Karriere durch Serie

TV-Stars auf der großen Leinwand
Emilia Clarke als Daenerys Targaryen in »Game of Thrones«

Emilia Clarke als Daenerys Targaryen in »Game of Thrones«

Früher konnten TV-Stars im Kino nichts werden. Heute läuft das ganz anders – vor allem für die Schauspieler aus der Kultshow »Game of Thrones«

Die Drachenmutter
Emilia Clarke, 1986, London

Zunächst war sie nur zweite Wahl: Als Tamzin Merchant für die Rolle der Daenerys Targaryen ausfiel, wurde flugs die unbekannte Emilia Clarke besetzt. Die Britin hatte zuvor am Drama Centre in London studiert, Theater gespielt und war in einer Folge der Serie »Doctors« sowie einem trashigen TV-Abenteuer um wiederbelebte prähistorische Skelette mit dem Titel »Triassic Attack« zu sehen. So hatte sie immerhin Erfahrung mit Dinosauriern, als sie in »Game of Thrones« zur Drachenmutter und schlagartig berühmt wurde.

Als Daenerys war sie zunächst ein Mädchen in Not, hübsch und geknechtet, zwangsverheiratet mit dem raubeinigen Reitervolk-Herrscher Khal Drogo. Dann aber – und das macht einen Großteil der Faszination dieser Figur wie auch der Schauspielerin aus – wuchs ihre Daenerys durch Blut, Schweiß und Tränen zur selbst- und machtbewussten Herrscherin heran. Auch der Babyspeck, den man im zarten Gesicht anfangs noch ahnen konnte, schien zu verschwinden. Kristallisationspunkt ihrer Selbstermächtigung: die ikonische Szene ihrer Wiedergeburt am Ende der ersten Staffel, in der sie bei Drogos Feuerbestattung freiwillig in die Flammen geht, um danach unversehrt der Asche zu entsteigen, mit ihren frisch geschlüpften »Babys« im Arm. Fortan war sie »Khaleesi« und wird aller Voraussicht nach noch eine Weile um die Herrschaft in Westeros kämpfen und damit im Zentrum des Fankults um »GoT« stehen.

»Terminator: Genisys« (2015). © Paramount Pictures

Emilia Clarkes eigene Emanzipation aus dem Serienuniversum und auf die große Leinwand verläuft etwas zögerlich, und wie wandlungsfähig die Schauspielerin ist, wird sich erst erweisen. Viel Publicity bekam sie jedoch im vergangenen Jahr als die neue Sarah Connor in »Terminator: Genisys«, während sie nebenbei von »Esquire« zur »Sexiest Woman Alive« gekürt wurde. Ansonsten spielte sie in kleineren Produktionen wie im Coming-of-Age-Drama »Spike Island« und in »Dom Hemingway« an der Seite von Jude Law. In diesem Jahr wird sie in der Romanverfilmung »Me Before You« nach Jojo Moyes' »Ein ganzes halbes Jahr« und im Mystery-Drama »Voice from the Stone« im Kino zu sehen sein. Ob Emilia Clarke irgendwann von Passanten nicht mehr nur als »Khaleesi« angesprochen werden wird?

