Das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen ist inzwischen, gemessen an der Besucherzahl, das zweitgrößte Filmfestival Deutschlands. Das Programm ist noch einmal bunter geworden – und vielleicht auch beliebiger
Filmkritik
Wer auf knallharte Hochspannung steht, ist bei Christian Alvart in guten Händen: »Abgeschnitten« ist ein waschechter, rasanter Psychothriller, obendrein mit hochkarätigem Ensemble
Der Name für ein noch ungeborenes Kind entzündet bei einem Abendessen unter Freunden einen Streit, der vom Politischen ins Private überspringt. Wie am Schnürchen werden in der deutschen Adaption der französischen Komödie Lacher generiert
Ärger in der Superheldenfamilie Parr: Während Mutter Elastigirl Schurken jagt, muss Mr. Incredible den Haushalt schmeißen. »Die Unglaublichen 2« ist ein spektakulärer Kinderfilm, dessen unkritische Herangehensweise ans Thema Superkräfte zwar etwas aus der Zeit gefallen wirkt, dafür aber umso mehr auf gutmütigen Spaß setzt
Ein klassischer Wiseman, der – nicht so ganz klassisch – im ausführlichen Porträt der New Yorker Bibliothek NYPL ein deutliches Statement für öffentliches Engagement und gelebte Teilhabe setzt. »Ex Libris: Die Public Library von New York« startet bereits am 24.10. (Tag der Bibliotheken)
Als die 13-jährige Ava erfährt, dass sie bald erblinden wird, bricht sie aus ihrem Leben aus und lässt sich nur von ihren Sehnsüchten leiten. Mit ihrem Spielfilmdebüt hat Léa Mysius ein märchenhaftes und poetisches Comig-of-Age-Drama geschaffen, das so wild und faszinierend ist wie seine Heldin
Dem deutschen Filmemacher Hüseyin Tabak (»Das Pferd auf dem Balkon«) ist ein selbstreflektiertes, substanzreiches und erfreulich widerspruchsoffenes Porträt seines großen Vorbilds ohne Verklärungsgestus gelungen
Eine wütende und doch poetische Erzählung von Rassismus und Gewalt in den 1920ern im australischen Outback. Faszinierend und vollkommen schlüssig kombiniert Warwick Thornton klassische Westernmotive mit indigener Erzähltradition: »Sweet Country«
Die wohl spektakulärste Flucht aus der DDR 1979 mit einem Heißluftballon als Thriller, bei dem man bis zuletzt mitbangt. »Ballon« ist ein überzeugender Einstand des Komikers Michael Bully Herbig im Drama-Fach
Beeindruckender Dokumentarfilm über Kreativität, der allein schon mit der Vielzahl der befragten Prominenten überzeugt
Nach Jahrzehnten endlich vollendet: Terry Gilliams Film »The Man who killed Don Quixote« um den Ritter von der traurigen Gestalt. Furios zwischen den Zeitebenen springend sind doch gerade die Randfiguren ungelungen
Derbe Puppenkomödie von Brian Henson: Ein hart gesottener Puppendetektiv wird als Serienmörder verdächtigt und muss sich mit seiner Ex-Partnerin (Melissa McCarthy) herumschlagen. Vulgär, gewalttätig, altmodisch – und definitiv nichts für Kinder
Die Arbeiter einer Aufzugfabrik am Rande von Lissabon stemmen sich gegen die Abwicklung ihres Betriebs. »A fábrica de nada« ist ein wahres Ungetüm von einem Film: 177 sperrige Minuten voller Diskurs und Diskussion, voller Pathos und Politik, wobei nach und nach ein vielschichtiges Bild der Auswirkungen von Globalisierung und Strukturwandel gezeichnet wird
Ruth Beckermann analysiert mit Originalmaterial die Waldheim-Kontroverse von 1986. Ihr Essayfilm »Waldheims Walzer« gleicht einer Zeitkapsel, die jedoch viel über die aktuellen politischen Entwicklungen erzählt
Die vergessene Geschichte der zivilen deutschen Raumfahrt, die in Zaire in den siebziger Jahren erste Blüten trieb und dann auf internationalen Druck eingestellt wurde. Nicht nur ein Denkmal für den Raumfahrtpionier Lutz Kayser, sondern ein amüsantes Kapitel jüngerer deutscher Technik-Geschichtet
Eine rumänische Frau ist auf eine Green Card angewiesen, um gemeinsam mit ihrem Sohn in Amerika Fuß zu fassen. Doch der Beamte der Einwanderungsbehörde verfolgt eigene perfide Interessen. loana Uricarus Langfilmdebüt »Lemonade« ist ein leises, eindrückliches Statement gegen Xenophobie und Machtmissbrauch
Im Boulevardstück »Verliebt in meine Frau« verfällt der Gastgeber eines Diners angesichts der schönen Partnerin seines Freundes in erotische Tagträume, was Daniel Auteil als Regisseur und Hauptdarsteller leider fast witzfrei inszeniert
Wie Erziehung gelingen kann, zeigt dieser sehenswerte Dokumentarfilm über eine Kinderklinik in Gelsenkirchen
Bradley Cooper verändert in seinem Remake nur Äußerlichkeiten und setzt ganz auf die rührende, altmodische Liebesgeschichte
Ehedrama um ein iranisch/deutsches Paar, dass an sich selbst zu scheitern droht, an der Unkenntnis des Anderen ebenso wie an der eigenen. Es ist zwar eine arrangierte Ehe, aber so wie bei einer Online-Partnervermittlung. Das Scheitern ist deshalb weder besonders dramatisch, noch außergewöhnlich. Und doch zeigt Regisseurin Susan Gordanshekan die Schwierigkeiten, kulturelle Grenzen zu überwinden: »Die defekte Katze«
