Kritik zu Alles unter Kontrolle
Der deutsche Verleihtitel »Monsieur Claude und seine Töchter« hat Philippe de Chauverons vorangegangenem Film bekanntlich nicht geschadet. Dabei waren die Schwiegersöhne viel interessanter. Zwei von ihnen kehren nun zurück
Vielleicht dürfen wir es als Zeichen gesellschaftlichen Fortschritts nehmen, dass die Wahl der Erzählperspektive in diesem Film verblüfft. Die erste Sequenz wiegt uns in der Gewissheit, dass Karzaoui die Hauptfigur sein wird, der fortan unsere Sympathien gehören sollen. Der junge Mann von vorerst unbestimmter arabischer Herkunft ist aufgeweckt: Seinen Platz am Anfang der Schlange vor dem Sozialamt hat er im Handumdrehen an den Meistbietenden versteigert.
Seit einigen Jahren stimmen uns französische Komödien auf solche Komplizenschaften ein.»Alles unter Kontrolle« will es jedoch anders. Als die Polizei nach dem Schelmenstück Karzaouis (Medi Sadoun) Papiere kontrolliert, stellt sich heraus, dass er eine ältere Frau überfallen haben und schleunigst nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Sein Protest, er habe die Papiere nur gestohlen und sei in Wahrheit Algerier, hilft nicht. Alsbald findet er sich in Gesellschaft zweier Polizisten wieder, die ihn nach Kabul begleiten sollen. Die aktuelle Komödienkonvention schriebe nun eigentlich vor, dass die Abschiebepolizisten unsympathische Zeitgenossen sein müssten. In der Tat ist Guy (Cyril Lecomte) ein etwas schlichter Macho. Aber sein Kollege José (Ary Abittan) entpuppt sich als wahrhafter Romantiker, der seine Freundin Maria (Reem Kherici) und deren Sohn über alles liebt. Von nun an übernimmt er die erzählerische Stafette.
José ist ein höflicher und findiger Bulle, dem bislang kein Abschiebehäftling abhandengekommen ist. Die Gewitztheit seines neuen Schützlings stellt ihn jedoch vor ungekannte Herausforderungen. Ein Unwetter zwingt die Maschine zur Notlandung auf Malta, wo nach kurzem touristischem Zwischenspiel eine haarsträubende Verfolgungsjagd beginnt. Die Volten, die der Film dabei schlägt, sind routiniert und die Albernheiten, die er sich zuweilen gestattet, zum Erbarmen. So viel Unfug lässt sich auch durch eine Moral der Versöhnung (natürlich raufen sich die Widersacher zusammen) nicht aufwiegen.
In »Monsieur Claude und seine Töchter« trieb Philippe de Chauveron noch ein ideologisch waghalsiges Spiel mit Klischees und Vorurteilen. Da waren Migranten die besseren Patrioten und ein Schwarzafrikaner der bessere Rassist. »Alles unter Kontrolle« knüpft auf knifflige Weise daran an. Zum einen sind die Hauptrollen mit zwei Darstellern besetzt, die im Vorgänger unliebsame Schwiegersöhne spielen. Zum anderen beschwört der Regisseur die Toleranz zwar als gesellschaftlichen Konsens, versteht es aber nicht, ihr komödiantische Verve zu verleihen. Die einzige reizvolle dramaturgische Bewegung unternimmt de Chauveron, als er José auf die umgekehrte Route schickt, die Flüchtlinge derzeit durch das Mittelmeer nehmen. Der Flic wird in Lampedusa für einen Araber gehalten. Das geschieht ohne ideologische Not und Mechanik: Er ist kein Rassist, der seine Lektion lernen muss. Allzu gern wäre dieser Film die erste Komödie für ein post-xenophobes Zeitalter. Es kann schlimm danebengehen, wenn ein Regisseur überzeugt ist, das Herz auf dem rechten Fleck zu haben.
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