Patrick Seyboth
 

Der Mythische
Norman Reedus, 1969, Hollywood / Florida

Zeig mir deine Waffe, und ich sag' dir, wer du bist. Nehmen wir zum Beispiel Norman Reedus als Armbrustschützen Daryl in »The Walking Dead«: Ein Typ, der zu Beginn als fieser Redneck eingeführt wurde, von dem man aber trotzdem nie den Blick lassen konnte. Seine Waffe der Wahl steht für Durchschlagskraft, für Archaik und Individualismus, bei genauerem Hinsehen aber auch für eine Fähigkeit zur Präzision und Sensibilität. Entsprechend wandelte sich Daryl im Lauf der bislang sechs »Walking Dead«-Staffeln vom faschistoiden Killer zum, nun ja, Frauenversteher und gar nicht so heimlichen Publikumsdarling. Dass Reedus dabei immer auch ein bisschen ungewaschen aussieht, macht die ambivalente Anziehungskraft nur prickelnder. Ob sich dieser Reiz erfolgreich in Kinorollen übertragen lässt, muss sich noch zeigen. Als Mittzwanziger in den Neunzigern war Norman Reedus Fotomodell für Prada und zeigte sich in frühen Filmrollen vorzugsweise im Unterhemd. Er war (und ist) ein ähnlicher Typ wie der junge James Remar: drahtig und von einer speziellen blue collar sexiness, ein bisschen vulgär, aber kein primitiver Macho. Er hatte eine Hauptrolle in dem Selbstjustiz-Kultfilm »Der blutige Pfad Gottes« (1999) und war in dem Mysterydrama »Dark Harbor« ein verletzlich wirkender Poet. Zum Frauenschwarm brachte er es trotzdem erst als Zombiekiller mit Anfang 40. Interessanterweise waren seine Rollen vor »Walking Dead« spannender als die danach.

»Triple 9« (2015). © Wild Bunch

Erst in den letzten zwei, drei Jahren bekam Reedus wieder Parts in ambitionierteren Filmen: In Wayne Kramers bitterböser Drogenfarce »Gangster Chronicles« als Crystal-Meth-Koch, der von einem Bogenschützen (!) überfallen wird; in der Milieustudie »Sunlight Jr.« als latent aggressiver Exfreund von Naomi Watts; und in dem Thriller »Triple 9« als moralisch ambivalenter Bankräuber, der leider viel zu früh das Zeitliche segnet. Erfolgreich war keiner der Filme. Ein Glamourstar wird Norman Reedus wohl nicht mehr. Aber mehr als eine Armbrust sollte man ihm zutrauen.

Kai Mihm
 

Die Eigenwillige
Natalie Dormer, 1982, Reading, UK

Heute kennen sie die meisten als Margaery Tyrell aus »Game of Thrones«, einen Namen machte sich Natalie Dormer aber schon zuvor mit einer anderen unglücklichen Königinnenrolle: Zwei Staffeln lang spielte sie Anne Boleyn in der Showtime-Serie »Die Tudors«. Der »Boston Herald« schwärmte davon, wie Dormer aus Anne eine »rebellische, eigenwillig unabhängige, tragische Heldin« machte, die an Filme wie »Rebel With­out a Cause« und »Cool Hand Luke« denken lasse. Tatsächlich geht von Dormer trotz fast perfektem Prinzesinnengesicht – ihr Lächeln ist in berühmter Weise asymmetrisch! – auch etwas Herbes und Trotziges aus, das ihre Figuren aus der Menge der schönen jungen Leinwandgestalten hervorstechen lässt.

»Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2« (2015). © Studiocanal

Als Propagandafilmerin Cressida durfte sie in »Die Tribute von Panem: Mockingjay« diese herben Züge mithilfe eines an der Seite rasierten Schädels auch unterstreichen. Dormer studierte Schauspiel in London an der Webber Douglas Akademie. Ihren ersten Kinoauftritt absolvierte sie bereits 2005 in Lasse Hallströms komödiantischem Biopic über den jungen »Casanova« (mit Heath Ledger in der Titelrolle), wobei sie so viel Eindruck machte, dass Touch­stone Pictures sie gleich für drei Filme unterschreiben ließ, aus denen aber nichts wurde. Dormer spielte stattdessen kleinere Rollen in Serien wie »Elementary« und in Filmen wie »Rush«, »Captain America: First Avenger« und »The Forest«. Außerdem lief sie bereits zwei mal (2014 und 2016) beim London-Marathon mit (in sehr respektablen 3 Stunden und 51 Minuten). Leider erst 2017 startet ihr bislang vielleicht interessantestes Filmprojekt: der Horrorthriller »Patient Zero«, bei dem Stefan Ruzowitzky Regie führt. 

