Kritik zu Keine Lieder über Liebe

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Unterhaltsames Roadmovie von Lars Kraume

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Den angehenden Filmemacher Tobias Hansen (Florian Lukas) quält eine fixe Idee. Hat seine Freundin Ellen (Heike Makatsch), mit der er in Berlin zusammenlebt, etwas mit seinem Bruder Markus (Jürgen Vogel), dem Sänger in einer Band gehabt? Der Gedanke lässt ihn nicht los, seit sie Markus vor einem Jahr in Hamburg besuchten. Und da Tobias einen Film über eine Konzerttournee seines Bruders plant, sieht er eine Möglichkeit, seinem Verdacht nachzugehen. Als Ellen wenig später zu Filmteam und Band stößt, kommt das Beziehungskarussell in Bewegung, und Tobias' Musikfilm wird zunehmend zu einem Film über Liebesfreud und -leid, bis endlich die entscheidende Frage gestellt wird.

Regisseur Lars Kraume legt Wert auf den authentischen Charakter seines Films: Die Schauspieler agierten, bei vorgegebener Ausgangssituation, ohne Drehbuch, die Band wurde eigens gegründet, die Konzerte sind in norddeutschen Clubs live mitgeschnitten. Die Fiktion, hier entstehe ein Dokumentarfilm, vermag dem Film tatsächlich über weite Strecken einen Zuwachs an "Echtheit" zu verleihen: Die stets anwesende Kamera und der Mikrofongalgen "spielen" gewissermaßen mit, somit müssen sich die Bandmitglieder wie auch die Konzertbesucher gar nicht erst als Laiendarsteller versuchen. Auch wirkt die ständige Bewegung der Kamera nicht als formale Spielerei, sie ergibt sich vielmehr aus dem Geschehen auf den engen Schauplätzen, den verrauchten Clubs und den übervölkerten Backstageräumen, den Mehrbettzimmern im billigen Hotel und dem holpernden Bus. Eine Konzerttournee, das wird in diesem Roadmovie fast körperlich spürbar, ist eine Reise voller Entbehrungen - und Erwartungen, denn die Ovationen des Publikums sind nicht garantiert.

Lars Kraume rückt seinen Helden zwangsläufig nahe auf den Leib - und verliert dabei bisweilen die Distanz zu dem Geschehen. So lässt er in einer zentralen Passage seine Protagonisten lang und breit über die Frage streiten, ob Sex ohne Liebe möglich sei, was Macho Markus naturgemäß bejaht und Ellen ebenso stereotyp verneint. Dass sie dabei durch die Blume von sich selbst sprechen, ist klar, und vor allem an dieser Stelle wünschte man sich ein Drehbuch, das über einen öden Teenie-Disput hinaus zu einem substanzielleren Umgang mit dem Thema Liebe und Treue vorstößt - schließlich haben alle Beteiligten auch das Twen-Alter sichtlich überschritten. Vielleicht liegt gerade darin aber auch ein Wahrheitsmoment des Films: In der schlichten Feststellung nämlich, dass Beziehungskonflikte auch in scheinbar aufgeklärten Gesellschaften und libertärem Umfeld immer noch nach wilhelminischem Strickmuster gehandhabt werden. Zwar kann der tief gekränkte Tobias seine Ellen nicht in die soziale Isolation verbannen wie weiland Fontanes Baron von Innstetten seine untreue Effi Briest, aber immerhin lässt er sie einfach auf einem unwirtlichen norddeutschen Parkplatz stehen.

Über 150 Stunden Material hat Kraume nach eigenem Bekunden gedreht ("nichts doppelt"). Da wundert es denn doch, dass dem Dreiecksdrama im letzten Drittel etwas die Luft ausgeht, die Diskussionen redundant werden und schließlich auch noch die Figur der derangierten Mutter der beiden Männer ins Spiel gebracht werden muss, um den Film über die Zeit zu bringen.

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