Kritik zu Finsterworld

© Alamode

Nach Dokumentarfilmen wie »Weil der Mensch ein Mensch ist« (2007) und »Die große Pyramide« (2010) legt Frauke Finsterwalder ihren ersten Kinospielfilm vor, einen hochkarätig besetzten, hochkünstlichen Heimatfilm in Episodenform

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Frauke Finsterwalder hat bisher als Dokumentarfilmerin gearbeitet. Jetzt hat sie die Kinopoesie entdeckt. Das Drehbuch zu »Finsterworld« hat sie zusammen mit ihrem Mann Christian Kracht entwickelt. Darin malen die Autoren ein Deutschlandbild zwischen Wirklichkeit und Märchen, surrealer Vision und bissiger Satire, Komödie und Kammerspiel. »Finsterworld« ist ein hochkünstlicher Heimatfilm, dem eine gesellschaftspolitische Analyse innewohnt. Es entfaltet sich das Gleichnis von einem Land, in dem das Böse nach wie vor Triumphe feiert. Der ewige Sonnenschein, das magische Licht des Films können darüber nicht hinwegtäuschen. Abgründe, überall.

Die Erzählstruktur des Films ist episodisch. Am Anfang ist noch Idylle: mit dem Song »The Wind« von Cat Stevens (»I listen to the wind, to the wind of my soul«) und Bildern eines Mannes im Wald (Einsiedler, Waldschrat?), der einen Vogel als Partner bei sich aufnimmt. Dann lernt der Zuschauer Claude (Michael Maertens) kennen, einen Fußpfleger, der tief für seine im Altersheim lebende Kundin Frau Sandberg empfindet. Die Hornhaut, die er ihr zärtlich abraspelt, verbackt er später in Keksen; Liebe geht durch den Magen. Markus Förderers Kamera begleitet auch eine Schulklasse (in Uniformen à la England) bei einem Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager. Dominik (Leonard Scheicher), ein archetypischer Außenseiter, entfernt sich von der Gruppe. Ein symbolhaft blonder, herrisch auftretender Mitschüler, Maximilian, hatte mit Dominiks Freundin geknutscht. Ausgerechnet im Konzentrationslager verdeutlicht dieser Maximilian mit einer brutalen Geste, dass der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem einst der braune Ungeist in die Welt kam. Verbindungslinien werden sichtbar. Der blonde Intrigant Maximilian (Jakub Gierszal) ist der Enkel der vom Fußpfleger begehrten Frau Sandberg. Maximilians Eltern, verkörpert von Corinna Harfouch und Bernhard Schütz, leben offenbar im Ausland. Widerwillig und gereizt reisen sie durch Deutschland, ein Biotop, das sie hassen.

Es treten auch noch Franziska Feldenhoven (Sandra Hüller) und Tom (Ronald Zehrfeld) auf: sie eine zickig-selbst umspannte Dokumentarfilmerin, er ein Polizist. Einer, der gern Bärenkostüme trägt und an Treffen mit Gleichgesinnten teilnimmt. Hierin verbirgt sich eine poetisch-politische Analogie. Tom kann sich nur in eine Fantasie einkuscheln, zu Hause erwartet ihn erniedrigende Nichtkommunikation und/oder Zank.

Nichtkommunikation und/oder Zank. Der Grat zwischen hoch gejazzter Banalität und tieferer Bedeutung ist schmal in Finsterwalders Film. Sie hat mit einem Edelensemble szenische Miniaturen von ganz unterschiedlicher Qualität geschaffen. Hüller und Zehrfeld zum Beispiel spielen engagiertes »Kleines Fernsehspiel«. Zwischen Michael Maertens und Margit Carstensen hingegen wird es existenziell. Auch der Deutschlandhass des Ehepaars Sandberg geht dank Corinna Harfouch und Bernhard Schütz unter die Haut. Und der junge Leonard Scheicher ist eine Entdeckung. Doch dann biegt immer wieder das Triviale im Metapherngewand um die Ecke: sei es der Mann im Bärenfell.

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