Barbara Schweizerhof
 

Der Mann aus dem Norden
Richard Madden, 1986, Elderslie, UK

Als sein Robb Stark – Spoiler-Alert! – dem als »Red Wedding« bekannten Massaker zum Opfer fiel, begriffen auch die gutgläubigsten unter den Fans, dass in der »Game of Thrones«-Welt kein Held seines Lebens sicher sein kann (außer vielleicht Jon Snow). Zumal auf Robb als neuem »King of the North« so viel Hoffnungen lagen . . . Der beträchtliche Ruhm, den ihm die Robb-Rolle einbrachte, führte für den 30-jährigen Schotten, der seit seinem 12. Lebensjahr professionell schauspielert, bislang noch nicht zu starken Kinoauftritten. Die Stefan-Zweig-Verfilmung »A Promise« (2013), in der Madden sehr eindrücklich den jungen Aufsteiger spielt, der sich in die Frau seines Chefs (Alan Rickman) verliebt, kam nicht ins deutsche Kino. In »Cinderella« (2014) hatte er als Prinz neben Lily James zu wenig zu tun. Als amerikanischer Taschendieb in Paris macht er aktuell in »Bastille Day« eine passable Figur. Für die demnächst startende Serie »Medici: Masters of Florence« geht es zurück ins Kostüm: Neben Dustin Hoffman als Dynastiegründer Giovanni verkörpert Madden Cosimo, den Mann der die Medici groß gemacht hat.

Barbara Schweizerhof
 

Der Bad Boy
Taylor Kitsch, 1981, Kelowna, Kanada

Der junge Arzt Dr. Lewis kommt in einen heruntergekommenen Fischereihafen in Neufundland. Die Gemeinde versucht, ihn um jeden Preis zu halten – die petrochemische Industrie braucht zur Ansiedlung einen Arzt. Aber dieser Dr. Lewis in »Die große Versuchung« (2013) hat Abgründe; er wurde wegen Koksbesitz in die Provinz verdonnert. Ein bisschen Tim Riggins ist in allen Rollen, die Taylor Kitsch gespielt hat. Tim Riggins, das war der American-Football-Fullback in »Friday Night Lights«, ein Mann mit langen, meist ungewaschenen Haaren, großem Charme und wenig guten Absichten. Nach dieser Serie wird man Football immer noch nicht genau verstehen, aber den Kosmos des erfundenen texanischen Städtchens Dillon. Schon in der Laufzeit der Serie, 2006–2011, hatte der kanadische Schauspieler seine vielleicht bedeutendste Rolle: als ständig bedröhnter Kriegsfotograf im Südafrika der Apartheid in »The Bang Bang Club« (2009). Kitsch hat es im Mainstream versucht, in »Battleship« und »John Carter«, aber als depressiver Highway-Polizist in der zweiten Staffel von »True Detective« stiehlt er Colin Farrell und Rachel McAdams die Schau.

Rudolf Worschech
 

Die Respektsperson
Idris Elba, 1972, London

Acht Jahre lang hat sich Idris Elba geduldig mit kleinen Rollen in mittelmäßigen TV-Shows herumgeschlagen, bis er in der epischen Krimiserie »The Wire« als Drogendealer Stringer Bell die Gelegenheit bekam, aus einer typischen Rolle für einen schwarzen Darsteller etwas ganz Besonderes zu machen. Statt Goldketten und Hoodie trägt er gut sitzende Anzüge, und vom ersten Moment an, in dem man das raue, tiefe Raspeln seiner Stimme hört, baute er die unaufgeregte Autorität seiner Respekt gebietenden Erscheinung aus. Schmutzige Drogendeals organisierte er nach den Gesetzen der Marktwirtschaft, die er sich in der Abendschule aneignete.