So wie die oft strapazierte Redewendung heißt das Spielfilmdebüt der Regisseurin Eva Trobisch: »Alles ist gut«. In ihm verkörpert Aenne Schwarz eine Frau Mitte 30, die ihr Leben mittels fortwährender Beschwichtigungstaktik absolviert – bis sie implodiert, bevor sie erstickt an all den unbewältigten Konflikten, die sich in ihr akkumuliert haben. Trobisch inszeniert das als stille Eskalation. Ein ungewöhnlicher Film mit einer herausragenden Darstellerin
Christoph Hübner und Gabriele Voss haben in ihrer Doku »Nachlass« Nachkommen von NS-Tätern und Holocaust-Überlebenden interviewt. Sensibel geführt und aufschlussreich
In einem guten Film über die Mafia muss das Wort nie ausgesprochen werden: Aschenputtel in einem zwischen den Epochen schillernden Neapel, das zerrissen ist zwischen Drogenhandel und Fortschritt – als Animation: »Cinderella the Cat«
Die thematisch interessante, von biografischen Tatsachen inspirierte Hommage an Gerhard Richter reduziert Kunst auf einen Abbildrealismus: »Werk ohne Autor«
Das Biopic über den MercyMe Leadsänger vermittelt eine unaufdringliche und unpathetische christliche Botschaft, biegt dabei aber die tatsächliche Lebensgeschichte von Bart Millard zurecht
»Mario« ist ein gut beobachteter Film, der die Misere homosexueller Profifußballer mit selten gesehener Klarheit analysiert
Angesiedelt in einem heruntergekommenen Küstenort nahe Neapel erzählt Garrone die traurige Geschichte vom Elend eines kleinen Mannes, der sich mit dem großen Bösen anlegt und glaubt, davon kommen zu können. Entgegen des ersten Anscheins ist »Dogman« keine Übung in Miserabilismus, sondern eine faszinierende, zugleich unerquickliche Verbohrung in das humane Dilemma des vergeblichen Versuchs, ein richtiges Leben im falschen zu führen
Als eine Cyberattacke alle Agenten des Königsreichs enttarnt, muss Johnny English (Rowan Atkinson) reaktiviert werden. Als Agent der alten Schule verweigert er sich zwar jeglicher Neuerungen, schafft es aber trotzdem mit seiner liebenswerten Trotteligkeit und trotz aller seiner Ungeschicklichkeiten die Welt zu retten. Ein harmloses aber durchweg unterhaltsames Kinovergnügen
Ein altes Ehepaar in der Arktis: »Nanouk« ist ein zwischen dokumentarischer Nüchternheit und magischen (Erinnerungs-)Momenten positionierter Film von großer visueller Schönheit
Mit leichter Hand, aber präzisem Zugriff nehmen Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri in »Champagner & Macarons – Ein unvergessliches Gartenfest« das Medienmilieu aufs Korn
In der Comic-Adaption »Mutafukaz« gerät ein seltsames Heldenpaar in eine Verschwörung globalen Ausmaßes. Rasantes Abenteuer durch eine farbenprächtig detailfreudig gestaltete Welt
Ein als Junge geborenes Mädchen fängt kurz vor dem Beginn ihrer Hormontherapie an einer renommierten Ballettschule an. »Girl« ist ein überzeugender Debütfilm mit großartigem Hauptdarsteller, der sich dem Thema zumeist mit großem Verständnis und Feingefühl annimmt
Ein orientierungsloser 18-Jähriger verliebt sich in eine lebenserfahrene Mittdreißigerin. Heillos überfrachtet, changiert der Tonfall zwischen unlustiger Komödie und prätentiöser Coming-of-Age-Geschichte: »Krystal«
Die schwierige Rückkehr in die Heimat, das Aufbrechen familiärer Konflikte und eine Kindesentführung: Asgar Farhadis in Spanien angesiedelter psychologischer Thriller »Offenes Geheimnis« verknüpft Starkino mit der Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse
Der erste Teil einer Trilogie nach Kurzgeschichten von Håkan Nesser handelt von einem Schriftsteller, der zum Detektiv in eigener Sache wird und in fiktiven Geschichten beunruhigend reale Hinweise aufspürt. Daniel Alfredson erzählt »Intrigo« auf angenehm altmodische Weise, verzettelt sich aber im Labyrinth der Rückblenden
Ein Streit zwischen einem libanesischen Christen und einem palästinensischen Flüchtling in Beirut wird zu einem Fall nationaler Tragweite: Ziad Doueiris packender Film »Der Affront« ist die tiefenpsychologische Auseinandersetzung mit der Geschichte
In Echtzeit erzählt Regisseur Gustav Möller von einem Polizisten, der über knapp 90 Minuten über das Telefon ein vermeintliches Entführungsopfer zu retten. »The Guilty« ist ein großartiger, klaustrophobischer Thriller in nur zwei Räumen und mit nur einem sichtbaren Protagonisten: Aser, der Polizist (Jakob Cedergren)
Jedickes Dokumentarfilmdebüt »Shut Up and Play the Piano« über den Musiker Chilly Gonzales ist ein quirliger Bilderreigen. Ein sehenswerter Film, dem man aber anmerkt, dass der Künstler sich nicht wirklich in die Karten blicken lässt
Frieder Schlaich greift in seinem Film »Naomis Reise« zwar die typischen Motive eines Gerichtsdramas auf, aber nur um konsequent mit ihnen zu brechen. Sein bewusst spröder, halbdokumentarischer Stil ermöglicht einem einen analytischen Blick auf das deutsche Justizsystem, der dessen Voreingenommenheit schonungslos offenlegt