Kritik zu Wolke unterm Dach
Vater, Tochter, Großmutter: Alain Gsponer erzählt von einer großen Liebe und einem tragischen Trauerfall – und davon, wie unterschiedlich die Einzelnen ihre Verluste bewältigen
Eine große, romantische Liebe in Stichpunkten: Kennenlernen über den Wolken, in einem von Turbulenzen geschüttelten Kleinflugzeug. Hochzeit auf einem bayerischen Berggipfel. Einzug ins Häuschen auf dem Land. Das Glück mit der gemeinsamen Tochter Lilly. Und dann das jähe Ende, mitten im Lauf wird Julia (Hannah Herzsprung) aus dem Leben gerissen, durch ein Aneurysma.
Die Liebe ist nur die Grundierung für die eigentliche Geschichte, in der es um Tod und Trauerbewältigung geht, um einen viel zu frühen tragischen Verlust und die unterschiedliche Art, in der Mann, Tochter und Mutter damit umgehen. Während die Mutter Trost in Gott und Kirche sucht, flüchtet der Mann in die Verweigerung und die Tochter in die Fantasie. In ihrem Reich unter dem Dachboden ist die Mutter wieder für sie da, hier kann sie Gespräche mit ihr führen, als lebte sie noch, den Schock der plötzlichen Abwesenheit mildern, sich langsam daran gewöhnen und Trost finden in einer kleinen, fidelen Wolke, als Metapher für die Mutter und ihre Liebe zum Fliegen. Immer wieder hat sie Wolkenformationen fotografiert. Zugleich ist die Wolke auch ein Symbol für den Himmel, in dem man die Verstorbenen wähnt . . .
Trauer ist ungeordnet und unberechenbar, insofern hat es eine gewisse Folgerichtigkeit, dass Alain Gsponer diese Geschichte nicht linear, sondern unstet und ruckelig erzählt, getrieben von aufwallenden Gefühlen und spontanen Ausbrüchen. Ein bisschen penetrant wirkt dabei allerdings der seichte Musikteppich, der die brüchigen Teile wohl doch noch miteinander verkleben soll. Im Kern ist »Wolke unterm Dach«, der auf einer realen Trauergeschichte des Drehbuchautors Chris Silber basiert, eine Vater-Tochter-Geschichte. Während Paul (Frederick Lau) das Haus mit all seinen Erinnerungen an ein vergangenes Leben nicht erträgt, die Wolkenfotos verbannt und nur draußen im Auto schlafen kann, sucht seine Tochter Lilly (Romy Schroeder) die Nähe der Mutter, imaginiert sie sich kurzerhand herbei. Während der Vater sich im Schmerz zu verlieren droht, bleibt die Tochter auch in der unermesslichen Trauer verhältnismäßig geerdet. Während er an den Herausforderungen des Alltags scheitert, sich gehen lässt, in Alkohol flüchtet, im Beruf als Krankenpfleger fatale Fehler begeht, sich in sinnlose Eifersucht versteigt, das Haus im Kampf mit der Bank zu verlieren droht, aufgeben will, findet sie mit Hilfe ihrer Fantasie einen Weg, sich zu arrangieren.
Um das Vater-Tochter-Duo gruppiert sich ein buntes Ensemble von Schauspielern, Barbara Auer zum ersten Mal in der Großmutterrolle, Kida Khodr Ramadan, der seine reale Freundschaft mit Frederick Lau immer häufiger auch vor der Kamera anklingen lässt, Nicolette Krebitz als fürsorgliche Stationsärztin. Zusammen mit Alain Gsponer, der schon in Filmen wie »Lila, Lila« oder »Jugend ohne Gott« ein Gespür für jugendliche Stimmungslagen gezeigt hat, sorgen sie alle dafür, dass die Tragik durch Anteile von Wärme und Humor, von Poesie und Fantasie abgemildert wird.
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