TV-Serie »Luther« (2011). © BBC

Ein gutes halbes Jahrzehnt später bekam Elba mit »Luther« seine eigene Serie und so, wie er in »The Wire« alle Vorstellungen von Underdog-Kriminalität unterläuft, lädt er hier den explosiven Londoner Mordermittler mit krimineller Energie auf. Von Autor Neil Cross als Kreuzung zwischen Sherlock Holmes und Columbo konzipiert, muss Elba weder rauchen noch Whiskey trinken oder schießen, um dem britischen Cop amerikanisches Flair zu verleihen. Als Sohn einer Mutter aus Ghana und eines Vaters aus Sierra Leone eignete er sich im Londoner East End eine street credibility an, die auch im unberechenbaren Temperament von »Luther« durchschlägt. Längst spielt Elba in Marvel-Blockbustern und bei Größen wie Ridley Scott, Guillermo del Toro oder Cary Fukunaga. Als Nelson Mandela schlug er eine Brücke zwischen der jugendlichen Hitzigkeit und der innerlich gereiften Ruhe des berühmten Freiheitskämpfers. Und viele können sich vorstellen, dass er auch als James Bond einen Bösen spielt, der zufällig bei den Guten gelandet ist, oder umgekehrt.

Anke Sterneborg
 

Die Klassefrau
Cobie Smulders, 1982, Vancouver

Im sich ausdehnenden Marvel-Universum übernimmt sie seit dem ersten »Avengers«-Ensembleauftritt 2012 die Rolle der Comicfigur Maria Hill, die sie mit dominahafter Strenge verkörpert. Dabei wurde die androgyne Schönheit als lachlustige Reporterin Robin in der Comedyserie »How I Met Your Mother« bekannt. Doch schon in dieser kultigen Sitcom, die nach neun Jahren 2014 in einem umstrittenen Finale endete, blieb sie als irgendwie männliche, untussihafte Klassefrau, die immer für einen derben Scherz zu haben ist, im Gedächtnis. »Sie sind wie Weiber, diese Typen«, spöttelt sie, wenn einer aus ihrer Clique plötzlich gefühlig wird, und hat selbst große Probleme, sich auf jemanden einzulassen. Jenseits der »Avengers«-Fantasywelt macht sich Smulders gerade einen Namen als Charakterdarstellerin in einer schrumpfenden Sparte: in Filmen, die sich dezidiert an Erwachsene richten.

»Results« (2015). © Peripher Filmverleih

Allseits gelobt wurde sie für ihre Hauptrolle im Drama »Unexpected«, in dem sie sich als ungewollt schwangere Lehrerin einer städtischen Schule mit ihrer schwangeren Schülerin anfreundet. In der schrägen Komödie »Results«, die dem »Mumblecore«-Biotop zugerechnet wird, spielt sie eine ehrgeizige Fitnesstrainerin. Mit Spannung erwartet wird der Start des Ensembledramas »The Intervention«, in dem sich befreundete Paare zu einem Wochenende treffen; der Film wird bereits als Update von Lawrence Kasdans Klassiker »Der große Frust« gehandelt. Die hochgewachsene Kanadierin mit dem athletischen Hardbody, die lange als Model arbeitete, war aber auch für »Wonder Woman« in der engeren Wahl. Es blieb vorerst bei Maria Hill, die als kampfstarke, in schwarzes Leder gekleidete Superheldin zwar ohne übernatürliche Mätzchen auskommt, bisher aber vor allem als Nick Furys Stichwortgeberin auffiel. Nicht nur optisch ähnelt Cobie Smulders deshalb anderen Exmodels und Superfrauen unter »ferner liefen« wie Carrie-Ann Moss in »Matrix« und Famke Janssen bei den »X-Men«. Man darf gespannt sein, ob da mehr draus wird.

