Kritik zu Napoleon

© Sony Pictures

»Du bist nichts ohne mich!« verkündet Joséphine schon früh ihrem Gatten Napoleon und stellt damit klar, wer tatsächlich hinter dem Machtwillen des selbstgekrönten Kaisers der Franzosen steckt. Ridley Scotts Biopic galoppiert durch drei Jahrzehnte europäischer Geschichte und erzählt zwischen eindrücklichen Schlachtengemälden die Komödie einer Ehe

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Den Zweispitz trägt er anfangs in einer leichten, gleichwohl kecken Diagonale auf dem Haupt. Erst vor der Schlacht, die seinen Ruhm und seine Karriere begründen soll, rückt er ihn zurecht. Er wappnet sich: Die Aufgabe, die vor ihm steht, will frontal angegangen werden.

Dieser Napoleon muss erst in das Bild finden, das er von sich selbst entwerfen wird. Ob er dabei schon jenes im Blick hat, das die Geschichtsschreibung dereinst von ihm zeichnen wird? Selbst ein begnadeter Stratege wie er kann das Kriegsgeschick nicht mit Gewissheit voraussagen. Ein Soziopath hingegen hat klare Vorstellungen davon, wie die eigene Zukunft auszusehen habe. Joaquin Phoenix, Drehbuchautor David Scarpa und Regisseur Ridley Scott halten ihren Titelhelden in der Schwebe zwischen beidem. Schräg wird ihr Napoleon bleiben, auch wenn sein Zweispitz fortan richtig sitzt.

Er hat wenig gemein mit dem Triumphator, den Jean-Louis David malte und die meisten Historiker überliefern. Mit der selbstzufrieden in die Weste gesteckten Hand wird man ihn niemals sehen. Augenblicke der Entspannung oder doch zumindest des Innehaltens gewährt der Film ihm nicht. Er ist ein Getriebener. Das Format des Feldherrn traut man ihm nur auf dem Schlachtfeld zu. Abseits davon gebärdet er sich als grober Klotz, zuweilen gar als ausgemachter Tölpel. Dies ist mitnichten der visionäre Gesetzgeber, der in seiner Jugend ein aufmerksamer Leser von Platon, Voltaire und Goethe war. 

Die Beharrlichkeit, mit der das Dreigestirn aus Regisseur Ridley Scott, Drehbuchautor David Scaroa und Darsteller Joaquin Phoenix, das ihn erfunden hat, ihrem Protagonisten jegliche Souveränität austreiben, besitzt schon ein gerüttelt Maß an Nonchalance. Natürlich können sie nicht umhin, auf die Legende seiner geringen Körpergröße anzuspielen – während des Ägyptenfeldzugs muss er auf einen Schemel steigen, um Zwiesprache mit der Mumie eines Pharaos zu halten –, aber diese entsprang womöglich ja ohnehin nur britischer Propaganda.

Überhaupt: Wann hätte je ein britischer Filmemacher die Französische Revolution in einem positiven Licht gezeigt? Die Abschaffung des Adels war schließlich ein ruchloser Affront. Bei Ridley Scott ist die Große Re­volution ein einziges jeu de massacre. Der entfesselte Mob schaut Hinrichtungen als einer Volksbelustigung zu und in der Nationalversammlung herrschen Chaos und Handgemenge. Wie es Napoleon gelang, in diesem Durcheinander die Kaiserkrone an sich zu reißen, mag das Drehbuch allenfalls hinreichend nachvollziehen. Allerdings vertraut es auf dessen unbedingte Machtgier. Scott hat beträchtliches Vergnügen an der Fama des korsischen Emporkömmlings, der es nicht abwarten kann, den gekrönten Häuptern der besiegten Länder auf Augenhöhe zu begegnen. Sein »Es ist schön, endlich mal einem anderen Kaiser zu begegnen!« ist ein garantierter Lacher.

Sein Beweggrund ist die Kränkung. Er will seine Gegner nicht nur schlagen, sondern demütigen. Das wird besonders deutlich in der Schlacht von Austerlitz, die Scott (wie alle anderen der im Film dargestellten Schlachten auch) mit bezwingender logistischer Verve und dem Gespür für unverhoffte Details in Szene setzt. So immersiv und blutig hat man den Krieg in vorindustrieller Zeit auf der Leinwand noch nicht erlebt. Das unwägbarere Schlachtfeld ist für diesen Napoleon freilich die Ehe mit Joséphine de Beauharnais, die Vanessa Kirby mit beherztem Amüsement und einer Ahnung von Verletzbarkeit spielt.

Scott inszeniert ihre Allianz als robuste Komödie der Abhängigkeiten. Ulkig, wie rasch das Paar den Beischlaf jeweils hinter sich bringt. Erotisch reizarm ist diese Beziehung nicht, denn hier treffen sich zwei, die unerschütterlicher mondäner Ehrgeiz verbindet. So mag sich mancher wohl die Ehe zwischen Carla Bruni und Nicolas Sarkozy vorgestellt haben. In diesen ungalanten Scharmützeln scheinen die Machtverhältnisse bald festzustehen. In der Figur des Siegreichen, der sich der Liebe und eigenen Männlichkeit nicht gewiss sein kann, schreiben Phoenix und Scott gewissermaßen ihre Studie des Commodus aus »Gladiator« fort. Die Staatsräson und Familienehre der Bonapartes teilen Joséphine indes die schlechteren Karten zu. Damit hört ihre Liebesgeschichte nicht auf. Sie ist das Herzstück des Films, sein ausgiebiger Mittelteil, den das Drehbuch raffiniert mit der Militärhistorie verknüpft. Wer weiß, vielleicht brach Napoleon ja wirklich aus Eifersucht den Ägyptenfeldzug ab und kehrte deshalb auch vom Exil auf Elba zurück? 

Meinung zum Thema

Kommentare

Musste das sein? Ohne Not solche Unstimmigkeiten: Napoleon mit Hasenscharte. Malmaison in England? Atelleriekugeln treffen die Spitzen der Pyramiden. Falsches Geburtsdatum bei der Eheschließung. Bei der Revulution 1789 war Napoleon 20 Jahre alt, bei Toulon 24. Sein Darsteller weit davon entfernt. Bei der Hinrichtung von Marie Antoinette war Napoleon nicht in Paris und ihr waren vorher längst die Haare abgeschnitten worden. Der Code Napoleon wurde sicherlich nicht von einem ungebildeten Schlächter erdacht.......

Der Film ist Mist und ist mir ein Rätsel warum dieser Schund hier drei Punkte bekommen hat.

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