Kritik zu Sommer in Orange

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Wenn die Sannyasin in Oberbayern einfallen: Marcus H. Rosenmüllers neuer Heimatfilm lässt das vermeintlich wilde Leben auf konservative Dörfler treffen

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Das Jahr 1980 liegt in einer Zeit des Übergangs. Ein Jahrzehnt war vorbei, das der Bundesrepublik die stärkste Politisierung ihrer Geschichte gebracht hatte, aber noch waren die bleiernen Jahre der Ära Kohl nicht angebrochen. Bei uns regte sich die ökologische Bewegung, in Polen die Gewerkschaft Solidarnosc, Sex stand noch nicht unter dem Damoklesschwert von Aids. 1980 also lässt Marcus H. Rosenmüller seinen neuen Film spielen, in dem einiges endet und vieles neu beginnt. Im Sommer zieht eine Gruppe von Sannyasin von den kalten Mietskasernen in Berlin in die Idylle eines bayrischen Dorfes. Diese Sannyasins, die mit ihren orangenen Gewändern damals in kaum mehr vorstellbarer Weise das Straßenbild prägten, hatten mit ihrer Verneinung der Kleinfamilie und der Idee des freien Sex natürlich mehr mit den 60ern und 70ern zu tun, als sie sich das eingestehen mochten: der Rückzug der sexual politics ins Private.

In Talbichl wollen sie auf einem geerbten Bauernhof ein »Therapiezentrum« gründen, und kurz nach ihrer Ankunft in Oberbayern macht Rosenmüller klar, worauf es ihm ankommt: Während die Dorfbevölkerung aus der Kirche strömt, führt nebenan auf dem Heuboden die »Kommune« eine Art Urschreitanz auf. Und so lässt Rosenmüller auch fürderhin die Welten aufeinanderprallen und es gagmäßig krachen – wenn etwa Siddharta (Georg Friedrich) in der örtlichen Metzgerei heimlich ein paar Wiener kauft – das »Fleisch toter Tiere« verabscheuten die Schüler des Guru Bhagwan ja auch.

Nun sind Sannyasin und die bodenständige bayrische Bevölkerung leichte Gegner, man kann gut schmunzeln über die verquaste Esoterik der einen wie über die Rückständigkeit der anderen. Rosenmüller ist wie kein anderer Regisseur Deutschlands Regionalist, alle seine Film spielen in Bayern, und hier, so scheint es, hat er sich kräftig beim Volksstück und der Posse bedient, mit eher derbem Humor und Standardsituationen, die leisen Töne seiner beiden großartigen Filme Beste Zeit und Beste Gegend jedenfalls finden sich im Sommer von 1980 nur sporadisch.

Aber vielleicht haben es die beiden Fraktionen, die Libertären wie die Sturköpfe, nicht anders verdient. Und Rosenmüller wendet einen Kunstgriff an, der seinen Film dann doch grundsympathisch wirken lässt: Er betrachtet beide Welten aus der Perspektive der kleinen Lili (Amber Bongard), die sich nichts sehnlicher wünscht, als in den dörflichen Kosmos integriert zu werden: Sie beginnt eine Art Doppelleben im Faltenrock. Mit ihrer Naivität, aber auch ihrer Wärme und ihrer Verachtung schaut der Film auf das gruppendynamische Geflecht der Sannyasin wie auf die Verheißungen einer Blaskapelle. Das Drehbuch stammt von Ursula Gruber, die selbst in einer Sanyasin-WG südlich von München aufwuchs. Und wenn Rosenmüller die Dorfbuben vorführt, wird klar, dass nicht nur bei den Bhagwans die Kinder die Leidtragenden ihrer Eltern sind.

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