04/2017
In diesem Heft
Tipp
Auf der Berlinale-Leinwand, frisch restauriert sah Rainer Werner Fassbinders »Acht Stunden sind kein Tag« prächtig aus. Die legendäre TV-Serie gibt es auch für zu Hause. Und da gehört sie ja hin
Why they fight – Die dreiteilige Netflix-Doku-Serie »Five Came Back« widmet sich den Hollywoodregisseuren, die für die Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg zogen
26. April bis 1. Mai, Potsdam-Babelsberg – Unter der Schirmherrschaft von Andreas Dresen veranstalten Studierende der Filmuniversität Babelsberg auch in diesem Jahr das Studierendenfilmfestival Sehsüchte. Unter dem Thema »Oberflächen« werden junge Filmtalente und ihre Werke vorgestellt und in insgesamt zehn Kategorien mit Preisen ausgezeichnet
24. bis 30. April, Berlin – Die deutsche und internationale Games- Branche trifft sich in Berlin und lädt zu verschiedenen Konferenzen und Ausstellungen ein. Dabei stehen auch unabhängige Spieleproduktionen im Zentrum. Am 26. April wird außerdem der Deutsche Computerspielpreis verliehen. Da gehen 550 000 Euro Fördergeld an das Computerspiel des Jahres
31. März bis 2. April, München – Niklas Maak, Architekturkritiker bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat ein Buch geschrieben, das er »Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner« nannte. Der Klappentext erwähnt »eine gigantische Burg aus weißem Holz, errichtet von einem New Yorker Kunstspekulanten. Eine Halbkugel aus Beton, die ein Filmregisseur für sich und seine Geliebte auf einer Steilküste in Sardinien aufgestellt hat. Eine Hütte in Mexiko, in die sich ein amerikanischer Ex-Banker zurückgezogen hat.« Maak hat sich auf die Suche gemacht nach befremdlichen Häusern und den dazugehörigen exzentrischen Bauherren – für sein Buch. Die Bayerische Architektenkammer und ihr Kooperationspartner, das Filmmuseum München, haben es auch getan – für die diesjährigen Architekturfilmtage
20. bis 23. April, Halle (Saale) – Ein kleines Jubiläum feiert die Monstronale in diesem Jahr mit ihrer fünften Ausgabe. Die Monstronale hat sich auf Kurzfilme spezialisiert, dieses Mal unter dem Thema »Angst«. Daneben werden Preise in den Kategorien Kinderfilm, Dokumentarfilm und internationaler Film vergeben
19. bis 26. April, Berlin – Seit mehr als zwölf Jahren bietet das Festival ein Sprungbrett für junge Filmemacher. Auch in diesem Jahr wird wieder der »new berlin film award« verliehen. Außerdem richtet das Festival ab dem 22. April eine Retrospektive für den Schauspieler Michael Gwisdek aus, zu deren Eröffnung Gwisdek selbst den Film »Der Tangospieler« (1991) vorstellen wird
5. bis 9. April, Karlsruhe – 163 Kurz- und Langfilme aus aller Welt sind bei den 17. Independent Days in Karlsruhe zu sehen. Viele davon als Deutschlandpremieren. Dabei vereint die Filme nur, dass sie unabhängig produziert wurden. Ansonsten sind alle Formate vorhanden. Und auch bei den Filmemachern mischen sich Studentenfilmer und professionelle Regisseure
31. März bis 7. April, Berlin – Alfilm präsentiert in diesem Jahr zum achten Mal aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme aus dem arabischen Raum. Die Filme thematisieren auf unterschiedliche Weise Herausforderungen der Menschen aus dieser Region. Viele Produktionen werden von ihren Machern persönlich vorgestellt, zum Beispiel der Eröffnungsfilm Rabih über einen blinden Musiker aus dem Libanon
22. März bis 6. April, Wien – Elf Filme hat Regisseur David Cronenberg bisher zusammen mit dem britischen Kameramann Peter Suschitzky gedreht. Seit »Die Unzertrennlichen« (1988) setzte Cronenberg bei jedem seiner Spielfilme auf Suschitzky; zu den jüngeren zählen etwa »A History of Violence« (2006) oder »Cosmopolis« (2012). Das Filmmuseum Österreich zeigt die Arbeiten der beiden in einer Retrospektive. Am 26. und 27. März ist Suschitzky selbst anwesend
4. bis 9. April, Dresden – Das Filmfest Dresden wurde noch vor der politischen Wende 1989 ins Leben gerufen und sorgte mit seiner Filmauswahl in der damaligen DDR für einen Eklat. Seitdem laufen hier Kurzfilme, seit 1992 auch aus dem internationalen Raum. Die Produktionen decken ganz unterschiedliche Kategorien ab; auch ein Kinder- und ein Experimentalfilmprogramm gibt es. In diesem Jahr lässt sich vor allem die Tendenz erkennen, dass die Genregrenzen verschwimmen und die Formen freier werden
Eigentlich für den internationalen Markt konzipiert: Der Dreiteiler »Der gleiche Himmel« von Oliver Hirschbiegel widmet sich der deutsch-deutschen Teilung. Das ZDF sendet ihn am 27., 29. und 30. März
Aki Kaurismäkis neuer Film erzählt von einem Flüchtling und einem frisch gebackenen Restaurantbetreiber in Helsinki, von Widrigkeiten und von ungeahnter Solidarität. Ein in jedem Detail perfekt inszeniertes, so witziges wie zu Herzen gehendes Werk – der Meister der Lakonie auf der Höhe seiner Kunst.
