Kritik zu Die Frau des Zeitreisenden
Mit »Tattoo« machte Robert Schwentke auf sich aufmerksam, nach seinen Eierdieben gelang ihm für »Flightplan« der Sprung nach Hollywood – ob er sich dort nun mit der Verfilmung des seltsamen Bestsellers von Audrey Niffenegger bewähren kann?
Das Kino bewegt sich gern durch Zeit und Raum. Auch wenn Werke wie »Highlander«, »Terminator« und »Benjamin Button« keiner strengen Prüfung durch eine Logik-Kommission standhalten würden – sie haben Erfolg. Der 1968 in Stuttgart geborene Regisseur Robert Schwentke hat 2005 mit Jodie Foster den Thriller »Flightplan« gedreht. Der Plausibilitätsquotient der Geschichte tendierte gegen null, doch Schwentkes erste Hollywood- Produktion war ein glanzvoller Sieg des Suspense über die Logik.
Seinen Weg geht Schwentke nun konsequent weiter, wenn er sich des 2003 in den USA erschienenen Bestsellers »Die Frau des Zeitreisenden« von Audrey Niffenegger annimmt. Das Drehbuch erfindet zwar ein anderes Ende, an der märchenhaften Essenz des Buches hat sich aber nichts geändert. Henry lebt in Chicago. Er leidet an einer Anomalie, die ihn dazu verdammt, spontan durch die Zeit zu reisen. Immer wieder landet er bei Clare, die er als Sechsjährige erstmals trifft. Sie ist sein Fixpunkt: als Kind, als Geliebte, als Frau und Mutter. Einmal trifft er sogar sich selbst und vertraut seinem jüngeren Ich an: »Ich bin du, Henry.« Mit seiner verstorbenen Mutter spricht er in der U-Bahn. Alles klar?
Niffeneggers literarische Vorlage sei ein »Grenzgänger zwischen Science-Fiction und Liebesdrama, Märchen und Reality-Show«, schrieb 2004 die »Welt«. Das Buch leide unter den Absurditäten des Plots und trivialphilosophischen Anläufen. Schwentke und sein Ensemble mit Eric Bana (Henry) und Rachel McAdams (Clare) stellen die aberwitzige Konstruktion nicht etwa aus, sondern unterspielen sie. Die Technik des filmischen Understatement funktioniert, das Unglaubliche erscheint plötzlich plausibel.
Am leichtesten fällt es den Kinderdarstellern, sich in Audrey Niffeneggers Universum zurechtzufinden. Fantasiewelten sind Teil ihres Lebens. Brooklynn Proulx ist Clare im Alter von sechs und acht Jahren, Hailey McCann spielt Tochter Alba mit neun und zehn Jahren, Tatum McCann verkörpert sie im Alter von vier und fünf. Die großen Themen des Films, Liebe, Vergänglichkeit und Tod, nehmen die jungen Schauspieler mit zu Herzen gehender Intensität an.
Florian Ballhaus' poetische Bildersprache erschafft eine Zwischenwelt aus herbstlichen Brauntönen, es sind die Farben der Tragödie. Erst am Ende erweitert sich die Farbpalette, dann kommt ein kräftiges, optimistisches Himmelblau zu seinem Recht. Henrys Zeitreisen werden chronologisch fassbar: Die Kamera nimmt zum Beispiel längst ausgestorbene Stereoanlagen in den Blick. Ein anderes Mittel sind Popzitate. Bei der Hochzeit von Clare und Henry spielen sie »Love Will Tear Us Apart« von Joy Division.
Eric Bana gibt seinem Henry viele Facetten: Sanftmut, leise Verzweiflung und eine gewisse existenzielle Härte. Er kennt die Zukunft, aber er kann sie, ebenso wenig wie seine Zeitreisen, nicht beeinflussen. Zusammen mit Rachel McAdams' leidenschaftlicher und leidensfähiger Clare verkörpert er eines der ungewöhnlichsten Liebespaare des Kinos. Sie sind nicht von dieser Welt, aber sie kommen dem Zuschauer ganz nah.
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