Birgit Roschy
 

Der Neurotiker
Adam Driver, 1983, San Diego

In »Girls« ist er für merkwürdige Sexszenen und Stadtneurosen zuständig, in »Star Wars: The Force Awakens« für plötzliche Todesfälle und galaktischen Irrsinn. Ganz normal scheint nicht das Ding von Adam Driver zu sein, der sich in wenigen Jahren in Hollywoods erste Liga hochgerobbt hat. 2011 debütierte er in Eastwoods »J. Edgar«, es folgten Nebenrollen in »Lincoln«, »Frances Ha« und »Inside Llewyn Davis«. Driver, der bedauert, dass er eine Laufbahn beim Militär abbrechen musste, scheint von Haus aus gut geerdet. Als Lena Dunhams On-and-off-Freund in der Comedyshow »Girls« wirkt er mit seinen 1,89 raumgreifend und ein bisschen verschwitzt, Gitarren und Heimwerkerbedarf packt er so beherzt wie Dunhams Po. Aber der Part, der ihm drei Emmy-Nominierungen einbrachte, hat auch eine instabile,  verletzliche Komponente. Und die hat Driver ausgebaut.

»Girls« Staffel 1 (2012). © HBO

Als verängstigter Vater in dem Drama »Hungry Hearts« gewann er in Venedig die Coppa Volpi. In Noah Baumbachs »Gefühlt Mitte Zwanzig« spielt er einen Hipster, den man nach Fritz Riemanns »Grundformen der Angst« wohl als schweren Hysteriker klassifizieren muss: Der Mann macht aus allem eine Inszenierung – ein soziopathischer Blender, dessen Charme gefährlich wäre, würde man ihn aus dem Genre der verlaberten Szenekomödie herauslösen. Womit wir bei »Star Wars« wären. Drivers Kylo Ren, der unter einem Fetisch-Outfit ein engelhaftes Gesicht und einen Daddy-Komplex von der Größe des Todessterns verbirgt, kann man nur raten, mit Marvels Loki eine Selbsthilfegruppe aufzumachen: Ich bin ein Emo – kann ich die Welt erobern? Dass man mit einer so populären Rolle heute nicht mehr im Blockbusterkino versumpfen muss, beweist Driver genauso wie der Kollege Hiddleston. Demnächst ist Driver als geheimdienstlicher Nerd in Jeff Nichols' »Midnight Special« zu sehen, gerade hat er für Jarmusch und Scorsese vor der Kamera gestanden. Was immer er künftig tut – wir werden es nicht vorhergesehen haben.

Sabine Horst
 

Die Gothic Beauty
Sophie Turner, 1996, Northampton

Sie sei eine »natural blonde« – das ist so ziemlich die erste Information, die aus dem Internet ins Auge springt, wenn man Sophie Turner nachforschen will. Was umgekehrt für die große Popularität ihrer Verkörperung von Sansa Stark mit ihren langen, roten Haaren in »Game of Thrones« spricht. Dabei sah es vor fünf Jahren, während der ersten Staffel, noch so aus, als habe die 1996 in Northampton, England Geborene eine der undankbarsten der ohnehin schon eher undankbaren weiblichen Rollen der Serie. Doch aus dem denkfaulen, verwöhnten Prinzesschen, das der Heirat mit dem Thronfolger noch entgegenfieberte, als der sich schon als Psychopath entlarvt hatte, ist inzwischen eine durch erlittenes Leid selbstständiger denkende und agierende junge Frau geworden. Ein Prozess, den Turner wunderbar durchsichtig zu verkörpern wusste, obwohl ihr nie viel »Screentime« zugestanden wurde.

»X-Men: Apocalypse« (2016). © 20th Century Fox

Große Selbstständigkeit verraten aber auch die Filmprojekte, die Turner sich ausgesucht hat, seit der Ruhm der Serie sie zum »bankable« Star machte: Ihren ersten Kinoauftritt lieferte sie mit Isabel Coixets »Another Me«, ab, einem Indie-Thriller, in dem sich ein junges Mädchen von einer geheimnisvollen Doppelgängerin verfolgt fühlt. Zwar war der Film genauso wie der Spionagethriller »Secret Agency: Barely Lethal«, wo sie an der Seite von Hailee Steinfeld spielte, eher ein Flop, doch davon scheint Turner sich nicht entmutigen zu lassen. Mit ihrem Auftritt in »X-Men: Apocalypse« erledigt sie nun das aktuelle Standardprogramm für aufstrebende Talente: einmal in einem Blockbuster herumstehen, doch schon ihre nächsten zwei Kinofilme lassen mehr erwarten: In Matthew Coppolas »Alone« wird sie die Freundin eines traumatisierten Veteranen spielen, und in »Mary Shelley's Monster« darf sie als Frankenstein-Schöpferin erneut ihren Hang zum »Gothic« ausstellen.