am Di., den 25.4. in Frankfurt am Main – epd Film-Autor Ulrich Sonnenschein spricht mit dem Regisseur Volker Schlöndorff über »Return to Montauk«
Thema
Unsere "steile These" des Monats April
Wenn in diesem Monat Scarlett Johansson als Cyborg-Amazone Motoko Kusanagi im Hollywood-Remake von »Ghost in the Shell« zur Tat schreitet, erleben wir die späte Blüte eines Kultphänomens. Das Original hatte in den späten Neunzigern dazu beigetragen, den japanischen Animationsfilm populär zu machen; es war ein Höhepunkt der Cyberpunk-Welle und inspirierte Regisseure wie die Wachowskis
Er ist einer der populärsten und vielseitigsten deutschen Schauspieler. Moritz Bleibtreu kann Gangster, Kiffer, Quatschköpfe, Charmeure. Und historische Figuren lässt er sehr modern wirken
Wenn jetzt ein neuer Kaurismäki-Film ins Kino kommt, ist auch Timo Salminen wieder dabei. Der Kameramann arbeitet seit den Achtzigern in der Hauptsache für den finnischen Regisseur – und hat dabei einen ganz eigenen visuellen Stil entwickelt
Warren Beatty, Oscarpreisträger und Hollywoodlinker, hat lange nichts von sich hören lassen. Jetzt kommt er mal wieder in einer Doppelrolle ins Kino – unter seiner eigenen Regie spielt er in »Regeln spielen keine Rolle« den Unternehmer und Produzenten Howard Hughes
Meldung
Es ist unmöglich, bei der Berlinale alle Filme zu sehen, selbst bei manchen Sektionen ist das schwierig. 400 Filme zeigte die 67. Berlinale im Februar. Unsere Autoren stellen ihre Fundstücke aus den einzelnen Sektionen vor
Filmkritik
Scarlett Johansson verteidigt als Cyborg die Welt der nahen Zukunft vor Kriminellen: Visuell überwältigendes Remake des Kult-Animes »Ghost in the Shell«, das inhaltlich aber nicht die Kühnheit des Originals erreicht
In »Es war einmal in Deutschland...«, seiner Tragikomödie über Shoah-Überlebende, die sich 1946 in Deutschland als Hausierer durchschlagen, tut sich der belgische Regisseur Sam Garbarski schwer damit, den spezifischen Humor der Romanvorlage einzufangen
Ein Mann findet Gold im indonesischen Dschungel, was jede Menge intriganter Geschäftsleute und Banker auf den Plan ruft. Matthew McConaughey verkörpert wuchtig die Hauptrolle, »Gold« schwankt in seinem Tonfall zwischen Drama und satirischen Momenten
Das Sklavendrama, das von der Reifung eines schwarzen Laienpredigers zum Anführer einer Revolte erzählt, überzeugt trotz konventioneller Form durch seine Perspektive, die sich klassischen Opferstigmatisierungen verweigert. Im letzten Drittel bedient »The Birth of a Nation« jedoch mit seinem maskulinen Blick auf sexuelle Gewalt althergebrachte Rache-Thriller-Klischees
Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn porträtieren in ihrer berührenden Doku »Geschichte einer Liebe« anhand von Briefen und Interviews Freya und Helmuth von Moltke
Die Kraft der Liebe zwischen einem afrikanischen König und einer weißen Londonerin als Motor politischer Umwälzungen: Amma Asante setzt als Regisseurin in »A United Kingdom« weniger auf die Wucht des Dramas als auf feine Emotionen
Selten wurde eine Wirtschafts- und Firmengeschichte so vielschichtig erzählt wie in John Lee Hancocks knapp zweistündigem Film »The Founder« mit Michael Keaton als Begründer der Burgerkette McDonald's
Shirley MacLaine überzeugt in »Zu guter Letzt« in der Rolle einer vereinsamten Geschäftsfrau mit Kontrollwahn, deren später Sinneswandel als komödiantisches Feelgoodmovie mit melancholischen Zwischentönen bebildert wird
