Kritik zu Alles ist gut
Stille Eskalation: Aenne Schwarz spielt im Film von Eva Trobisch eine Frau Mitte 30, die ihr Leben mittels fortwährender Beschwichtigungstaktik absolviert – bis sie dann förmlich implodiert
Zwei Redewendungen kommen seit einiger Zeit zum Einsatz, um die mögliche Eskalation einer Situation zu verhindern. »Alles gut«, sagt man oft schon beim geringsten potenziellen Dissens. Dass man eine Sache »nicht so hoch hängen möchte«, wird kundgetan, wenn das Problem explosiver erscheint. »Alles ist gut« heißt das Spielfilmdebüt von Eva Trobisch, deren Kurzfilme mehrfach preisgekrönt wurden. In ihm verkörpert Aenne Schwarz, Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters, eine Frau Mitte 30, die ihr Leben mit fortwährender Beschwichtigungstaktik absolviert – bis das eben nicht mehr möglich ist, weil sie implodiert.
Anfangs zeigt der Film Janne im Baumarkt; gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Piet will sie ein altes Haus bei München renovieren. Doch die Aufbruchstimmung täuscht. Kurz darauf treffen Janne und Piet sich mit dem Insolvenzverwalter: Der Verlag, den sie gemeinsam mit einem Freund gegründet hatten, ist pleite. Dass sich der Freund schon vorher rausgekauft und dann einen Bestseller veröffentlicht hat, hängt wie ein Schatten über der Gegenwart. Freundlich, fast heiter verhandeln Janne und Piet jedoch über die verbliebenen Sachwerte, räumen die Zimmer aus, laden Gerätschaften ins Auto. Alles geschieht für den Zuschauer irritierend unaufgeregt: Schließlich haben die beiden doch gerade ihre Existenzgrundlage verloren, oder etwa nicht?
Diese Irritation wird nicht aufhören in einem Film, der mit fast schon nonchalanter Beiläufigkeit Katastrophe an Katastrophe reiht – nur dass diese von Janne eben nicht als solche behandelt werden. Sie möchte den Ball quasi flach halten, noch so eine Redensart, auch als sie nach einem Klassentreffen vergewaltigt wird von einem Mann, dem sie dann bei ihrem neuen Arbeitgeber als Kollegen wiederbegegnet. Als Lebensgefährte Piet (Andreas Döhler) mit narzisstischer Gekränktheit und aggressiven Sarkasmen darauf reagiert, dass Janne schneller als er selbst wieder einen Job hat, und dann noch einen als Cheflektorin, spielt sie das herunter, versucht, die Lage zu beruhigen.
Janne ist eine verstörende Protagonistin in einem herausragenden Film: eine Frau von nebenan, aus einem Alltag, den man zu kennen meint. Sie hält sich sehr gerade, hat Geschmack, ist intelligent, dabei von vorbehaltlichem Skeptizismus im permanenten Versuch, die Dinge rational anzugehen. Doch irgendwann fällt dem Zuschauer auf, dass diese Heldin, die sich so wenig zur Akteurin ihres Lebens zu machen scheint, niemals deutlich Nein oder Ja sagt. Nicht bei der Vergewaltigung, und nicht, als ihr die Stelle im Verlag angeboten wird. Sie sagt vielmehr »Bescheid«. Geradezu atemberaubend anzusehen ist, wie die Regisseurin Eva Trobisch die heiklen Balancen scheitern und schiere Gewalt allein schon verbal hervorbrechen lässt. In seiner Reflexion nichtdefinierter Grenzen und der Folgen einer mehrfachen Entscheidung, »nicht darüber zu reden«, weist »Alles ist gut« weit über das Filmische hinaus. Da hätte es die Premiere von Ibsens »Nora«, die Janne durchsitzt, als Metapher eigentlich gar nicht mehr gebraucht.
Kommentare
Alles ist gut
Unbedingt sehen. Ein Film über eine 'zugeklappte' Seele, über eine Frau, die das Leben relativiert, über das Nichtredenkönnen oder - wollen, wenn es schwierig oder gar brisant und bedrohlich wird. Beeindruckend – dieser Film entwickelt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Ich verbeuge mich. Thema, Umsetzung und die Dramatik der Themen in den begleitenden Erzählsträngen, sind souverän umgesetzt. Ein Film-Juwel.
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