Barbara Schweizerhof
 

Der Abgründige
Jamie Dornan, 1982, Belfast

Handschellen, Augenbinden und Sextoys – diese Assoziation hat man momentan bei dem irischen Schauspieler Jamie Dornan, auch wenn die Verfilmung von »Fifty Shades of Grey«, in der er den Titelhelden spielt, vieles ist, aber wider Erwarten nicht übermäßig anzüglich. Bei Serien wie »Game of Thrones« kommen die Zuschauer da mehr auf ihre Kosten. Zugegebenermaßen hat der vielfach verrissene Film nicht zum guten Ruf des Schauspielers beigetragen, aber es ist nicht zu bestreiten, dass er Dornan zu internationaler Bekanntheit verholfen hat. Diese weiß er für sich zu nutzen – neben den 2017 und 2018 erscheinenden Fortsetzungen von »Fifty Shades of Grey« wird Dornan allein 2016 in drei weiteren Spielfilmen zu sehen sein. Dornan war Anfang der 2000er zunächst als Model für verschiedene Werbekampagnen unter anderem für Calvin Klein tätig, und es soll seine damalige Freundin Keira Knightley gewesen sein, die ihn seiner späteren Talentagentur vorstellte.

»Fifty Shades of Grey« (2015). © Universal Pictures

Erste Aufmerksamkeit bekam Dornan durch die moderne Märchenserie »Once Upon a Time«, in der er als Sheriff Graham aka Huntsman und späteres Love-Interest von Hauptfigur Emma auftrat, bis die böse Königin ihm wortwörtlich das Herz aus dem Leib riss. Seine unangefochten beste und eindrücklichste Performance erbringt Dornan allerdings an der Seite von X-Files-Schauspielerin Gillian Anderson in der britischen BBC-Serie »The Fall«, in der er als ambivalenter Serienmörder dieses Jahr bereits für die dritte Staffel vor der Kamera steht. In »The Fall« gelingt Dornan die glaubwürdige und facettenreiche Darstellung des psychopatischen, misogynen Serienmörders ebenso wie die des warmen, charmanten und liebevollen Familienvaters.

Wanda Koller
 

Das Working Girl
Elisabeth Moss, 1982, Los Angeles

Mit einer Mischung aus Naivität und sturer Entschlossenheit stürmt sie in die Büros von Alphamännern wie Don Draper und ringt ihnen Zugeständnisse ab, die sie Frauen normalerweise nicht zu geben bereit sind. Dabei hat Elisabeth Moss als Peggy in »Mad Men« keine feministische Agenda, sondern nur persönliche Interessen: Warum sollte sie bloß Sekretärin sein und nicht Werbetexterin im Kreativteam? Trainiert hat Moss diesen instinktiven Widerspruchsgeist schon als jüngste Tochter des von Martin Sheen gespielten amerikanischen Präsidenten in der Fernsehserie »The West Wing«. Unter der Fassade des braven Mädchens und mit noch ziemlich piepsiger Stimme musste sie da ihr rebellisches Coming-of-Age gegen den Secret Service durchsetzen und die Liebe zum afroamerikanischen Assistenten ihres Vaters gegen das konservative Amerika. Danach war sie ganz gut gerüstet für eine wie Peggy Olson, die sich in der schönen, chauvinistischen Werbewelt der sechziger Jahre unter den Whiskey trinkenden und kettenrauchenden Männern behauptet. Als Schauspielerin litt Moss ein wenig unter den unförmigen Klamotten, die sie tragen musste, bevor sie mit wachsendem Selbstbewusstsein Stil und Klasse entwickelte. Als Einzige unter den Frauen verdiente sie sich auf diese Weise echten Respekt von ihrem Boss (nicht zuletzt auch, weil sie nie in seinem Bett landete) und wurde unfreiwillig zur feministischen Ikone für die modernen Zuschauerinnen.

