Kritik zu Veni Vidi Vici
Eiskalte schwarze Komödie aus Österreich über die Macht und Amoralität der Superreichen und darüber, welch leichtes Spiel sie haben
Zunächst ist da ungläubiges Staunen, irritierte Verunsicherung, bis sich ganz langsam ein quälendes Unbehagen ausdehnt vor lauter Skrupellosigkeit, Dekadenz, Amoralität, bei der die Masse nicht nur zusieht, sondern wie ferngesteuert mitspielt. Schon in »WiNWiN« (2016) und »Davos« (2020) hat sich das österreichische Regieduo Daniel Hoesl und Julia Niemann mit der Welt der Superreichen beschäftigt. In »Veni Vidi Vici« erzählen sie atmosphärisch kühl und mit erschreckender Aktualität von einem jungen Investor und liebevollen Familienvater, der aus reiner Langeweile oder vielmehr, weil »ihn keiner stoppt«, willkürlich Menschen erschießt – vor den sehenden Augen der Behörden, der Politiker und auch der Bürger. Der Großmeister des sozialen Unbehagens, Ulrich Seidl, hat den Film produziert.
Die Satire beginnt mit einem Schockmoment: Ein Rennradler stoppt an einer Serpentine, ein Schuss fällt, der Mann ist tot. Es erscheinen zwei offenbar perfekt eingespielte Männer, der eine streift das Trikot des Toten über und radelt davon. Der andere verstaut das Gewehr in einem weißen Porsche und tauscht die Nummernschilder aus, eine Routine, mit der im Folgenden noch viele Menschen wahllos getötet werden. Der Schütze: der Milliardär Amon Maynard (Laurence Rupp), sein Lakai: Alfred (Markus Schleinzer), einst ein angesehener, kritischer Journalist.
Es ist eines der vielen bitterbösen Details, mit denen Hoesl und Niemann ihr Menschentableau zeichnen. Selbst die Aufrechten knicken irgendwann ein, lassen sich manipulieren und benutzen. Die Nachfolge von Alfred wird übrigens später ebenfalls ein Journalist antreten. Der hatte noch vergeblich versucht, Amon als Massenmörder öffentlich zu entlarven. Desillusioniert oder gehirngewaschen lässt er sich später als Butler der Familie Maynard sogar Alfred nennen. Absurd.
Es war die 13-jährige Tochter Amons, Paula (Olivia Goschler), die Alfred Nummer eins versehentlich erschossen hatte. Die Teenagerin ist nicht nur wie ihr Vater von Waffen fasziniert, sondern auch genauso menschenverachtend. Bei einem Polospiel gewinnt Paulas Team nur dank ihres Fouls. »Fairplay kann jeder. Ein Foul ist kein Verbrechen«, verkündet sie aus dem Off. Und behält recht. Da werden die Erinnerungen an einen Spruch Donald Trumps wach. Im Wahlkampf für seine erste Präsidentschaft sagte er, dass er auf der Fifth Avenue jemanden erschießen könnte und doch keinen Wähler verlieren würde. Die Geschichte gibt ihm recht.
Hoesl und Niemann offenbaren in ihrer Satire eine perverse Welt, in der eine superreiche Familie ein scheinbar perfektes Leben führt, mit zwei Adoptivtöchtern, Amons leiblicher Tochter und schließlich sogar noch einem eigenen Kind der nicht mehr ganz jungen zweiten Frau (vernichtend kühl von Ursina Lardi gespielt). Sie geben sich liebevoll, tolerant – und bestimmen die Regeln. Am Ende steht die Frage, warum eine Gesellschaft sie gewähren lässt. Eine Antwort gibt es nicht. Stattdessen eine finale brutale Tat, die zeigt, dass das System weiterleben wird.
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