Kritik zu Die versunkene Stadt Z
Als Abenteuerfilm alter Schule verfilmt James Gray das Leben und Wirken des britischen Abenteurers und Landvermessers Percival Harrison Fawcett. Mit einem herausragenden Charlie Hunnam (»Sons of Anarchy«) in der Hauptrolle gelingt ihm ein Porträt des Traums von der »Vermessung der Welt«
Percy Fawcett war ein mutiger Mann. Und er war stur und eigensinnig, loyal, verantwortungsbewusst und mit Sicherheit auch ziemlich ehrgeizig. Die einen verspotteten ihn als Fantasten, die anderen bewunderten ihn als Visionär; er selbst war sich seiner Sache nun mal sicher: Eines Tages würde er im Dschungel des Amazonasgebiets die versunkene Stadt Z entdecken und so die Existenz einer Hochkultur beweisen, die vor lang vergangener Zeit blühte. Staunenswerte Artefakte würden unbestreitbar Zeugnis ablegen von vormaliger zivilisatorischer Leistung, wo heute das Herstellen von Schrumpfköpfen und der Verzehr von Artgenossen den Gipfel des Primitiven markieren. Und wieder einmal brechen die Angehörigen der Londoner Royal Geographical Society in höhnisch schallendes Gelächter aus. Was für ein Träumer dieser Fawcett doch ist! Und gefährlich noch dazu, behauptet er doch nicht weniger, als dass im Dschungel kultureller Handlungen fähige Menschen gelebt hätten, wo doch jedermann weiß, dass es dort nur subhumane Stämme gibt und tierähnliche Horden.
James Gray verfilmt mit »Die versunkene Stadt Z« den 2009 erschienenen Sachbuchbestseller von David Grann, der Leben und Wirken des britischen Forschungsreisenden, Abenteurers, Landvermessers und Ethnologen Percival Harrison Fawcett nachzeichnet. Geboren am 31. August 1867 in Torquay, Devon, und im Sommer 1925 am Oberlauf des Rio Xingu in Brasilien verschollen – tragischerweise gemeinsam mit seinem ältesten Sohn –, unternahm Fawcett im Laufe seines bewegten Lebens nicht weniger als sieben Expeditionen in den südamerikanischen Urwald. Die erste führt ihn 1906 ins Quellgebiet des Rio Verde in Bolivien, wo Fawcett eben jene Beweise für eine frühere Ansiedlung zu entdecken glaubt, die ihm fortan keine Ruhe mehr lassen. Er nennt die untergegangene Stadt »Z« und kehrt immer wieder zur Suche nach ihr zurück. Er kann nicht von ihr lassen, sie wird das Sehnsuchtsziel seines Lebens. Seine Frau wird ihm fremd, seine Kinder wachsen ohne ihn auf. Und wo bleibt eigentlich das Glück in dieser unablässigen, in die Ferne gewandten Bewegung?
Das bisherige Werk des in New York aufgewachsenen Regisseurs Gray – darunter die Kriminalfilme »The Yards« (2000) und »We Own the Night« (2007) sowie das Historienmelodrama »The Immigrant« (2013) – überzeugten sowohl mit der Akkuratesse der in ihnen dargestellten sozialen Milieus als auch mit der Aufmerksamkeit, die der Plausibilität von Charakteren und deren Motivationen zukam. Einer Simplifizierung ebenso abhold wie übermäßiger Eile, zeichnet sich Grays Inszenierungsweise durch eine wohltuende Rückbesinnung auf die eher traditionellen Konventionen des Erzählens aus. Sprich: Gray steht für ein Kino, das das ruhige Dahinfließen einem stakkatohaft geschnittenen Vorwärtsstürmen stets vorzieht. Was nicht heißt, dass hier nichts geboten wird. Sowohl die epische Breite als auch ein komplexes Personal und historisch wie geografisch weite Handlungsbögen sind bei Gray in den richtigen Händen.
»Die versunkene Stadt Z« ist ein Abenteuerfilm alter Schule im besten Sinne. Im Zentrum steht mit dem von Charlie Hunnam gespielten Fawcett ein ruheloser Geist, in dem ein Feuer brennt, das ihn schließlich zum gänzlich Unbehausten werden lässt. Zu Hause sehnt er sich nach der Ferne, und in der Ferne vermisst er schmerzlich das Zuhause. Wie auf Messers Schneide steht hier eine Figur, die zugleich als Repräsentant ihrer Zeit wie als einzigartiger Charakter gesehen werden kann: In Fawcett verdichtet sich der imperialistische Gestus des britischen Empires zum unstillbaren Forscherdrang, der den Mann und Familienvater kein Glück, ja nicht einmal Zufriedenheit finden lässt. Das unablässige Aufbrechen zu neuen Ufern, in neue Abenteuer wird, in Verbindung mit der letztlichen Vergeblichkeit all dieser Aufbrüche, zu einer metaphorisch leeren Geste. Es ist der Traum von der Enthüllung der Geheimnisse der Welt, der in »Die versunkene Stadt Z« ausgeträumt wird.
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