Kritik zu Snowden

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Wenn das Gesetzmäßige verbrecherisch ist, ist Zuwiderhandlung legitim: Oliver Stone macht einmal mehr aus einem bekannten öffentlichen Ereignis ein packendes Drama – mit Joseph Gordon-Levitt in der Hauptrolle des berühmtesten Whistleblowers der Welt

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Wie die Geschichte ausgeht, ist allgemein bekannt: Edward Snowden, der wohl berühmteste Whistleblower der Welt, sitzt irgendwo in Russland im unfreiwilligen Exil fest. Den Institutionen seines Heimatlandes USA gilt er als Landesverräter, der, sollten sie seiner habhaft werden, vor Gericht gestellt werden wird. Snowden lüftete Geheimdienstgeheimnisse, löste damit nationale wie internationale Skandale aus und brachte seine Regierung in Erklärungsnotstand; seine Aktionen ließen Big Brother zwar nicht fallen, doch immerhin leise schwanken, und er zahlt dafür den hohen Preis des Verlustes seiner sozialen wie wirtschaftlichen Existenz sowie seiner Heimat. All diese Eckdaten und freilich noch viele mehr gehören gegenwärtig zum Allgemeinwissen, und da fragt sich natürlich, wie einer, der Snowdens Geschichte zum Gegenstand eines Spielfilms wählt, den dramaturgischen Spannungsbogen herstellen und durchhalten will.

Zum Glück hat Oliver Stone, Regisseur und, zusammen mit Kieran Fitzgerald, Drehbuchautor von »Snowden«, Routine in dergleichen; über Richard Nixon wusste man ja auch Bescheid, und dennoch war Nixon – nicht zuletzt dank Anthony Hopkins' fein ziseliertem Charakterporträt von »Tricky Dick« – alles andere als ein fades Re-enactment. Nun spielt Joseph Gordon-Levitt, der die Rolle Edward Snowdens übernommen hat, zwar nicht gerade in der Liga von Hopkins, ist aber ein erfreulich wandlungsfähiger Schauspieler. Vor allem einer, der, was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mag, einleuchtend unter einen Hut bringt: den Bürohengst und den Actionhelden in Christopher Nolans »Inception«; den Pornomacho und den Romantiker in seiner eigenen Regiearbeit »Don Jon« und nun eben den Biedermann und den Brandstifter.

Angetreten nämlich war Snowden seinerzeit als Patriot, als ein idealistischer junger Mann, der ebenso an sein Land glaubte wie, unter dem Eindruck von 9/11, an die Notwendigkeit, es vor den Angriffen feindlicher Mächte zu schützen. Er bewarb sich also aus vollster Überzeugung bei der CIA, um seine beträchtlichen Computer-Whizkid-Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen. Dann allerdings musste er im Zuge seiner Tätigkeiten für »die Firma« feststellen, dass das System, dem er diente, sein Vertrauen und seine Arbeit missbrauchte, nicht zuletzt um weltweit bürgerliche Grundrechte zu verletzen.

Gordon-Levitt spielt Snowden, der aussieht wie der sprichwörtliche Schwiegersohn, mit einer winzigen Portion Schalkhaftigkeit, eben genug, um ihn aus der Ecke der klemmigen Computernerds herauszuholen und sympathisch-attraktiv zu machen. Korrespondierend wählt Stone eine biografisch-emotionale Perspektive und erzählt die Snowden-Story ausgehend vom Geschehen im Mira-Hotel in Hongkong im Juni 2013 in Rückblenden, die Ereignisse aus der Vorgeschichte herausgreifen und mit der gebotenen kreativen Freiheit zu Wegmarken der dämmernden Erkenntnis und Entscheidungsfindung verdichten. Dabei verzichtet Stone zum Glück auf sein inszenatorisches Lieblingsmittel der manipulativen Sperrfeuermontage und gibt sich zur Abwechslung einmal als konventioneller, um nicht zu sagen konservativer Erzähler.

Letzteres gilt selbstverständlich nicht für die ideologische Position von »Snowden«; weder aus seiner linken Gesinnung noch aus seinem Sendungsbewusstsein hat Stone je einen Hehl gemacht, und seine Antwort auf die Frage, ob es sich bei Snowden um einen Terroristen oder um einen Freiheitskämpfer handelt, fällt eindeutig aus. Das bedeutet zugleich, dass Stone sich mit den Feinheiten der Problemlage rund um die Loyalität von Staatsdienern und/oder Staatsgeheimnisträgern nicht lange aufhält. Wenn das Gesetzmäßige verbrecherisch ist, ist Zuwiderhandlung legitim, meint Snowden (meint Stone) und verweist auf das nationalsozialistische System des legalisierten Unrechts. Und in der Tat mag man sich eine vor Snowdens Aufdeckungen ungebremst operierende NSA eher nicht in den Händen von Donald Trump vorstellen.

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