»Zazy« ist ein deutscher Film noir zwischen Alpensonne und Scheinwerferlicht, der mit vielen Klischees und wenig Sinn für feinere Nuancen zwischen Genrestück und Fernsehspiel dümpelt
Claudio Caligaris Film »Tu nichts Böses« über zwei Freunde, die sich mit Drogengeschäften durchschlagen, hatte in Venedig erst nach seinem Tod Premiere. Dieses Vermächtnis ist ein kleines, einnehmend besetztes Meisterwerk der Einfühlung, das sich einem verlorenen Milieu ohne Vorurteile nähert
Mira Nair verfilmt in »Queen of Katwe« die wahre Geschichte eines Mädchens aus den Slums von Uganda, das zum Schachwunderkind aufsteigt, mit sympathischem Lokalkolorit
Das Gerichtsdrama »Verleugnung« erzählt anhand des Falles David Irving vs. Deborah Lipstadt aus dem Jahr 2000 von der Schwierigkeit, einem Holocaustleugner seine Lügen nachzuweisen. Ein brisantes Thema, phasenweise allzu konventionell inszeniert, jedoch detailreich und treffsicher geschrieben sowie glänzend gespielt
Als neurotischer Knauserer, der sich verliebt, sorgt Dany Boon zwar für lustige Momente, doch meist kann sich »Nichts zu verschenken« nicht zwischen melancholischer Charakterstudie und billigem Klamauk entscheiden
In seinem Filmdebüt »Una und Ray« erforscht der australische Theaterregisseur Benedict Andrews das Thema sexueller Missbrauch auf ergreifende und bestürzende Weise aus der Perspektive einer erwachsenen Frau, die ihre Verwundungen mit eiskalter Berechnung kaschiert
Ganz nah an der Realität und doch dramaturgisch verdichtet: »Tanna – Eine verbotene Liebe« ist zugleich eine ethnologische Dokumentation des Lebens eines ozeanischen Naturvolks und kunstvolle Erzählung eines Romeo-und-Julia-Dramas mit einem funkensprühenden Vulkan als natürlichem Spezialeffekt
Frauen, die hauen: Tiger und Vanilla ziehen durch Berlin und zocken Leute ab, zu spät merkt Tiger die Labilität ihrer Freundin. »Tiger Girl« von Jakob Lass vereint Action und Mumblecore
Dokumentation über den amerikanisch-schweizerischen Fotografen Robert Frank. »Don't Blink« ist ein lebendiges, nicht selten aber auch ermüdendes Panoptikum aus bewegtem Material und Standbildern
Raoul Peck bringt in seinem Essayfilm »I Am Not Your Negro« den vor 30 Jahren verstorbenen afroamerikanischen Intellektuellen James Baldwin zum Sprechen – mit all seiner Gedankenschärfe, seinen ungefälligen Analysen und auch seiner Bitterkeit
Auf dem Weg nach Jerusalem hält der von Ewan McGregor gespielte Jesus meditative Einkehr in der Wüste. »40 Tage in der Wüste« ist ein von Regisseur und Autor Rodrigo García langsam und handlungsarm angelegtes Gedankenexperiment, das den Gottessohn als irdische Gestalt interpretiert
Ein illegaler Einwanderer aus Algerien soll irrtümlich nach Afghanistan abgeschoben werden. Philippe de Chauveron (»Monsieur Claude und seine Töchter«) inszeniert in »Alles unter Kontrolle« eine haarsträubende Verfolgungsjagd durchs Mittelmeer, deren größte Überraschung darin besteht, dass auch Abschiebepolizisten ein großes Herz haben können
Der neu angekommene kleine Bruder lässt alle nach seiner Pfeife tanzen: Die Originalität einer Neuinterpretation der Geschwisterrivalität versandet im neuen Dreamworks-Animationsfilm »The Boss Baby« leider etwas im allzu wirren Plot und der gewollt rasanten Action
Unspektakuläre, aber toll fotografierte Dokumentation über junge Menschen im Gazastreifen. Das Surfen bietet ihnen die seltene Gelegenheit, aus einem Alltag auszubrechen, der von Not, Chaos und wiederholten Raketenangriffen geprägt ist
