Kritik zu Captain Marvel
Ausgerechnet das Team hinter dem Independent-Hit »Half Nelson« bringt die »Origin Story« von Carol Danvers alias Captain Marvel auf die Leinwand, der ersten weiblichen Superheldin mit Titelstatus in Marvel's Cinematic Universe
Eigentlich war sich Vers ihrer Identität immer sicher. Als Angehörige der Kree, einer hochzivilisierten humanoiden Lebensform irgendwo im Universum, wartet sie darauf, endlich als vollwertige Kriegerin anerkannt zu werden. Nur ihre Emotionen solle sie noch besser in den Griff bekommen, meint ihr Ausbilder, und weniger impulsiv (re)agieren. Womit vermutlich auch jene weibliche Intuition gemeint ist, die in Kree, nach einem schiefgegangenen Einsatz gegen die Gestaltwandler-Rasse der Skrull, den Verdacht keimen lässt, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Denn woher kommen mit einem Male diese seltsamen Erinnerungsflashes an eine Testpilotin auf einem fernen, fremden Planeten, die bei einem Absturz (fast?) ums Leben kommt? Ehe sie sich's versieht, ist Vers auch schon, wenngleich eher unfreiwillig, auf jenem Planeten gelandet – es handelt sich um die Erde der 90er-Jahre, als die Computer noch sehr, sehr langsam waren – und sieht sich mit einer neuen/alten Identität konfrontiert: Wer war Carol Danvers? In der Folge stellt sich sodann die alles entscheidende Frage: Wer ist Captain Marvel?
Zunächst natürlich der Titel dieses Films, der unter der Regie des eher für Low-Budget Dramen wie »Half Nelson« (2006) bekannten Duos Anna Boden und Ryan Fleck entstanden ist. Zudem ist »Captain Marvel« der, Sie werden es nicht glauben, erste, der das Marvel Cinematic Universe (MCU) bildenden Superhelden-Filme, in dessen Mittelpunkt eine Frau steht. Elf Jahre nach dessen Begründung wird mit dem einundzwanzigsten Eintrag ins Meta-Franchise also Emanzipationsgeschichte geschrieben. Lange genug hat's gedauert. Brie Larson, 2016 oscarpreisgekrönt für ihre Leistung in Lenny Abrahamsons »Room«, schlägt sich in der Titelrolle übrigens nicht weniger wacker als all die anderen hochkarätigen Mimen, die in diesen effektgeladenen Spektakeln vor der Greenscreen um ihren guten Ruf spielen. Larson stattet ihre Figur mit einer angenehmen Mischung aus Draufgängertum und Humor aus und verwurzelt diese in einer von Pragmatik und Empathie gleichermaßen bestimmten Einstellung den Dingen des Lebens gegenüber. Woraus folgt, dass es sich bei dieser Superheldin um eine echt patente Frau handelt, in deren Hände man ruhig auch richtig schwierige Probleme legen kann.
Wird also Captain Marvel die derzeit am Abgrund stehende Superheldenwelt retten? Am Ende jedenfalls wird Carol Danvers alias Vers alias Captain Marvel den traditionellen Weg der Selbstermächtigung zurückgelegt haben und sich sowohl über ihre Identität klar geworden sein, als auch im vollen Besitz ihrer Superkräfte stehen. Es ist dies die Geburt einer Figur, mit der beim bevorstehenden Avengers-Showdown (»Endgame« startet am 25. April) zu rechnen sein wird. Mit weißglühenden Augen und Photonenstrahlen aus beiden Fäusten schießend zischt sie durch den Weltraum und demonstriert mit cooler Geste, dass im Sandkasten von nun an neue Regeln gelten. Die Super-Jungs dürfen sich schon mal warm anziehen.
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