Kritik zu The Menu

© 20th Century Studios

Kritiker, Snobs und Superfoodies: In der bitterbösen Satire über ein blutig aus dem Ruder laufendes Gourmet­menü werden keine Gefangenen gemacht

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Zwei Kulturbereiche sind seit jeher dankbare Objekte für Satire: moderne Kunst und die Welt des Weins und der sogenannten Hochküche. Das zum Verständnis dieser Sparten vermeintlich notwendige Spezialistentum wirkt auf Außenstehende schnell abgehoben, dekadent und selbstbezogen. Es fordert Hohn geradezu heraus, wenn nicht sogar Zorn, man denke an Ruben Östlunds »The Square«. 

Nun also die moderne Gourmandise in »The Menu«. Die Ausgangssituation ist simpel, eine Gruppe sehr unterschiedlicher Gäste reist zu einem abgelegenen, hochexklusiven Restaurant, um das neue Menü des weltberühmten Küchenchefs Julian Slowik (ein maliziöser Ralph Fiennes) zu genießen. Allein die ersten Szenen, in denen die illustre Schar vorgestellt wird, sind, nun ja, köstlich. Von der selbstherrlichen Großkritikerin über die neureichen Prestige-Esser bis zum prätentiösen Supernerd, der beim Essen Tränen der Ergriffenheit vergießt, werden sämtliche Gast-­Archetypen punktgenau karikiert. Auch das Setting des Restaurants und der Habitus des Küchenchefs dürften jedem bekannt vorkommen, der ein paar Folgen »Chef's Table« gesehen hat. Die Filmemacher haben das Thema gut recherchiert, die Wiedererkennungseffekte sind verblüffend. So betrachtet ist »The Menu« nicht zuletzt ein Vergnügen für genau jene Menschen, die darin aufs Korn genommen werden.

Es wäre der Freude am Film abträglich, Details über den Handlungsverlauf zu verraten, deshalb nur so viel: Bald ist klar, dass die Gäste Gefangene sind, deren Erwartungen Küchenmaestro Slowik in einem Akt der Rebellion ad absurdum führt. Glücklicherweise vermeidet der Film dabei weitgehend den Fehler einer schlichten Tirade gegen avancierte Küche, immerhin fungierte die berühmte Sterneköchin Dominique Crenn als kulinarische Beraterin. 

Nur vereinzelt verfällt das Drehbuch in letztlich konservative Klischees über kulinarische Kreativität und Avantgarde. Vielmehr aber nimmt »The Menu« die Erwartungen einer übersättigten Klientel ins Visier, wobei der Film klugerweise nicht unterscheidet zwischen bräsigem Geldadel und arroganten Intellektuellen. So zeigt der Film sich letztlich verantwortlich für Auswüchse wie die absolute Selbstaufgabe im Namen der Kochkunst und den Zwang zum ultrapersönlichem »Storytelling« hinter jedem Gericht. 

In einer bitteren Rollenumkehrung konfrontiert Slowik seine Gäste mit ihren eigenen, verdrängten »Storys«, eine alptraumhafte Situation, von David-Lynch-Kameramann Peter Deming in glasklaren, hyperrealen Bildern eingefangen. Ein Luxusrestaurant als Spiegel der Klassengesellschaft mag nicht neu sein, wird hier aber im blutigen Aufstand einer traditionell »dienenden« Schicht auf die Spitze getrieben. Im Eifer des satirischen Gefechts wird da manches simplifiziert, und am Ende ist »The Menu« wohl eher blutiges Boulevardtheater als tiefschürfende Reflexion. Ein vergnüglicher Anstoß zu etwas mehr gelassener Bodenständigkeit, nicht nur beim Essen.

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