Natürlich ist Julien Rambaldis Film »Ein Dorf sieht schwarz« über einen aus Afrika stammenden Arzt, der 1975 eine Praxis in der französischen Provinz übernimmt, hochaktuell. Trotzdem erhebt Rambaldi nie den Zeigefinger. Sein Plädoyer für Toleranz besticht stattdessen durch eine heitere Leichtigkeit und eine feine Ironie
Warren Beattys lang gehegtes Herzensprojekt »Regeln spielen keine Rolle«, mit dem er nach fast 20 Jahren Pause auf den Regiestuhl zurückkehrt, schwächelt an vielen Fronten. Schauspielerisch immerhin holen er und seine Mitstreiter das meiste aus dieser nur teilweise auf Fakten basierenden Geschichte über das Hollywood der späten 50er Jahre heraus
»Die versunkene Stadt Z« ist ein Abenteuerfilm wie aus guten alten Zeiten, der sich dem britischen Forscher Percy Fawcett und seinen Expeditionen ins Amazonasgebiet widmet. Dabei enthüllt sich in der Ruhelosigkeit des Mannes auch die Vergeblichkeit des modernen Strebens nach der Entzauberung der Welt
Aki Kaurismäkis neuer Film »Die andere Seite der Hoffnung« erzählt von einem Flüchtling und einem frisch gebackenen Restaurantbetreiber in Helsinki, von Widrigkeiten und von ungeahnter Solidarität. Ein in jedem Detail perfekt inszeniertes, so witziges wie zu Herzen gehendes Werk – der Meister der Lakonie auf der Höhe seiner Kunst
In der nahen Zukunft ist das endgültige Ableben ein hohes Gut, das nur per Versicherungsabschluss garantiert wird. »Stille Reserven« ist ein spröder Science-Fiction-Film aus Österreich, der visuell überzeugt, inhaltlich aber arg klischeebehaftet bleibt
Um den Familienvater Mack von seiner Trauer über die Ermordung seiner kleinen Tochter zu erlösen, lädt Gott ihn höchstpersönlich zu einem Besinnungswochenende ein. »Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott« ist erbaulicher Hochglanzkitsch nach einem Bestseller des Amerikaners William Paul Young
Ein Waffendeal in einer verlassenen Lagerhalle eskaliert zu einem blutigen Schusswechsel. »Free Fire« ist ein Kammerspiel, das die Einheit von Ort und Zeit neben der Ballerei vor allem für Einzeiler nutzt, aber wenig Entwicklung zeigt
Das achte Weltwunder ist wieder da! Der Urvater aller riesenhaften Frauenerschrecker und Sachenzerstörer treibt in »Kong: Skull Island« neuerlich sein Unwesen. Diesmal in einem mit allen tricktechnischen Finessen auf hohem Niveau in Szene gesetzten, laut lärmenden Jahrmarktspektakel, das den beträchtlichen Charme eines altmodischen Abenteuerfilms ausstrahlt
»Alles gut«, der erste lange Dokumentarfilm von Pia Lenz, begleitet Ankunft und erste Monate von zwei Familien in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft und will dezidiert auch ein Statement sein gegen den gerne und leichtfertig gemachten Unterschied zwischen echten Kriegsflüchtlingen und sogenannten Wohlstandsmigranten aus dem Balkan. Das gelingt
Bill Condon wagt sich mit seinem Realfilm-Remake des berühmten Disney-Musicals an eine feministische Re-Vision des berühmten Märchens von der Schönen und dem Biest. Allerdings bleibt Condon auf halber Strecke stehen. So wird sein Film zum Spiegel unserer politisch zerrissenen Gegenwart
Nach Geyrhalters »Unser aller Brot« und Wagenhofers »We feed the World« wieder ein österreichischer – und auch thematisch stark österreich-gewichteter – Dokumentarfilm zur Agrarindustrie in Europa. Viele Neues bringt »Bauer unser« nicht, lässt sich aber sicherlich zu Brainstorming und Agitation in einschlägig interessierten Kreisen einsetzen