Kritik zu Like A Complete Unknown
Biopic über Bob Dylans frühe Jahre, den Weg zum Star eigener Ordnung und die Rebellion gegen die Vereinnahmung durch Musikindustrie und dogmatische Fans
Regennass sind die Straßen, grau der New Yorker Stadthimmel, Rauch strömt aus dem Auspuff der vielen Autos. Ein junger Mann, selbstbewusst genug, um sein Idol Woody Guthrie zu besuchen, und doch ein Niemand in diesen Straßen, geht steten Schrittes auf ein Krankenhaus zu. Einen alten Rucksack auf dem Rücken, in der Hand einen Gitarrenkoffer. Wir schreiben das Jahr 1961, aus dem Kunststudenten Robert Zimmermann war bereits der Folksänger Bob Dylan geworden, als er an das Krankenbett des Menschen trat, dem er musikalisch schon so lange nacheiferte. Woody Guthrie (Scoot McNairy), durch seine Nervenkrankheit Chorea Huntington verstummt, liegt in einem zwar übergroßen, aber durch und durch schäbigen Einzelzimmer und hat gerade Besuch von niemand Geringerem als Pete Seeger (Edward Norton), als Dylan (Timothée Chalamet) eintritt. Nach einer kurzen Unterhaltung wird er seinen »Song to Woody« vortragen, zumindest was den Text angeht, eines der ersten eigenen Stücke von Dylan, das sich dann auch auf dem ersten Album mit Coverversionen wiederfindet.
Schon in dieser Szene wird eines klar: James Mangold, 1963 in New York geboren, kennt die Zeit, von der er erzählt, die Straßen New Yorks, die Clubs und Cafés, aber auch die Krankenhäuser. Und er stellt einen jungen Musiker vor, der zwar noch complete unknown ist, aber nicht gedenkt, es zu bleiben. Was Pete Seeger sofort erkennt.
In der Folge können wir dabei zuschauen, wie sich eine Starpersönlichkeit entwickelt. Und das hängt vor allem an der hervorragenden Leistung von Timothée Chalamet. Hatte Todd Haynes in »I'm Not There« noch sechs verschiedene Darsteller gebraucht, um Dylan Herr zu werden, so reicht hier einer. Mit großem Respekt vor der Musikerlegende habe er sich fünf Jahre lang darauf vorbereitet, Bob Dylan zu werden, sagte Chalamet dem Musikmagazin »Rolling Stone«. Während der Dreharbeiten isolierte er sich komplett von seiner privaten Umwelt, »Timothée Chalamet kann ich noch mein ganzes Leben sein«, sagte er, »jetzt geht es um mehr«.
Tatsächlich interpretiert er die Songs selbst. Die raue, noch etwas unsichere Stimme Dylans, sein windiges Mundharmonikaspiel, die einfachen Gitarrenparts studierte er mit ca. vierzig Songs ein, von denen es dreizehn in den Film schafften. Regisseur James Mangold hatte bereits Joaquin Phoenix erfolgreich als Johnny Cash in »Walk the Line« im Live-Gesang geschult und führt Chalamet mit großer Finesse, so, dass man nicht merkt, welche Arbeit hinter dieser Performance steckt.
Und das ist ein Punkt, der diesen Film so authentisch und so sehenswert macht. Ein anderer, dass Dylan hier nie umschmeichelt oder überstrahlt gezeichnet wird. Dies ist keine Hagiografie, vielmehr ahnt man schon in dieser frühen Zeit, dass »His Bobness« irgendwann zu einem unleidigen genialen Star wird, dem alles, auch sein Publikum, egal zu sein scheint. Bis zum Nobelpreis, den er nicht selbst entgegennahm.
Höhepunkt des Films ist daher fraglos die Szene, in der er seinen eigenen Weg betrat, ankündigte, nicht weiter auf »Maggies Farm« arbeiten zu wollen. Beim Newport Folkfestival, bei dem er zuvor brav seine Songs vorgetragen hatte, immer wieder mit der damals viel berühmteren Joan Baez, betrat er 1965 mit einer Band die Bühne, um den Hals eine E-Gitarre. Raue Riffs aus dem Rock'n'Roll schockierten Fans und Veranstalter. Pete Seeger konnte zwar erkennen, in welche Richtung sein Zögling davonzog, konnte ihn aber nicht aufhalten. Mit diesem Auftritt schaffte Dylan aus Folk, Rock, Blues und Gospel einen eigenen Sound, der ihn in den Himmel der Popmusik führen sollte. Zwar mit »No direction home«, wie die von Scorsese verfilmte Biografie von Robert Shelton untertitelt ist, doch keineswegs als »a complete unknown«. Beide Zitate aus dem Song »Like a Rolling Stone« sind programmatische Titel geworden, wenngleich dieser Film auf dem Buch »Dylan Goes Electric!« von Elijah Wald basiert, das den passenden Untertitel »Newport, Seeger, Dylan, and the Night That Split the Sixties« trägt. Viel mehr braucht es nicht, um zu verstehen, wo Bob Dylan tatsächlich herkommt.
Kommentare
Like a complete...
Der Film ist grossartig, durch chalamet, er nimmt einen total mit.Dachte erst zb joan Baez wäre schwach besetzt, aber gegen ihn ... fallen alle etwas zurück
Tolle Musik, sonst Abklatsch
Wer Bob Dylan nur sehr flüchtig kennt, ist mit dem Film sicher nicht schlecht bedient. Die Musik ist herausragend gemacht. Auch die Performance von Chalamet. Sonst ist der Film ein durchschnittliches Biopic, dass wenig aus den Charakteren macht und auch sonst vieles nur andeutet. Den Umgang mit Ruhm kennt man schon aus zig besseren Filmen, der Mythos Dylan wird nur angekratz und nichts damit gemacht. Für mich ein Bob-Dylan-Abklatsch, wo man jede Anekdote reinquetschen musste. Wer in den Mythos Dylan Einsicht haben will sollte ,I‘m not there‘ schauen. Dass dort Bob Dylan von verschiedenen Darsteller:innen gespielt wird, ist die geniale Entscheidung und zeigt die Unmöglichkeit Dylan ganz zu fassen.
Filmbewertung: like a complete unknown
die Bedienung zum bewerten eines Films ist etwas ungünstig. ich wollte „like a complite unknown“ mit 5 bewerten (wie die epd Filmkritik). es ist nicht klar, wo man deaufklucken muss. es wird die durchschnittliche Bewertung angezeigt. in der Vermutung dass ich beim Draufklicken auf die eigene Bewertung komme, habe ich versehentlich mit 3 bewertet. es gibt kein Bestätigungs Ok.
könnten Sie bitte meine Bewertung wenn möglich wieder entfernen (es ist die zweite 3).
vielen Dank
Christoph
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