»Mad Men« (2007). © AMC

Danach variierte sie solche working girls, die ihre Gefühle mit ehrgeiziger Professionalität panzern – so wie die Ermittlerin, die in Jane Campions Miniserie »Top of the Lake« durch einen Kindermordfall mit ihrer eigenen schmerzhaften Kindheit konfrontiert wird, als die Assistenzärztin, die Jonah Hill in »Männertrip« das Gefühl gibt, er sei die Hausfrau aus den fünfziger Jahren, aber auch als investigative Reporterin auf der Suche nach der »Wahrheit (Truth)« über George W. Bushs Militärzeit im Team um Cate Blanchett und Robert Redford und in der J. G. Ballard-Verfilmung »High-Rise«, wo sie dem Zerfall der Zivilisation weitgehend ungerührt ins Auge blickt. Campion erzählt über Moss, auch in der Wirklichkeit habe sie keine Angst, irgendjemanden mit ihren Ansichten zu düpieren. Eine Eigenschaft, die sich allemal in der modernen Filmindustrie bewährt.

Anke Sterneborg
 

Die Virtuosin
Lola Kirke, 1990, London

Eigentlich ist es die alte, klassische Geschichte, so amerikanisch wie Frank Sinatras »New York, New York«. Nur kommt in der Amazon-Fernsehserie »Mozart in the Jungle« statt des jungen Mannes eine junge Frau aus der Provinz in die große Metropole. Hailey Rutledge aus North Carolina ist Oboistin und träumt davon, einmal in einem der großen Orchester der Stadt zu spielen. Doch zunächst muss sie sich mit dem Job der Assistentin des neuen Maestros der New Yorker Symphoniker begnügen.

Sinatra sang einst: »Ich möchte in einer Stadt aufwachen, die nicht schläft.« Und auch das New York der klassischen Musik scheint niemals zu ruhen. In dem fortwährenden Chaos aus Intrigen und Affären, künstlerischen Ambitionen und kleinlichen Eifersüchteleien müsste Hailey eigentlich jeden Halt verlieren. Doch die von Lola Kirke gespielte Musikerin ist längst nicht so naiv und provinziell, wie sie vielleicht auf den ersten Blick wirkt. Kirkes Spiel ist schon in der ersten Szene der ersten Episode, in der Hailey dem Sohn einer reichen New Yorker Familie Unterricht gibt, eine Gratwanderung. Unschuld und Berechnung halten sich nicht nur in diesem Augenblick die Waage. Mal scheint Hailey vom Strom der Ereignisse mitgerissen zu werden, mal ist sie wie ein Fels in der Brandung.

»Mozart in the Jungle« (Serie, 2014). © Amazon

Lola Kirke hält alles in der Schwebe. Mit ihren großen Augen, die mit einem Wimpernschlag von Erstaunen zu Entsetzen wechseln können, ist sie die perfekte Ingénue, eine Rolle, die ihr noch mehr entgegenkommt als die abgebrühte White-Trash-Gangsterbraut in »Gone Girl«. Was in Finchers Bestsellerverfilmung noch wie eine Maskerade wirkt, wird in »Mozart in the Jungle« und in Noah Baumbachs »Mistress America«, in dem sie ihr Serien-Image variiert und zugleich vertieft, zu ihrer zweiten Natur. In diesem strahlenden All-American-Girl steckt eine Femme fatale, die ihren Weg ohne jeden Skrupel geht. Aber selbst in ihren düstersten Momenten versprüht Kirke einen entwaffnenden Charme, dem mittlerweile auch Hollywood erlegen ist.

Sascha Westphal

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