Kritik zu Don Jon

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Sexualkundeunterricht der etwas anderen Art: Joseph ­Gordon-Levitt erzählt in seinem Spielfilmdebüt von Pornosucht und dem Widersinn der Suche nach der Traumfrau

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.75
3.8 (Stimmen: 4)
Mit einem häufigen Vorurteil räumt Joseph Gordon-Levitt in seinem Spielfilmdebüt so spielerisch wie demonstrativ auf: Er zeigt, dass Sucht und Ordnung kein Gegensatzpaar bilden. Sondern ganz im Gegenteil: Der Hang zur Sucht hat mit dem zur Ordnung wahrscheinlich mehr zu tun, als die Vertreter der ordentlichen Lebensführung wahrhaben wollen. In jedem Fall hat Jon (Joseph Gordon-Levitt) sein Leben bestens aufgeräumt. Wichtig sind ihm sein gut trainierter Körper, seine sauber geputzte Wohnung, sein sorgfältig poliertes Auto, seine Jungs, seine Mädchen, seine Kirche und... sein Porno. Alles hat seinen Platz, alles zu seiner Zeit.
 
Hart an der Grenze zur Karikatur zeichnet Gordon-Levitt seine Figur des einfachen jungen Mannes aus New Jersey. Aus dem Off lässt er ihn die eigene Montagesequenz kommentieren, die Jon als sympathischen Pedanten aus dem italo-amerikanischen Milieu darstellt. Das Leben, das er führt, könnte man spießig nennen, aber es ist auf keinen Fall ein unglückliches. Sein Job als Barmann verlangt ihm nicht allzu viel ab, seiner Routine aus Körper-, Wohnungs- und Auto­pflege stehen die Freuden des sozialen Lebens gegenüber – das Trinken mit den Jungs, das Anquatschen von ­Mädchen, der folgende Sex. Ganz ohne Schuldgefühl geht der Katholik dazu noch wöchentlich zur Beichte. Die zur Buße für seine fleischlichen Sünden aufgetragenen Ave-Marias arbeitet er effizient während seines Work-outs ab. Man müsste ihn einen zufriedenen Mann nennen, gäbe es da nicht dieses Manko, das Jon aus dem Off gesteht: dass der Sex mit seinen Eroberungen ihn weniger befriedigt als der mit sich selbst, angeregt von Internetpornos. Jon ist also pornosüchtig. Wer jetzt an Problemfilm denkt, liegt allerdings falsch. Joseph Gordon-Levitt versucht in Don Jon die schwierige Balance zu finden zwischen der Oberflächlichkeit einer Sexkomödie und einer durchaus ernstgemeinten Botschaft zum Thema Intimität.
 
So ist zum Beispiel die Sequenz, in der Jon die in ihrer Ordentlichkeit beeindruckende Pornoroutine schildert, einerseits wie eine Komödie getimt: der Startgong des Laptops und das Geräusch der im Papierkorb landenden Kleenex rhythmisieren die Peinlichkeit des Masturbationsaktes – bei dem Gordon-Levitt stets diskret vom Laptop verdeckt wird – und machen ihn damit zum Running Gag. Andererseits funktioniert Jons Off-Kommentar dazu wie eine Einführung für den Pornolaien. Einen Porno zu finden, der in genau dem richtigem Maße antörnt, erfährt man da, erfordert einiges an Mühe. Gordon-Levitt, der auch das Drehbuch verfasste, scheint auf jeden Fall zu wissen, wovon er spricht.
 
Jon aber, von seinen Freunden wegen des Erfolgs in der Frauenwelt "Don Jon" genannt, lernt eines Tages Barbara (Scarlett Johansson) kennen. Mit ihrem langen blonden Haar, ihren in engen Kleidern aufs Beste präsentierten Kurven, ihrer rauchigen Stimme und dem sexy zur Schau gestellten Selbstbewusstsein ist sie ein Abziehbild des Typs "Traumfrau". Sie und Jon scheinen deswegen gewissermaßen wie Ken und Barbie füreinander geschaffen. Wo er seine festgelegten Vorstellungen von Männlichkeit hat, hat sie ihre von Weiblichkeit. Und mit der gleichen Beharrlichkeit, mit der Jon masturbiert und zur Beichte geht, zieht Barbara ihr aus der Summe aller "romantic comedies" gewonnenes Schema durch, das vorsieht, dass man einem Mann nicht das geben soll, was er will, sondern ihn besser durch gekonntes Hinhalten manipuliert. Und dann passiert das Ungewöhnliche dieser Komödie: Die beiden, die füreinander bestimmt scheinen, verstehen sich dann doch nicht. Dass Barbara Jons Pornosucht auf die Schliche kommt, bringt diese Erkenntnis nur ins Rollen, die Sucht selbst stellt letztlich nicht das große Problem dar. Zumal Jon in der älteren Esther (Julianne Moore) jemanden findet, die ihm die richtige Richtung weist.
 
Die letzte Wendung, in der Jon lernt, sich weniger Gel in die Haare zu schmieren und einer Frau beim Sex in die Augen zu schauen, fällt mit der Ideologie von "wahrer Nähe" vielleicht etwas zurück in das, was Jon gerade überwunden hat: starre, von außen herangetragene Vorstellungen von Mann, Frau und Intimität. Aber einem Film, dem es bis dahin so witzig und ernst zugleich gelingt, die eigene Natur der "Sexkomödie" subversiv zu unterwandern, verzeiht man das.

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